Habe viel von euch gelernt
Was sind die Assoziationen zu „Fremdes bereichert“?
Pernsteiner: Als kfb-Vorsitzende fällt mir ein, dass wir schon vor vier Jahren den Schwerpunkt „einander begegnen“ gehabt haben. Das „neue Wir“ haben wir damals in den Fokus genommen. Wir sehen uns nicht in Abgrenzung, sondern in einem neuen Miteinander. Wir mischen uns ein und wollen die Welt „fairändern“. Und dabei schauen wir bewusst auf das Ganze – auch international. Als ich im Jänner 2015 auf der Kaffeepflanzung in Nicaragua bei Isabell gestanden bin, war sie mir näher als andere in meiner unmittelbaren Heimat, gegenüber denen ich mich immer wieder rechtfertigen muss, weil ich mich für Flüchtlinge engagiere und sie begleite. Es fasziniert und interessiert mich immer, wenn ich erfahre, wie andere Menschen leben, denken, ihr Leben gestalten, was ihnen dabei wichtig ist, welche Lebensoptionen sie haben und woraus sie leben. So erlebe ich „Fremdes und Fremde“ wirklich als tiefe Bereicherung und als Inspirationsquelle. Oft geht mir durch den Kopf, warum sich Menschen so verarmen lassen, weil sie das ihnen Fremde einfach wegweisen, sich verschließen, es zum Teil bekämpfen oder sogar hassen. Wer sich dem Fremden verschließt, verarmt, verkümmert auf lange Sicht. Ich erlebe solche Begegnungen immer als tiefe Bereicherung.
Wo begegnet dir das Fremde konkret?
In meiner eigenen Gemeinde, wo wir seit 2015 Flüchtlingsunterkünfte haben, gehe ich regelmäßig wie auch meine Schwester hin, besuche die Familien und Frauen, die mir erzählen, was sie gerade bewegt, was sie brauchen. Ich höre von Schicksalen, die mich tief erfassen so wie jene Mutter, die mit drei kleinen Kindern alleine geflüchtet ist, weil sie daheim ihren Mann erschossen haben. Auch bei internationalen Begegnungen im Rahmen des europäischen Zusammenschlusses aller katholischen Frauenbewegungen „Andante“, wo zum Beispiel jetzt im Mai 2017 in Albanien das Thema „Zwangsprostitution“ auf der Tagesordnung war. Gerade hier erlebe ich die tiefen unterschiedlichen Zugänge zu Themen – gerade im konkreten Glaubensleben. Da ist mir bei Gleichgesinnten in anderen Ländern in der Frauenarbeit manches fremd. Ein Beispiel: Bei uns ist die Haltung der Selbst- bestimmung und ein Selbstbewusstsein auf Augenhöhe selbstverständlich. In anderen Ländern herrscht noch ein Stück Unterwürfigkeit. Mancherorts ist die Abhängigkeit vom Klerus offen da, wenn sie immer die Erlaubnis brauchen, etwas zu tun.
Veronika Pernsteiner (links im Bild) zu Besuch bei syrischen Flüchtlingsfrauen in Feldkirchen/Donau. Begegnungen, die die kfb-Vorsitzende Österreichs immer wieder als tiefe Bereicherung erlebt.
Foto: Pernsteiner
Wie schaut Frauensolidarität aus?
