Film Agnus Dei: Hinschauen, was Frauen heute weltweit angetan wird
"Der Film zeigt nur einen kleinen Ausschnitt einer grausamen Geschichte, die damals im Krieg und am Ende 1945 passiert ist. Der Film zeigt eine Realität, die erst jetzt historisch aufgearbeitet wird. So ist der Film furchtbar und gut zugleich, weil er die Wirklichkeit erzählt." Mayrhofer spannt den Bogen über das dargestellte Frauenkloster hinaus: "Vielen Frauen geht es während und am Ende des Krieges so wie den polnischen Ordensfrauen im Film, weil Vergewaltigung bis heute als Kriegsmittel eingesetzt wurde und wird. Deshalb gilt es ungeschminkt Hinzuschauen, was Frauen auch heute noch weltweit angetan wird." Mayrhofer bringt deshalb die Aktivitäten österreichischer Ordensfrauen für Zwangsprostituierte und von Gewalt betroffenen Frauen im Rahmen von Solwodi in das Gespräch nach dem Film ein: "Es sind unsere Schwestern, die von Gewalt und Missbrauch getroffen sind."
Sr. Beatrix Mayrhofer im Gespräch mit Otto Friedrich von der Furche, die zu diesem Filmabend eingeladen hat.
Film spielt im vorkonziliaren Klosterbild von 1945
Was ist der richtige Weg? Mayrhofer zu den handelnden Rollen im Film: "Sie möchten das Richtige machen und landen in verheerenden Verstrickungen. Die Gelübde wurden damals ganz anders verstanden. Der Gehorsam war ein blinder Gehorsam und Keuschheit war als tiefe Leibfeindlichkeit verstanden und gefordert. Da sind wir heute nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil weiter. Gehorsam wird als die ehrliche und gemeinsame Frage danach verstanden, was Gott von uns will. Es ist das gemeinsame Suchen nach dem Willen Gottes. Und heute ist die Frage, wem ich gehorche, ganz klar mit dem Gewissen verbunden und nicht einfach einer äußeren Vorschrift." Mayrhofer nimmt im Gespräch auch Bezug auf die Keuschheit als eines der Gelübde, "die wir heute als gottgeweihte Ehelosigkeit sehen". Mayrhofer zum Film: "Die damalige Leibfeindlichkeit wurde durch das damalige Verständnis der Gelübde nochmals überhöht und hat so zu den schwierigen Situationen und Verstrickungen geführt." Mayrhofer zum heutigen Verständnis: "Durch das Gelübde der gottgeweihten Ehelosigkeit in den Gemeinschaften kann sich die Einzelne an Gott binden und so geistliche Früchte bringen. Aber es ist immer eine Frage und fast täglich eine neue Herausforderung: Was heißt es in der heutigen Zeit als Ordenschrist oder Ordenschristin zu leben. Da sind wir am Suchen und bleiben auch am Suchen." Und Mayrhofer macht am Ende des Filmgespräches noch einmal einen weiten Bogen, wenn sie den heutigen weltweiten Blick einnimmt: "Dieser Film kann ein therapeutischer Film sein, auch wenn er spät - vielleicht auch zu spät - kommt. Es braucht eine Solidarität von Frauen weltweit, weil Vergewaltigung auch heute eine oft nicht gesehene Realität ist. Deshalb heißt es immer wieder zu fragen: Wer übt Macht aus? Wer leidet unter dieser Macht?" Mayrhofer ist froh um den Film, sowohl was die gesellschaftlichen als auch die kirchlichen Botschaften darin betrifft. Das dargestellte Gebetsleben ist nicht im Fokus der Darstellung, "wohl aber das tiefe Ringen im damaligen Glaubensleben".
Ein Interview von Otto Friedrich mit der Regisseurin Anne Fontaine ist in der Printausgabe der FURCHE vom 14. Juni 2017.
[fk]