"Frau-Sein neben den gängigen Klischees" - Sr. Cordis Feuerstein am Weltfrauentag
Sr. M. Cordis Feuerstein wurde 1953 als Älteste von vier Kindern in Bludenz geboren. Sie besuchte die Fachschule für wirtschaftliche Frauenberufe in Marienberg. Gleichzeitig wurde das Dominikanerinnenkloster in Bregenz so schon sehr früh zum Dreh- und Angelpunkt ihres weiteren Lebens. 1975 trat sie in die Union der Dominikanerinnen im Kloster Marienberg ein und wurde 1993 für zehn Jahre ins Heilige Land berufen. Im Österreichischen Hospiz in Jersalem war sie zehn Jahre als Rektorstellvertreterin tätig. Danach folgte unter anderem eine Ausbildung zur Business Managerin. Heute lebt und arbeitet sie in Wien als Generalsekretärin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs.
Bitte vervollständigen sie folgenden Satz: Frausein bedeutet für mich …
Frei sein und verbunden. Mein Leben in Verbundenheit mit anderen gestalten dürfen nach meinen Vorstellungen. Eine Aufgabe haben, die mich erfüllt und wo ich als Frau meine Fähigkeiten in ein Ganzes einbringen kann. Hingabe und immer wieder auch Widerstand, wo es die Aufrichtigkeit, das Aufgerichtet-Sein verlangt.
Was bedeutet Gleichberechtigung für Sie? Wie leben Sie diese?
Ich sehe mich selber mit allen Menschen auf Augenhöhe. Ob ich dem Kardinal gegenüber stehe oder einem Hilfesuchenden. Sich selber auf Augenhöhe sehen ist die Voraussetzung für Gleichberechtigung. Aber: Gleichberechtigung ist nicht immer lieb und nett. Manchmal muss man schon die Dinge ungeschminkt beim Namen nennen und gleiche Würde, Rechte einfordern.
Wie sieht Ihr Frauenbild aus?
Einheitlichkeit und alle Tendenzen, die solche äußeren Zwänge zur Vereinheitlichung fördern oder gar fordern, sind nichts für mich als Frau. Ich denke, dass Frauen eine große Vielfalt an Lebensentwürfen verwirklichen sollen. „Das Frauenbild“ gibt es nicht und soll es auch nicht geben. Konsequente Gleichberechtigung und Wertschätzung soll 2017 ganz normal sein. Das sage ich auch in Richtung meiner eigenen Kirche.
Sind Sie Feministin?
Ich fühle mich vordergründig nicht als Feministin. Da gibt es so viele Zugänge, was man darunter verstehen kann. Was mich allerdings als Feministin ausmachen könnte ist, dass ich nicht im Mainstream mitschwimme. Ein selbstbewusstes Leben ist mir ein Herzensanliegen, ein Frau-Sein neben den gängigen Klischees. Und als Ordensfrau ist man das ohnehin gleich einmal. Und das bin ich gerne.
Was muss sich für Frauen unbedingt noch ändern?
Wenn eine Frau bei gleicher Qualifikation die gleiche Arbeit wie ein Mann macht, dann muss es dafür auch die gleiche Entlohnung geben. Da darf nirgends ein Unterschied sein. Nach gleicher Ausbildung und den entsprechenden Fähigkeiten muss es gleiche Aufstiegsmöglichkeiten geben. Schauen Sie einmal in Reinigungsfirmen hinein. Männer schaffen an und die Frauen putzen. Dass Frauen Kinder bekommen können, darf hier keine Rolle spielen. Erwerbsarbeit und Familienarbeit müssen zusammen gesehen werden und auch besser zusammengehen. Das darf nicht alleine auf die Geldfrage reduziert werden. Es darf nicht sein, dass Frauen fast automatisch in die Doppelbelastung geschickt werden. Da sind auf der einen Seite Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger gefragt, gute Rahmenbedingungen für Familienleben zu schaffen, und auf der anderen Seite die Männer, sich partnerschaftlich am Familienwerk zu beteiligen wie der Kinderbetreuung. Der Vater ist kein Babysitter, sondern wirklich als Vater gefordert. Und wenn eine Frau gerne kocht (was ich selber auch gerne mache), dann ist sie keine Stubenhockerin, sondern die Familie ist genauso ein Ort der Kreativität und der Selbstentfaltung wie eine Firma. Vielfalt und Wertschätzung finde ich wichtig und weniger Leben nach Klischees oder des Werbemainstreams.
Wie machen Sie sich stark?
Ich mache mich nicht stark, ich bin es, ich fühle mich stark. Meine Kraft kommt aus der Ursprungsfamilie, dem gewachsenen Urvertrauen dort. Meine Eltern hatten eine Tischlerei und mir wurde alles genauso wie den Buben zugetraut und zugemutet. Da wurde ich ganz gleichwertig als Mädchen genommen. Und ich war viel in der Tischlerei, durfte alles ausprobieren, bin schon sehr früh mit dem Auto gefahren. Das trage ich stärkend für mein Leben mit. Das macht mich dankbar.
Was würden Sie sich von der Politik in den kommenden Jahren wünschen?
Mehr Sinn und Wahrnehmung der konkreten Wirklichkeit. Die Realität geht am Boden daher und ist nicht eine Frage der Flughöhe. Diesen Respekt wünsche ich mir mehr. Dann: Mehr Tun und weniger Reden bis hin zum Dauerredeschwall, der täglich über uns drübergeschüttet wird. Weiters: Weniger Bewertung über das Äußere. Die „gstandenen Lüt“ (ich bin Vorarlbergerin) sollen mehr nach vorne gerückt werden und weniger die Schicki Micki Szene. Weniger Hülle und Verpackung, sondern mehr Wesentliches, Inhalt und Nährendes.
Vielen Dank, Sr. M. Cordis Feuerstein!
[fk]