Ich komme vor allem mit den Leitungsfrauen der kfb zusammen. Dort erlebe ich zum Beispiel eine geschlossene Frauensolidarität zum Thema Flüchtlinge oder Asyl. Ganz viele Frauen engagieren sich in der Flüchtlingsbegleitung. Es ist allerdings besorgniserregend, dass man sich heute für so ein Engagement verteidigen muss. Aber wir erleben uns in unserem Engagement wirklich geeint. Das ist auch beim aktuellen Jahresschwerpunkt „Weil's gerecht ist, mischen wir uns ein“ so. Wir sind da Anwältinnen gerechterer Strukturen, weil Ungerechtigkeiten immer zuerst die Frauen treffen. Das betrifft nicht nur die Gehaltsschere, sondern beginnt schon bei der verbalen Aufrüstung, gegen die wir uns beim Treffen der deutschsprachigen Frauenverbände ganz gezielt geäußert haben. Wir wollen hier unsere Stimme hinein in die Gesellschaft erheben und „Frauen.Leben. Stärken“. Gerade bei diesen gesellschaftlichen Fragen der Gerechtigkeit, der Solidarität und eines Ausgleichs auf Augenhöhe mit der internationalen Dimension machen wir uns stark. Und wir bringen als katholische Frauen einen wesentlichen Beitrag zustande, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche.
Was wollen Frauen einbringen?
Ich habe noch nirgends so kraftspendende und tiefe Frauenliturgien erlebt wie bei der kfb. Wir haben so talentierte, begabte und berufene Frauen, dass die Kirche gut daran täte, auch in ihren Ämtern nicht darauf zu verzichten. Diese Sichtweise verbindet mich mit der Präsidentin der österreichischen Frauenorden Sr. Beatrix Mayrhofer. Gerade die Sprache, die Wirklichkeiten schafft, ist ein gutes gemeinsames Instrument. Wir achten darauf, dass wir sprachlich sensibel sind und uns gerade auch in der Kirche diesen „sprachsensiblen Duktus“ wünschen. Dass Gott Vater und Mutter, dass Maria unsere Schwester und nicht eine unerreichbare Königin ist, ist unter uns immer wieder Thema und kommt in den Frauenliturgien so vor. Diese weibliche Sprach- und Bildersensibilität verbindet uns. Das trifft Texte genauso wie Liturgien oder die Sprache bei Treffen und Meetings. Das können und sollten wir gemeinsam vielleicht viel intensiver sowohl der Gesellschaft als auch der Kirche „zum Nachmachen“ empfehlen. Da sind Männer und Frauen, Gesellschaft und Kirche am Lernen. Die alten Bilder und Sprachmuster sind über hunderte Jahre tradiert und es ist sicher mühsam, das in Richtung „auf Augenhöhe“ aufzubrechen. Wir leben diese neuen Formen. „Ich habe viel von euch gelernt“, war das Abschiedswort eines geistlichen Assistenten. Diese Wertschätzung freut einen natürlich.
Was verbindet kfb-Frauen mit Ordensfrauen?
Es ist auf der einen Seite dieses „Geerdet- Sein“ in der Spiritualität in den christlichen Kirchen. Auf der anderen Seite verbindet uns das „Diakonische“, der ganz konkrete Zugang über die Tat, das Tun. Es wäre daher sicher ein notwendiger und wichtiger Schritt, dass das Diakonenamt für Frauen sehr bald geöffnet wird. Ich denke an die Verkündigung. Wir sind auch hier gemeinsam aktiv, jede in ihrem Bereich. Gerade hier soll es selbstverständlich sein, dass Frauen in der Predigt ganz normal ihre Stimme erheben und Zeugnis geben. In Südamerika ist die Kirche in diesen Zusammenhängen – wie Bischof Kräutler immer wieder schildert – schon viel weiter. Das braucht noch viel Ermutigung und neue und ungewohnte Blickwinkel, um nicht auf den alten Konfliktlinien dahinzureiten. Als Ermutigung kann ich immer wieder nur sagen: Die Menschen sind viel weiter als die Bewahrer in der Kirche glauben. Beide haben wir einen großen internationalen Blick, eine hohe Sensibilität für das Ganze und stehen doch ganz konkret „drinnen“. Ermutigend find ich, dass wir im freiwilligen Engagement Sinn finden und so die Quellen des Teilens erschließen. Da können wir noch viel mehr voneinander lernen, uns gegenseitig stützen.
[fk]