Präsidentin Mayrhofer: Wir müssen diesen klerikalen Mittelbau überwinden
Frauen in der Kirche – ein Thema, das seit jeher für kontroversielle Ansichten sorgte. In den beiden jüngsten Erscheinungen des Styria-Verlages, die am 18. Mai 2016 in der vollbesetzten Buchhandlung Herder in der Wollzeile 33 in Wien 1 vorgestellt wurden, stehen diese Frauen im Mittelpunkt – doch der Zugang ist komplett unterschiedlich.
Foto v.l.n.r.: Theresia Heimerl, Sr. Beatrix Mayrhofer, Monika Slouk und Marlies Zuccato-Doutlik. (c) Catharina Rosenauer
Das Buch „Ein bisserl fromm waren wir auch“ von Autorin Monika Slouk (Pressereferentin der Ordensgemeinschaften Österreich) und Herausgeberin Sr. Beatrix Mayrhofer (Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs) richtet seinen Fokus auf Ordensfrauen. Wie Ordensfrauen wirklich leben, erzählen sie in diesem Band. Die vielfältigen Biografien erlauben den Einblick in eine wenig bekannte Welt und räumen mit so manchem Klischee auf. „Oft vergisst man: Wir sind nicht nur Klosterschwestern, sondern auch und vor allem Frauen. OrdensFRAUEN!“, bringt es Präsidentin Mayrhofer auf den Punkt. „Das war das Spannende an diesem Projekt. Außerdem: Wenn wir jetzt nicht die Lebensgeschichten von Ordensfrauen erfassen, dann gibt es diese Lebensgeschichte tatsächlich nicht mehr.“
Frauenorden-Präsidentin und Buch-Herausgeberin Sr. Beatrix Mayrhofer: Wir sind nicht nur Klosterschwestern, sondern auch und vor allem Frauen. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
Kein Weltuntergang
Monika Slouk ergänzt: „75 Prozent der rund 3.600 Ordensfrauen sind älter als 75 Jahre. Nur vier Prozent der Ordensfrauen sind unter 40 Jahre alt.“ Es sehe nach einem Weltuntergang aus, das sei es aber nicht. Zwischen 1840 und 1940 habe sich die Zahl der Ordensfrauen fast verzwanzigfacht. Vorher gab es zwischen 700 und 900 Ordensfrauen in Österreich – so die Statistik, die die Historikerin Helga Penz, Referatsleiterin für die Kulturgüter der Orden, erarbeitete. Und auf dieses Niveau werde sich die Zahl der Ordensfrauen auch wieder einpendeln. „Es ist schlicht das Ende eines historischen Phänomens“, so das Resümee der Autorin.
Buch-Autorin Monika Slouk: Es ist schlicht das Ende eines historischen Phänomens. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
Heikelstes Thema: Deutungsmacht
In Theresia Heimerls Buch „Andere Wesen. Frauen in der Kirche“ geht es unter anderem um die Sichtweise der Frau in den lehramtlichen Dokumenten. Anhand wichtiger Dokumente wie „Humanae vitae“ oder „Familiaris consortio“ belegt die Universitätsprofessorin für Religionswissenschaft an der Uni Graz den Wandel des Frauenbildes - den einen oder anderen Seitenblick zur Populärkultur inklusive. „In den sechziger Jahren hatte der Vatikan ein progressiveres Frauenbild als James Bond. Das gilt ab 1978 nicht mehr.“, so die Theologin. Ihr Zugang war einerseits ein theologischer, auch als Frau in der Theologie, andererseits ein distanzierter Blick darauf, was das katholische Christentum über Frauen sagt und schreibt. Heimerl: „Das heikelste Thema von allen ist nicht Sex, sondern ist Macht - die Deutungsmacht, denn das sind die amtlichen Texte. Also was Frauen sind, vor allem aber was sie sein sollen. Und: Was dürfen Frauen.“
Buch-Autorin Theresia Heimerl: In den sechziger Jahren hatte der Vatikan ein progressiveres Frauenbild als James Bond. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
Keine alternative Lebensform
