Tankstelle und Dankstelle
Ein Männerorden hatte eine Köchin eingestellt, im Nachhinein erwies sich, dass diese nicht unbedingt mit dem Kochlöffel zu glänzen wusste. Eine Zeitlang ertrug der Konvent aufopferungsvoll die vorgesetzten Mahlzeiten, doch zeigte sich, dass immer mehr Patres auffällig oft Mittagstermine außer Haus hatten. Die zumeist in einem Gasthaus endeten. Lange Rede, kurzer Sinn: Letztendlich trennte man sich schweren Herzens von der Köchin. Denn die Ordensmänner hatten bemerkt, dass mit dem Wegfallen des Mahles auch ein Moment der Gemeinsamkeit verloren gegangen war.
Gemeinsam essen ist so wichtig wie gemeinsam beten
„Die Vita communis lebt von der Gemeinschaft: gemeinsames Gebet und gemeinsamer Tisch. Das ist das Grundgerüst in einem klösterlichen Konvent, das unverzichtbar ist, weil ansonsten die Gemeinschaft zerbröseln würde“, bringt es Herr Quirinus Greiwe vom Stift Herzogenburg auf den Punkt. Die Zeit der Nahrungsaufnahme erhält ebenso große Bedeutung für das Zusammenleben der Brüder wie das Chorgebet. Es ist deshalb kein Wunder, dass monastische Gemeinschaften von Anfang an dem gemeinschaftlichen Essen und Trinken (und auch dem Fasten) hohe Aufmerksamkeit widmeten. Immerhin: Die Benediktsregel widmet insgesamt neun von 73 Kapiteln dem Essen und Trinken. Was auf den ersten Blick erstaunlich ist, hat eigentlich einen ganz einfachen Grund: Gemeinsam Essen und Trinken stiftet Gemeinschaft, ist Zeichen der Zusammengehörigkeit und des Zusammenhaltes. Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen – sagt ein bekanntes Sprichwort. „Die Lebensmittel, die uns als Nahrung dienen, schenken uns Kraft und stärken uns für den Dienst und das Dasein mitten unter den Menschen“, formulierte es Sr. Franziska Bruckner von den Franziskanerinnen Amstetten. „Es ist immer wieder eine Frage, wie gehen wir wertschätzend und liebevoll mit den Geschenken der Natur um.“ Tatsache ist: Der Körper braucht schlicht Nahrung, um zu funktionieren; sie ist lebensnotwendig. „Wahrscheinlich ist das Essen auch ein Ersatz für andere fehlende Sinnlichkeiten, aber es ist auch ein Rezept für gelingendes Gemeinschaftsleben“, ergänzt Sr. Ruth Pucher von den Missionarinnen Christi.
Kommunion im Alltag und im Fest
Doch gleichzeitig spricht man auch von der geistigen, von der spirituellen Nahrung. Das gemeinsame Mahl hat in vielen Religionen eine über-lebensnotwendig Bedeutung erhalten. Davon zeugen im Judentum zum Beispiel das Pessach-Fest und im Islam der Fastenmonat Ramadan (bzw. das gemeinsame Abendessen nach Sonnenuntergang). Das Neue Testament berichtet, dass Jesus an vielen Gastmählern teilnahm und mit vielen Leuten zu Tisch saß – auch mit solchen, die aus der Gesellschaft ausgestoßen waren. Einen besonderen Stellenwert nimmt dabei natürlich das Abschiedsmahl Jesu, das Letzte Abendmahl ein. Christus segnet Brot und Wein während des Essens; er wandelt es in seinen Leib und in sein Blut und teilt sich zugleich in Brot und Wein an die Teilnehmer des Mahles aus – und bringt so die Menschen nicht nur zu einer Gemeinschaft des Glaubens, sondern auch zu einer Gemeinde, zu einer großen Familie zusammen. Mit der Teilnahme an der Eucharistie verkörperten die Menschen tatsächlich „Kommunion“, also Gemeinschaft. „Wir essen ‚das Brot des Lebens und trinken aus dem ‚Kelch der Freude‘“, macht sich Sr. Ruth Pucher dazu ihre Gedanken. „Die Eucharistie in beiderlei Gestalt: Ich denke mir dabei immer, dass Jesus dafür ein gutes Gespür hatte. Wir Menschen brauchen das Brot, um zu leben, und den Wein, um zu feiern. Jesus schenkt sich uns in beidem, im Alltag und im Fest.“
