Christlich geht anders
„Derzeit findet eine Demokratie-Entleerung statt, die auf die Aktivierung von Hass, Neid, Angst und Gier basiert.“ Regina Polak, Professorin am Institut für praktische Theologie an der Universität Wien, findet klare Worte. Für die Theologin entfernt sich die österreichische Sozialpolitik immer mehr von der christlichen Wertebasis und lässt sich von rechtpopulistisch geschürten Ängste gefangennehmen, die ihre Sündenböcke, allen voran Flüchtlinge, öffentlichkeitswirksam vor sich hertreiben. „Doch diese Fixierung ist ein Ausweich- und Ablenkungsmanöver, um über die wirklich relevanten sozialen, politischen und ökonomischen Themen nicht sprechen zu müssen: Klimawandel, Globale Exklusion durch wirtschaftliche Prozesse und Strukturen, die menschlichen ‚Überschuss‘ produzieren, Verteilung von materiellen und immateriellen Gütern“, so die Theologin.
Breites Kirchenbündnis gegen Armut
Mit den immer tiefer werdenden Einschnitten bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung sei von der Politik endgültig eine rote Linie überschritten worden. Widerstand ist angesagt – in Form eines breiten Kirchenbündnisses, in dem unter anderem die Ordensgemeinschaften Österreich, die Katholische Sozialakademie, die Katholische Frauen- und Männerbewegung sowie der Akademikerverband vertreten sind. Dazu kommen Theologinnen und Theologen sowie Vertreterinnen und Vertreter der evangelischen Kirchen. Sie alle halten der immer spürbarer werdenden sozialen Kälte die Aussagen des Ökumenischen Sozialworts der Kirchen entgegen und wollen mit dieser „Kampagne mithelfen, das Ziel der sozialen Gerechtigkeit wieder ins Zentrum der gesellschaftspolitischen Debatten zu rücken: ein gutes Leben für alle Menschen und sozialen Frieden“, so heißt es im Grundsatztext. „Warum erwägen wir überhaupt eine Schmälerung der Ausgaben für die Ärmsten und sprechen nicht oder kaum mehr von einem höheren, gerechten Beitrag der Aller-Reichsten zur Solidargemeinschaft?“, fragt KFÖ-Vorsitzende Veronika Pernsteiner. „Soziale Politik, wie Christinnen und Christen sie verstehen, hinterfragt Steuersysteme und Arbeitsbegriffe, wagt sich auf neues Terrain und erkennt allen den gleichen Wert zu.“ Die Definition, was soziale Gerechtigkeit praktisch und politisch be- „Wer Arme bekämpft, bekämpft das Christentum“ – das breite kirchliche Bündnis „Christlich geht anders!“ macht sich für die Schwächsten der Gesellschaft stark. Mit dabei, um „solidarische Antworten auf die soziale Frage“ zu geben, sind auch die Ordensgemeinschaften Österreich. deutet, stellt die Gesellschaft immer wieder vor neue Herausforderungen; jedoch was sozial ungerecht ist, kann aus christlicher Sicht klar gesagt werden: Die Verschärfung der Not der Schwächsten ist eindeutig sozial nicht gerecht. Mehr noch: Die Kürzung der Mindestsicherung missachtet Menschenrechte und verletzt Menschenwürde. Doch heute gehe es nur mehr um Zahlen und Wahlerfolge, bringt es Magdalena Holztrattner, Direktorin der Katholischen Sozialakademie Österreichs, auf den Punkt. Die Frage, was der Mensch eigentlich braucht, zählt nicht mehr. Aber die Qualität einer Gesellschaft bemisst sich daran, wie sie mit ihren Schwächsten umgeht. So wie die Glaubwürdigkeit von Christen daran gemessen wird, wie sie mit den Armgemachten und Fremden umgehen. „Die Frage der Gerechtigkeit ist heute eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit“, argumentiert die ksoe-Direktorin. „Wir sagen Nein zu einer Politik, in der hauptsächlich Konkurrenz, Leistung und Abwertung bestimmter Bevölkerungsgruppen die Leitmotive sind.“