In der anschließenden Diskussion stellte Frauenorden-Präsidentin Mayrhofer die Frage, warum Ordensfrauen in den lehramtlichen Dokumenten praktisch kaum vorkommen. Das sei in der mittelalterlichen Literatur interessanterweise umgekehrt; dort kämen vor allem geistliche Frauen vor, berichte die Religionswissenschaftlerin Heimerl aus ihren Studien. Man könnte daraus schließen, dass sei das Ideal. Aber in Wirklichkeit lese man, Frauen sind Mütter. Und wenn sie es noch nicht sind, dann sollen sie es werden. Heimerl: „In der katholischen Kirche hat eine Verengung des Frauenbildes in Folge mit der Auseinandersetzung des Protestantismus stattgefunden. Zu dieser Verengung auf die heilige Familie gibt es keine alternativen Lebensformen. Es gibt nur einen richten Weg der Frau, und der führt in die Ehe und in die Mutterschaft. Punkt.“ Tatsächliche solle man Frauen gar nicht auf die Idee bringen, dass es ein anderes Leben gibt. Und weiter: „Dieser Eindruck ändert sich bis heute nicht. Dieses Normierende, was dürfen Frauen sein, das ist wieder drin in Amoris laetitia.“
Theologinnen diskutieren über Frauen in der Kirche. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
Präsidentin Mayrhofer sieht die gegenwärtige Situation eher pragmatisch: „Wir Ordensfrauen sind da, wir sehen was zu tun ist, und wir tun es. Jemand muss einfach da sein und zupacken. Und muss auch auf Probleme aufmerksam machen. Und sich engagieren, dort wo die Nöte sind. Und muss von dieser Seite aus auch vom Leben her Wirklichkeit schaffen.“
„Was tun, wenn diese Wirklichkeit überhaupt nicht mehr übereinstimmt mit dem, was Kirche sagt oder schreibt“, hakt Theresia Heimerl nach. „Unsere jungen Studierenden, die verstehen Amoris laetitia teilweise gar nicht mehr.“
"Ja, ich würde auch sagen, das ist so“, stimmte ihr Präsidentin Mayrhofer zu. „Es wird sich etwas ändern, wenn immer mehr Frauen auch in vatikanischen Institutionen mitreden. Und ich denke, das wird kommen. Irgendwann werden sie schon draufkommen, dass sie auf uns nicht verzichten können. Und bis dorthin tun wir einfach.“ Und fand Unterstützung bei Monika Slouk: „Es ist traurig, dass erst die Ohnmacht groß genug werden muss, dass die Schwäche so groß werden muss, bevor dieser Schritt möglich ist.“ Bei dem kürzlich stattgefundenen Treffen der Generaloberinnen in Rom habe Papst Franziskus davon gesprochen, zwischen Servant und Service zu unterscheiden. Das eine sei ein Diener und das andere ein Dienst. „Franziskus bat die Generaloberinnen, Ordensfrauen nicht mehr als Dienerinnen, als Servant, einzusetzen.“
Die Buchhandlung Herder in Wien 1 war bis auf den letzten Platz besetzt. (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
Präsidentin Mayrhofers Fazit: Ordensfrauen versuchen heute das klassische Bild der Vergangenheit aufzubrechen. „Wir waren Kindergartentante, wir waren diejenigen, die in der Schule kochten und putzten; wir hielten die Sakristei in Ordnung. So lange wir Frauen diese Rolle mitspielen, sind wir auf gewisse Art und Weise auch selber schuld. Wir müssen diesen klerikalen Mittelbau überwinden. Wir müssen sagen, liebe Herren, eure Vorstellung von Ordensfrauen stammt noch aus alten Seminarzeiten. Aber diese Ordensfrauen gibt es schon längst nicht mehr. Wir engagieren uns dort, wo die Not groß ist. Wir sind bei den Frauen, die wirklich in Not sind. Und die Sakristei, die müsst ihr selber aufräumen.“
Theresia Heimerl: Andere Wesen. Frauen in der Kirche. Styria 2015
[rs]