Der Dienst der Orden: ein erneuertes Menschsein vorleben und „Andersorte“ sein
Zur Kontemplation hinführen
„Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17). Kontemplation und Freiheit lautete das Thema des ersten Vortrags von Prof. Schaupp. Nach den Aufbrüchen dem Optimismus in den 1970er Jahren fehle heute in der Kirche der nachkonziliare Elan. Gemeinden und die Zahl der Gläubigen schrumpfen trotz aller Versuche einer zeitgemäßen Pastoral. Auch in der Gesellschaft zeige sich eine gewisse Erschöpfung, konstatierte Prof Schaupp. Der Kampf für Gerechtigkeit erlahmt, Kriege und Totalitarismen kehren zurück. Für Prof. Schaupp ist die Antwort kein vermehrter Aktionismus im Versuch, das Ruder herumzureißen und die Menschen anzusprechen für mehr Engagement in Kirche und Gesellschaft. „Eine neue Form der Diakonie ist nötig von Seiten der Kirche, nämlich der Dienst, die Menschen zu einer „tiefen Aufmerksamkeit“ zu führen, zu einem Raum der inneren Freiheit.“ Die Ordensgemeinschaften seien hierbei besonders gefragt. Ordensleute könnten die Menschen neu zur Dimension der Kontemplation hinführen. Im Sinn Karl Rahners würde so durch OrdenschristInnen ein erneuertes Menschsein vorgelebt, ein Heilwerden durch das Zurückfinden zu sich selbst und zu Gott. "Das war ja auch die Gründungsintention des Ordenslebens." Die Reinheit des Herzens finden (Cassian), im Haus Gottes wohnen (Benedikt) und das Leben Jesu nachahmen (Franziskus).
Ein radikales Involviertsein
„Damit das erreicht wird, braucht es aber als Konsequenz für das Ordensleben heute ein radikales Involviertsein, bei dem der Mensch und sein Prozess des Heil- und Freiwerdens im Mittelpunkt steht.“ Das alles sei nicht technisch machbar oder herstellbar, sondern letztlich ein Geschenk der Gnade Gottes, für den Freiraum offen gehalten wird. Es braucht im Sinn Michel Foucaulds und seinem Anknüpfen an der Antike eine neue „Sorge um sich selbst“. Nicht durch Disziplinierung, sondern durch diese Sorge um das Selbst des Menschen und den Freiraum für seine Entfaltung wird das Ordensleben hervorgebracht und wird seine Sendung in der Welt heute fruchtbar. Es geht um das Gelingen des Lebens unter dem Vorzeichen des Evangeliums. Gott kommt entgegen und wirkt sein Heil. Das will wahrgenommen werden. Deshalb hat die Erneuerung ihre Wurzeln in der Kontemplation.
Das „Andere“ leben und erfahrbar machen
Im zweiten Vortrag sprach Prof. Schaupp zum Thema „Ihr seid das Salz der Erde“ – Leben in produktiver Differenz. Es ging um eine Auseinandersetzung mit der postmodernen Gesellschaft, in der die Anerkennung von Differenz bzw. Verschiedenheit ein Konstitutivum darstellt. Die Wirklichkeit ist mehrdimensional, sie ist immer relativ und unabgeschlossen und es ereignet sich eine andauernde Suche nach Neuem. Postmoderne Menschen sind ständig in Suchprozessen, am experimentieren, und sie binden sich nicht fix. Wenn Jesu Zusage „Ihr seid das Salz der Erde“ stimmt, dann heißt es in ständiger Differenz zur Welt zu leben. Gerade dem Ordensleben ist das eigen. Es geht darum, den „Überschuss“ des Reiches Gottes den gesellschaftlichen Verhältnissen gegenüber sichtbar zu machen und die Menschen herauszuholen aus ihren Verhältnissen hin zu mehr Gerechtigkeit, Friede, Liebe, etc. Es gibt 1000e Möglichkeiten, diese Differenz zu leben, und wenn es versucht wird, entsteht eine „produktive Differenz“. Nicht ein konservatives Christentum sei gefragt. „Es gilt, die vom christlichen Glauben her kommende Andersheit zu leben, und zwar als Antwort auf die Fragen der Menschen, voll Respekt und Ehrfurcht für ihr Leben und ihr Suchen.“ Klöster könnten Orte sein, in der dieses „Andere“ des Christentums gelebt wird und erfahrbar wird.
Im Anschluss an diese Grundthese deutete Prof. Schaupp für einige Bereiche an, wie das umgesetzt werden könnte.
"Andersorte" konkret
Ein erster Bereich ist die Dominanz des naturalistischen wissenschaftlichen Weltbildes. Hier wäre es nötig, die Transzendenz offen zu halten, dem „Wissen“ das „Geheimnis“ entgegenzusetzen und Gott als den „Ganz Anderen“ zu betonen, dem sich der Mensch nur im Modus der Suche annähern kann. Nicht dogmatische Lehrsätze, sondern Glaubensgeschichten voller Zweifel und tastender Fragen eröffnen heutigen Menschen einen Zugang zur Transzendenz.
Ein weiterer Bereich ist der des innerweltlichen Perfektionismus, der angestrebt wird. Dem könnten Orden ein alternatives Bild von „Vollkommenheit“ entgegenstellen, als Antwortversuch auf die Frage: „Wohin lohnt es sich, sich als Mensch zu entwickeln“?
Ein weiterer Bereich wäre der des Alterns. Ordensgemeinschaften mit ihren vielen Mitgliedern in fortgeschrittenem Alter müssten vorleben, dass das Ideal für das Leben im Alter nicht Jugend, Vitalität und Schönheit sind, sondern eine „ausgereifte Tugend“ (Michael Rosenberger) und ein Verleiblichen wesentlicher Grundhaltungen z.B. über das Lächeln. Zuwendung zu den Alten in der Gemeinschaft und ein wertschätzendes Würdigen der jeweiligen Lebensgeschichte wären darüber hinaus wesentlich.
Schließlich kam Prof. Schaupp noch auf den Bereich von „Andersorten“ zu sprechen, die gerade Klöster sein könnten: Ein Stück umgestaltete Welt, in der Armut als „positive Einfachheit“ erfahrbar ist und wo es ein Spiel von Abgrenzung und Kommunikation gibt, wodurch sowohl Geborgenheit als auch Begegnung ermöglicht werden.
Fotos und Textquelle: P. Franz Helm
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