Ein breites Kirchenbündnis gegen Armut und für soziale Gerechtigkeit. Von rechts: KFÖ-Vorsitzende Veronika Pernsteiner, Prof. Regina Polak, Abtpräses Christian Haidinger, ksoe-Direktorin Magdalena Holztrattner, Magdalena Eichinger, ehemalige Provinzoberin der Steyler Missionsschwestern. Foto: [rs]
Orte des sozialen Engagements
„Mich macht es betroffen, wenn Politikerinnen und Politiker über Menschen wie über Zahlen sprechen“, kritisiert Abtpräses Christian Haidinger, Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs, die derzeitige Situation. Seit jeher waren Ordensgemeinschaften Orte des sozialen Engagements und betreiben in dieser Tradition bis heute Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bzw. kümmern sich um Obdachlose und Flüchtlinge. Experten schätzen, dass ohne Sozialstaat über 40 Prozent der Menschen in Österreich armutsgefährdet wären – was wiederum bedeute, dass Ordensgemeinschaften nur Ergänzung, kein Ersatz für den Sozialstaat sein können. Dennoch: „Als Ordensgemeinschaften möchten wir in dieser Zeit der wachsenden sozialen Ungleichheit, Ungerechtigkeit und Unsicherheit unsere Stimme erheben", zeigt sich Haidinger kämpferisch. „Wir werden alles daransetzen, in unserem sozialen Engagement nicht nachzulassen und noch besser zu werden. Wir müssen und wollen als Ordensgemeinschaften aber gerade auch Anwalt sein für sozial gerechte Strukturen und uns für solidarische Antworten auf die brennenden sozialen Fragen der Zeit einsetzen.“
Grundsatzstatement „Christlich geht anders. Solidarische Antworten auf die soziale Frage“
m Die Einheit von Gottes- und Nächstenliebe steht im Zentrum des christlichen Glaubens. Sie wird gelebt durch den Einsatz für Mitmenschen und für Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Wer sich auf den christlichen Gott beruft und dabei auf den Nächsten vergisst, verkehrt die christliche Botschaft in ihr Gegenteil.
m Christlicher Glaube macht Mut und Hoffnung. Wer Ängste schürt und Menschen gegeneinander ausspielt, zerstört den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
m ChristInnen sind solidarisch mit den Schwachen. Die Liebe zu Gott ist untrennbar mit der Sorge um die Armen verbunden. Wie wir den Geringsten einer Gesellschaft begegnen, so begegnen wir Gott selbst (Mt 25,40). Wer Arme bekämpft, bekämpft das Christentum.
m Kirchen fordern einen aktiven Sozialstaat. Ein Sozialstaat ist organisierte Solidarität. Gegenseitig schützen wir uns so vor den Grundrisiken des Lebens: Erwerbslosigkeit, Prekarisierung, Armut und Not. Angriffe auf den Sozialstaat sind immer auch Angriffe auf uns alle, verstärkt aber auf jene, die einen starken Sozialstaat besonders brauchen.
m Ein gerechtes und soziales Steuersystem ist im Sinne der Kirchen. Wir lehnen daher eine Steuerpolitik ab, die viele übermäßig belastet, Vermögen und hohe Einkommen aber schont.
m Als ChristInnen fordern wir ein gutes Leben für alle in Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Dafür bilden wir ein wachsendes Bündnis von engagierten ChristInnen gemeinsam mit anderen, gerade auch mit zivilgesellschaftlichen Organisationen.
Hier können Sie die Initiative Christlich geht anders unterschreiben!
Weitere Informationen und Berichte zum Themenfokus der Orden #GerechtigkeitGeht:
Pressegespräch am 8. Mai 2017 im Quo Vadis in Wien
Zusammenfassung des Pressegesprächs auf Video
Kathpress-Bericht vom Pressegespräch am 8. Mai
Das Shalom-Kloster Pupping (Interview mit Br. Fritz Wenigwieser im ON)
Film über das Kloster Pupping: Regiert Geld die Welt?
300 gegen 200.000
Damit das Leben gelingt
[rs]