Abtprimas Notker Wolf: Ballast abzuwerfen ist der beste Schlüssel zu mehr Lebensfreude
"Worum geht’s? Es geht ums Leben! Und das kann nur gelingen, wenn es mit klarem Geist und mit Sinn für Einfachheit gelebt wird", so lautet der zusammenfassende Appell von Abtprimas Notker Wolf am Ende seines Vortrags zum Thema „bewusst einfach leben“ in St. Lambrecht.
Ganz im Sinne der von Papst Franziskus zu erwartenden Aussagen in der neuen Enzyklika „Laudato si“ und schöpfend aus der 1500 Jahre alten Regel des hl. Benedikt von Nursia begann Notker Wolf seine Ausführungen mit dem Hinweis auf die Bedeutung der Einfachheit, die uns Menschen wahre Freiheit schenken kann, wenn wir erkennen, was wir alles nicht brauchen, um glücklich zu sein. Einfachheit bedeutet nicht Armseligkeit, sondern hat mit Stil und einem Gespür für Würde zu tun, so der Abtprimas, und weiter: "Früh genug lernen loszulassen und Ballast abzuwerfen ist der beste Schlüssel zu mehr Lebendigkeit, mehr Lebensfreude und einem positiven Zugang zur Gestaltung von Zukunft."
Dabei gilt es durchaus, den Verstand einzusetzen, den Gott uns gegeben hat, dass wir kritisch und wach unsere Verantwortung für Heute und Morgen wahrnehmen können. Wolf verwies auf die vom hl. Benedikt so stark betonte Kultur der Wartung und der Pflege, die gegenüber allem voller Wertschätzung und Aufmerksamkeit ist. Nachhaltigkeit ergibt sich daraus wie von selbst.
Der heute weit verbreitete Sicherheitswahn, Gesundheitswahn und Hang zum Perfektionismus macht die Menschen krank und behindert letztlich auch Gemeinschaft. Gemeinschaft aber ist für uns Menschen lebensnotwendig. „Mühsam muss wieder zusammengeflickt werden, was wir vorher kaputt gemacht haben - wir sind schon komische Menschen ...“ sinnierte der Abtprimas nachdenklich. Der Akzent im Titel „bewusst einfach leben“ liegt jedenfalls am Leben, jenem Geschenk Gottes, der nach den Worten des Johannesevangeliums in Jesus gekommen ist, damit wir „das Leben haben, und es in Fülle haben.“
Der Vortrag musste kurzfristig vom Refektorium in die Stiftskirche verlegt werden, weil die über 400 Besucher sonst nicht Platz gefunden hätten. In der Predigt beim Festgottesdienst um 18.00 Uhr zeichnete Notker Wolf das Anliegen des hl. Benedikt nach, die Frohe Botschaft Jesu Christi als Maßstab für gelingendes Leben in Gemeinschaft zu erschließen. Der Mensch braucht Ordnung und Autorität, die Benediktusregel enthält wertvolle Impulse dazu und ist somit nicht nur für Ordensfrauen und -männer, sondern auch für Pfarren, kirchliche Gemeinschaften, ja auch für Familien eine hilfreiche Inspiration.
Herzlichen Glückwunsch zum 75. Geburtstag
Einen Tag später stand Abtprimas Wolf als Musiker auf der Bühne des Volkstheaters in Wien. Das Musik-Projekt »Shalom! Music Between Friends« war etwas Besonders: Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Religionen gaben gemeinsam ein Konzert, um Grenzen zu überwinden. Neben Wolf (Querflöte) standen der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker (Schlagzeug), Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka (Klavier), Sektionschef Gerhard Steger (Gitarre) und Oberrabbiner Chaim Eisenberg (Gesang) auf der Bühne.
Im Rahmen dieses Konzertes wurde auch der 75. Geburtstag von Abtprimas Notker Wolf (um drei Tage vor-)gefeiert. Abtpräses Christian Haidinger, Erster Vorsitzender der Superiorenkonferenz der Ordensgemeinschaften Österreich, überreichte dem ihm ein kleines Geschenk und kam in seiner Glückwunschsrede auf den Musikevent zu sprechen: "Als wir vor zwei Jahren dieses 'Shalom! Music for Friends" zum ersten Mal im Stift Altenburg zur Aufführung brachten, war das als einmaliges Ereignis gedacht. Dass es zum dritten Mal auch in diesem Jahr stattfindet, wo dieses wichtige Dokument des II. Vatikanischen Konzils, Nostra aetate - Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, 50 Jahre alt wird, und dass wir heute dieses Konzert miterleben dürfen, ist mir eine Freunde. Zum 40-Jahr-Jubiläum durften wir in Altenburg den Garten der Religionen eröffnen, der gleichsam in die Gartensprache übersetzt hat, wozu dieses Dokument uns auffordert. Ich bin überglücklich, dass diese Dialog mit den nichtchristlichen Religionen auf unterschiedlichsten Ebenen, so wie hier, stattfindet."
"Es heißt hier doch Musik unter Freunden, und wir sind zu Freunden geworden", brachte es Abtprimas Notker Wolf auf den Punkt. "Es ist etwas unglaublich Schönes, miteinander Musik zu machen. Da vergessen wir alles, da kommen mit der menschlichen Seite unsere Herzen zusammen. Wir wollen der Welt zeigen, wir können verschiedenen Glaubens und verschiedener Auffassung sein, es geht auch gar nicht darum, diese einzubügeln, wie man es mit Wachs macht, sondern einfach zu sagen: Ich respektiere dich. Und am Schönsten zeigt es sich dann, wenn wir miteinander Musik machen."
Notker Wolf, seit 2000 Abtprimas der Benediktiner und als solcher oberster Repräsentant von rund 23.000 Ordensfrauen und -männer, wurde am 21. Juni 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu (Bayern) geboren. 1961 trat er in die bayrische Benediktinerabtei Sankt Ottilien ein. Er studierte Philosophie, Theologie und Naturwissenschaften in Rom und München. 1968 wurde er zum Priester geweiht. Als Professor für Naturphilosophie ging er 1971 an die Päpstliche Hochschule Sant' Anselmo der Benediktiner in Rom. 1977 kam er als Erzabt des Klosters Sankt Ottilien zurück nach Deutschland. 2000 wurde er erstmals zum Abtprimas gewählt und 2008 und 2012 für jeweils vier weitere Jahre im Amt bestätigt.
Als Abtprimas residiert Wolf in Rom, wo er der Abtei Sant'Anselmo auf dem Aventin-Hügel vorsteht. Zugleich ist er Großkanzler der päpstlichen Hochschule der Benediktiner. In der benediktinischen Konföderation beschränkt sich sein Amt weitgehend auf repräsentative Aufgaben.
[rs]