„Im Sommer ist der Straßengraben das Wohnzimmer vor dem Haus“
Armut ist nicht gleichbedeutend mit Unglücklich-Sein, Bildung gibt Hoffnung. (c) Magdalena Schauer-Burkart
Hilfe seit mehr als 30 Jahren
"Im Sommer ist der Straßengraben das Wohnzimmer vor dem Haus", so beschreibt P. Georg Sporschill die Lebenssituation der Roma in Rumänien. "Sie leben sehr nah an der Straße". Sporschills Name ist mittlerweile beinahe eine geflügeltes Wort für Roma-Hilfe. Der Jesuit unterstützt die Volksgruppe seit über 30 Jahren.
Sie stellen mit über 10 Millionen Menschen die größte ethnische Minderheit in der EU und leben seit vielen Generationen in Armut, Ausgrenzung und Verfolgung: Die Roma in Siebenbürgen/Rumänien. 1991 gründete P. Sporschill gemeinsam mit Ruth Zenkert den Verein Concordia um Straßenkindern in Rumänien zu helfen, das Projekt wurde 2004 nach Moldawien, 2008 nach Bulgarien und auf die Hilfe für alte Menschen ausgeweitet. Mit 65 Jahren verabschiedete sich der Jesuit aus dem Verein, gab seine operative Funktion ab und machte sich nochmals auf, um ein neues Projekt zu starten.
In den Tageszentren von "Elijah" bekommen die Kinder Unterstützung beim Lernen und eine warme Mahlzeit. (c) Magdalena Schauer-Burkart
2012 gründete Georg Sporschill, wieder mit Ruth Zenkert, das Soziale Werk „Elijah“ in Siebenbürgen. Der Name ist inspiriert vom Propheten Elijah, der sich durch seinen Mut und seinen Glauben auszeichnete. Nicht zuletzt deshalb, weil er einen König zur Rede stellt. Er muss daraufhin fliehen und wird von Raben gerettet. Deshalb sind die rettenden Raben auch das Markenzeichen der Organisation. Sie sollen Lebensretter in göttlichem Auftrag darstellen.
Im kleinen Dorf Hosman, rund 30 Kilometer entfernt von Sibiu, startete „Elijah“. Heute ist die Organisation auf vier weitere Dörfer ausgedeht: Nou, Tichindeal, Nocrich und Marpod. Dort engagieren sich SozialarbeiterInnen in den Bereichen Soziales, Lernen, Ausbildung und Arbeit und leben gemeinsam mit den Roma als Elijah-Gemeinschaft.
Bildung: gesucht
Das Besondere und Schwierige an ihrer Arbeit und ihrem Alltag ist, einer Gesellschaft, für die Bildung keinen Wert hat, das Streben danach und Zugänge dazu zu vermitteln. Die Dörfer, an deren Rändern diese Roma leben, sind heute verlassen. Früher, als die Sachsen noch vor Ort waren, blühten sie und die Gesellschaft funktionierte.
Heute sind die Häuser der Sachsen verlassen und die Roma-Siedlungen am Rande sind beinahe die einzigen Gebäude, die noch bewohnt sind. Fast 100% der Menschen leben von Sozialhilfe und ohne Perspektive. Für ein Kind erhält eine Familie €20 Kinderbeihilfe. Das, und der Stolz auf eine große Kinderschaar, durch die sich Frauen definieren, sind zusätzliche Faktoren, die Jugendliche in eine frühe Familiengründung anstatt eine Ausbildung drängen.
Es gibt zwar staatliche Schulen, doch die Stellen in diesen Dörfern sind keine Wunschposten für Lehrer. Dementsprechend gestaltet sich auch die Qualität des Unterrichts und des pädagogischen Zugangs. Das macht es im Umkehrschluss noch schwerer, SchülerInnen dazu zu bringen, dem Unterricht zu folgen. Wenn der Unterricht dann auch noch langweilig und die Methoden der Wissensvermittlung schlecht sind, sinkt die Motivation weiter.
Mit Musik zum Lernerfolg
Musik, Tanz und Rhythmus liegt den Roma im Blut, Melodien bestimmen das Leben der Roma. (c) Magdalena Schauer-Burkart
Deshalb haben sich Sporschill und Zenkert andere Wege ausgedacht, um Kinder und Jugendliche auf den Geschmack der Wissensaneignung zu bringen. So betonen beide die unglaubliche Musikalität und Kreativität der Roma, und nützen diese als Eingangstor in die Welt der Bildung. Sie gründeten Musikschulen und Musikgruppen die mit großer Begeisterung besucht werden.
