Orden: Pessimismus in Gesellschaft überwinden, positiv wirksam werden
Ein Weg zu wirksamem Handeln: Der frühere Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober ermutigte die Ordensleute, an eine positive Zukunft zu glauben. (c) ÖOK
Zu einem zuversichtlichen Blick in die Zukunft hat der frühere Gesundheits- und Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) die Ordensleute in Österreich ermutigt. "Die gute Zukunft müssen wir uns vorstellen, damit wir an sie glauben können, und nur dann können wir wirksam werden", so Anschober, der beim "Ordenstag" am Dienstag in Wien-Lainz einen der Hauptvorträge hielt. Sein Thema: "Polykrisen zu Polychancen machen". Wirksam werden könne man nur, wenn man die gewünschten positiven Veränderungen stets im Fokus behalte und fest an sie glaube, so die Grundbotschaft Anschobers.
Wie Orden wirksam und gegenwärtig wirken
Der "Ordenstag", der Teil der mehrtägigen Ordenstagungen (27. bis 30. November) im Wiener Kardinal König Haus ist, stand unter dem Generalthema "wirksam & gegenwärtig". Eröffnet wurde der Ordenstag vom Vorsitz-Duo der Österreichischen Ordenskonferenz, Erzabt Korbinian Birnbacher und Priorin Sr. Franziska Madl, sowie der neuen Vorsitzenden der Konferenz der Säkularinstitute in Österreich, Maria Lukas.
Es brauche eine "neue Solidarität, ein neues Vertrauen und eine neue Zuversicht, die kein verdrängender Optimismus ist, sondern auf realen, bereits umgesetzten Lösungsmodellen aufsetzt, von der Energiewende bis zum Rückbau und der Begrünung unserer Städte", sagte Anschober. Der Ex-Minister bezog sich in seinem Vortrag mehrheitlich auf Umwelt- und Klimafragen, sein grundsätzlicher Ansatz lasse sich aber auch auf viele andere Bereiche umlegen.
Vertrauensverlust in Institutionen
Krisen gebe es genug, so der frühere Politiker, der einen Bogen von der Pandemie über Kriege, die Energie- und Teuerungskrise bis zur sozialen Krise und der Klimakrise spannte. Es sei zuallererst notwendig, die Ursachen für diese miteinander verknüpften Krisen zu verstehen, so Anschober: "Der Kern liegt in unserem Umgang mit Natur, Tier und Mensch, dem Zwang zum Wachstum, der Abhängigkeit von fossiler Energie, der langsamen Reaktion der Politik auf Krisen." Gleichzeitig habe man in der Pandemie erkannt, dass Solidarität der Schlüssel zur Verringerung von Krisen sei.
Anschober konstatierte einen enormen Vertrauensverlust der Bevölkerung in Institutionen, gepaart mit der zunehmenden Abschottung vor Kommunikation und gesicherter Information. Die Grundstimmung in der Bevölkerung sei im Blick auf die Zukunft zunehmend pessimistisch und ängstlich. Um die Menschen wieder zu erreichen, Vertrauen aufzubauen und Pessimismus und Resignation zu überwinden, brauche es etwa eine "radikale Ehrlichkeit", so Anschober. Menschen müssten verstärkt zum Dialog und zum Mitmachen eingeladen werden, Konflikte, wie jener, der sich hinsichtlich der Pandemie-Maßnahmen entzündete, dürften nicht unter den Teppich gekehrt, sondern müssten aufgearbeitet werden. Anschober mahnte zudem einen ordentlichen Demokratisierungsschub ein.
Lösungswege aufzeigen
Neben der Ergründung der Ursachen der Krisen brauche es vor allem auch das Aufzeigen von Lösungswegen. "Wir müssen den Menschen positive Zukunftsszenarien vermitteln", so der Ex-Politiker. Lösungswege müssten bekannt gemacht werden, "für ihre Umsetzung brauchen wir Allianzen über alle bisherigen Lager hinaus". Der Zeitdruck erschwere zwar das Handeln, so Anschober, doch es sei noch nicht zu spät, aus den Krisen wieder herauszukommen, zeigte er sich überzeugt. Das sei die grundsätzlich positive Botschaft: "Wir können noch wirksam werden."