Mittagsgebet und gemeinsames Mahl bei den Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul in Wien-Gumpendorf. Bild: Katrin Bruder
Gemeinsame Mahlzeiten als Marktplatz
„Essen bedeutet viel mehr als nur notwendige Nahrungsaufnahme. Es ist ein täglich erlebbares konkretes Miteinander und bietet auch Raum für Gespräch, Austausch und Begegnung“, weiß Abt Petrus Pilsinger vom Benediktinerstift Seitenstetten zu erzählen. „Das gemeinsame Essen gehört wie das Beten zur tragenden und beständigen Struktur und Kultur einer Ordensgemeinschaft.“ Die Mahlzeiten werden gemeinsam im Refektorium eingenommen, die Sitzordnung wird vom Alter der anwesenden Ordensmänner bestimmt. Der Tischdienst wird von unterschiedlichen Brüdern ausgeführt und soll sie im gegenseitigen Dienen und Demut schulen. Eine Tischlesung dient der geistigen Erbauung. Anderswo wird der Ablauf ein wenig lockerer gehandhabt: „Da wir keine Tischlesung und keine fixen Abschlüsse der gemeinsamen Essenzeiten haben, sind wir flexibel und spontan bei der Dauer“, betont P. István Barazsuly von den Salvatorianern Österreich und Rumänien. „Gäste sind jederzeit herzlich willkommen. Ansonsten sind Essenzeiten auch besondere Zeiten der Kommunikation, wo Aktuelles besprochen und auch Freude und Leid spontan geteilt werden kann.“ Herr Quirinus Greiwe spricht sogar davon, dass die gemeinsamen Mahlzeiten auch ein „großer ‚Marktplatz‘“ seien. „Die Mitbrüder erzählen aus ihren Pfarren, Propst und Dechant geben Informationen weiter. So erfährt jeder, was im Stift passiert.“ Das größte Problem sei, dass es zu Terminkonflikten mit den Aufgaben außerhalb des Stiftes kommt. Termine in den Pfarren lassen sich oft nicht mit Gebet und Mahlzeit im Stift koordinieren. „Da muss man schon sehen, dass man den Anschluss an die Gemeinschaft nicht verliert.“
Beten ist etwas Intimes
Ein Problem, das auch Sr. Ruth Pucher kennt. Die Missionarinnen Christ bestehen aus vier Ordensfrauen, die sehr engagiert ihren Berufen nachgehen. Umso wichtiger ist es, sich, wenn auch nicht jeden Tag, zu gemeinsamen Mahlzeiten zu treffen, zusammen zu kochen, zu plaudern und zu essen. „Statt in einem Refektorium sitzen wir dann in unserer Küche um einen ganz normalen Esstisch. Beim gemeinsamen Essen erzählten wir uns vom vergangenen Tag, was uns gerade beschäftigte, auch über Probleme und offene Fragen kommen wir leicht ins Gespräch“, erzählt Sr. Ruth. Ein großen Unterschied gibt es allerdings: Gebetet wird erst nach dem Essen. „Beten ist etwas sehr Intimes. Das braucht Vorbereitung, eine Einstimmung“, so die Ordensfrau. „Die Tischzeiten sind so etwas wie eine Tankstelle bzw. Dankstelle“, fasst es Sr. Franziska Bruckner zusammen.
[rs]