So lernen die Kinder Disziplin und bekommen Lust auf mehr. Denn, um schwerere Stücke zu erlernen, muss man Noten und Texte lesen können. Dasselbe Prinzip wird in der Haushaltsschule und der Tischlerei angewendet. Hier lernen die jungen MitarbeiterInnen zuerst eine Sorte Brot zu backen oder einfache Werkstücke zu zimmern. Wer allerdings neue Rezepte ausprobieren möchte, muss sie lesen können, wer komplexere Möbelstücke erstellen will, sollte rechnen und Pläne lesen können. Dieser Zugang wirkt und trotz vieler Rückschläge, die dazugehören und menschlich sind, konnten Zenkert und Sporschill in den letzten sieben Jahren viel verändern.
P. Georg Sporschill SJ im Einsatz für ein gutes Leben aller. (c) Verein Elijah
Der Bürgermeister von Nou, David Johann, bezeichnet Elijah als Geschenk Gottes: „Wir alle hier spüren, dass Elijah nicht nur die Kinder und ihre Ziele, sondern die der ganzen Familien verändert. Die Menschen wollen in eine gute Zukunft gehen, weil sie sehen, dass es möglich ist. Vor sieben Jahren waren wir hier alle arm, es gab keine Arbeitsplätze, nur Sozialhilfe und niemand ging arbeiten. Elijah hat mit seinen Sozialprojekten viele Arbeitsplätze geschaffen und wir sind dankbar für diese neuen Möglichkeiten. Unser Dorf ist sichtbar sauberer geworden, weil wir Müllräumung- und trennung gelernt habe.
Dass Müll krank macht und nicht auf die Straße gehört, ist dank "Elijah" mittlerweile im Bewusstsein der Menschen verankert. (c) Magdalena Schauer-Burkart
P. Sporschill hat selbst mitgeholfen den Müll von den Straßen zu räumen, er war sich nicht zu schade. Das hat Eindruck gemacht und die Menschen inspiriert. Besonders auch die neuen Tageszentren helfen Kindern und Eltern: Die Kinder erhalten Unterstützung bei den Hausaufgaben und werden sinnvoll beschäftigt und die Mütter können einer Arbeit nachgehen, weil ihre Kinder betreut werden. Das hat Vorbildwirkung und Töchter sehen andere Zukunftsperspektiven als jene möglichst früh schwanger zu werden.“
Das Verhältnis von Rumänen und Roma lag früher bei 50:50. Heute sind die Rumänen weggezogen, sie stellen rund 10% der Gemeindemitglieder, die restlichen 90% sind Roma. Da die meisten Eltern Analphabeten waren, haben sie ihre Kinder nicht motiviert die Schulen zu besuchen und Absenzen waren ein großes Problem. Im Vergleich zur Zeit vor Elijah spricht der Bürgermeister von einer siebzig prozentigen Besserung dieses Problems.
Die Erfolge von Elijah kann er auch anders beziffern, vor 3 Jahren bezogen noch 240 Personen in seinem Dorf Sozialhilfe, heute sind es nur mehr 15.
"Ich hatte ein langes Leben, aber es war bei Gott nicht immer ein gutes. Ich lebe schon immer hier im Ziegental - wo soll ich auch sonst hin", Aurelia (85) lebt in der "Elijah" erbauten Roma-Siedlung Nocrich. Vor einigen Jahren brach hier Hepatits aus, der Bürgermeister bat P. Sporschill um Hilfe, "Elijah" packte an. (c) Magdalena Schauer-Burkart
Grundformel ist Beteiligung
Das Geheimnis und die Grundformel an der sich Ruth Zenkert und P. Georg orientieren ist die Beteiligung. Sie schenken nichts einfach her, sondern motivieren die Menschen selbst etwas zu schaffen und dann Lust auf mehr zu bekommen. Wenn eine Familie mit einem neuen Heim unterstützt wird, weil ihre Hütte zerfällt, müssen zumindest Vater oder Sohn- soweit es ihre Fähigkeiten erlauben- mithelfen beim Bau. So geschieht Identifikation.
„Du bist im Anfang“ ist für Elijah die Botschaft der Sozialarbeit. Im Anfang erschuf Gott Himmel und Erde, das bedeutet, dass der Anfang etwas Bleibendes ist. Die Schöpfungskraft fließt weiter. „Wir sind nie am Ende, sondern immer „im Anfang“, wir haben immer neue Möglichkeiten“ ist das Credo der Elijah-Gründer.
Sie möchten den Verein "Elijah" unterstützen?
Alle Infos gibt es hier: "Elijah"
[Magdalena Schauer-Burkart]