Und nochmals auf den Punkt gebracht: "Als Politiker habe ich erfahren, was es dafür braucht: etwas thematisieren, darüber miteinander sprechen, Allianzen schließen, gute Kompromisse machen, von den Lösungsmodellen lernen, sie bekannt machen und sie multiplizieren," Es sei zudem wichtig, Kraft aus der Hoffnung und den Fortschritten zu schöpfen sowie Teil der Lösung und der Veränderung zu werden. Die Präsentation zum Vortrag ist hier zu finden.
Wirksam durch Spiritualität
Zum Thema "Wirksamkeit durch Spiritualität" referierte der Linzer Psychotherapeut, Regisseur und Filmemacher Johannes Neuhauser, der allerdings wegen einer Corona-Erkrankung nicht persönlich kommen konnte, sondern, gemeinsam mit seiner Frau Bettina Buchholz in einem Video zugespielt wurde.
Gemeinsam führen die beiden den Kulturverein "Etty", der die einzigartige Spiritualität der Jüdin Etty Hillesums (1914-43), die im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet wurde, im Rahmen von mehreren Theaterprojekten in Österreich bekannt zu machen versucht. Theaterproduktionen gab es bereits im Musiktheater Linz, im jüdischen Theater Hamakom/Nestroyhof in Wien, zudem in Innsbruck und in vielen weiteren Städten in Österreichs - mit vielen tausenden Besuchern.
Der Linzer Psychotherapeut, Regisseur und Filmemacher Johannes Neuhauser und seine Frau Bettina Buchholz berichteten in einer eingespielten Videobotschaft über wirksame Möglichkeiten, Spiritualität zu vermitteln. (c) ÖOK
Neuhauser: "Unsere Stücke über Etty Hillesum handeln ungefähr zur Hälfte über ihre Spirtualität. Menschen, die schon länger keinen Fuß mehr in eine Kirche oder Synagoge setzen würden, kommen ins Theater und erleben dort Ettys Spiritualität. Sie lassen sich sozusagen von Etty inspirieren."
"Gott ist tot im Theater"
Zu Beginn habe er freilich Mauern überwinden müssen, so der Regisseur. Als er 2015 dem Schauspieldirektor des Landestheaters Linz den Vorschlag vorlegte, doch ein Stück über Etty Hillsum und ihre Spiritualität zu machen, habe ihn dieser freundschaftlich zur Seite genommen und zu ihm wortwörtlich gesagt: "Johannes, du kannst ein Stück über brutale Gewalt machen, du kannst sogar ein sehr explizites Stück über Sexualität machen, aber du kannst doch nicht ein Stück über Spiritualität machen - weißt du denn nicht, dass Gott im Theater tot ist?!" - Diese Sätze hätten aber auf ihn nicht entmutigend, sondern sie hätten ganz im Gegenteil wahnsinnig inspirierend gewirkt.
Im Theaterprojekt "Lebendig bleiben mit Bruder David Steindl-Rast" arbeitete der Linzer Psychotherapeut, Regisseur und Filmemacher Johannes Neuhauser (rechts) unter anderem mit Br. David Steindl-Rast (links) und seiner Frau Bettina Buchholz (Mitte) zusammen. (c) Kulturverein Etty
Ab diesem Zeitpunkt wollte er Etty unbedingt machen, so Neuhauser: "Koste es, was es wolle." Und: "Wir waren von Oktober 2015 bis Juli 2016 - also eine ganze Spielzeit lang - jedes Mal ausverkauft."
Die niederländische Jüdin und Lehrerin Etty Hillesum wurde durch ihre posthum veröffentlichten Tagebücher, die in 14 Sprachen übersetzt wurden (auf Deutsch: "Das denkende Herz"), weltberühmt.
Neuhauser berichtete zudem von weiteren erfolgreichen Theaterproduktionen, etwa von "Ettys Entscheidung - geheime Briefe aus dem Durchgangslager Westerbork", von erfolgreicher Zusammenarbeit mit Br. David Steindl-Rast (Theaterprojekt "Lebendig bleiben mit Bruder David Steindl-Rast") und Frère Roger, den Gründer der Kommunität von Taizé (Theaterprojekt: "Vertrauen wie Feuer"). Derzeit läuft gerade das Theaterprojekt über "Etty Hillesum und Leonard Cohen" in der Tribüne Linz. Fazit von Neuhauser: "Aus unserer Sicht waren wir wirksam durch Spiritualität."
Gelebte Synodalität: Im Anschluss an die beiden Vorträge gab es in Kleingruppen die Möglichkeit, sich über Wege, Chancen und Möglichkeiten wirksamen Handelns auszutauschen. (c) ÖOK
Quelle: kathpress