Ordensschulen haben Teil an der friedenstiftenden Aufgabe der Kirche
„Ich möchte zum Thema hinführen, indem ich mit Ihnen drei persönlichen Erfahrungen teile“, beginnt Regina Polak ihren Vortrag. Als erstes stellt sie die Drei-Religionen-Grundschule Osnabrück (www.drei-religionen-schule.de) vor, in der Schülerinnen und Schüler der drei Religionen Christentum, Judentum und Islam in acht Klassen gemeinsam unterrichtet werden. 27 Lehrerinnen und Lehrer betreuen dort 175 Kinder. Die katholische Schule kooperiert dort mit der katholischen Kirchengemeinde St. Johann, der jüdischen Gemeinde Osnabrück und sechs Moscheengemeinden. Die Schule versteht sich als gemeinsames Haus des Lernens, und hier spielt die Beschäftigung mit den drei Religionen eine fundamentale religionspädagogische Rolle. Der interreligiöse Dialog macht dort das Zentrum des religionspädagogischen Selbstverständnisses aus. Schüler, Eltern, Lehrer werden sich ihrer eigenen Religion bewusst, beschäftigen sich mit den Gemeinsamkeiten und nehmen die Unterschiede als Lernort wahr – Konflikte inklusive. „Aber gerade diese Unterschiede waren der Anreiz und Stimulus zum Lernen und Wachstum in Fragen der Bildung, der Entwicklung und der Spiritualität“, berichtet Polak.
Zweite Erfahrung betrifft eine Studie: Manfred Rötting, ein Religionspädagoge aus Freising, hat eine für Deutschland repräsentative Studie zur Frage der Motivationen von Menschen durchgeführt, die sich in Kindergärten, in Schulen, in Gemeinden und interreligiösen Dialoginitiativen dem interreligiösen Dialog widmen. Dabei haben sich verschieden Dialogtypen herauskristallisiert. Sie zeigen, wie vielfältig die Dialogmotive sein können.
Da gibt es zum Beispiel den Typus des „Sozialen Bewegers“, der sich für die Gesellschaft engagiert und diese auch verändern möchte. Der interreligiöse Dialog ist für sie/ihn ein Weg, die eigene Spiritualität zu vertiefen, aber der Schwerpunkt liegt auf der Veränderung, deswegen sind sie oft auch politisch aktiv.
Der „Orthodoxer Adapter“ ist geprägt von einem sehr traditionellen Religionsverständnis und von einer Versöhnungsmotivation zwischen den Religionen. Sein eigenes religiöses Weltbild ist ihm sehr wichtig. Ihm ist bewusst, dass das Stärker werden des Islam zu einer gesellschaftlichen Veränderung führen kann. Das macht ihr/ihm auch Angst, daher beginnt er sich intensiv mit der Verwurzelung der eigenen Religion zu engagieren und beginnt daher auch sehr gerne den Dialog.
Der „Humanitär Religiöse“ sagt, es gibt eine tiefe Wahrheit jenseits von Sprache und kulturellem Hintergrund, die sich in unterschiedlichen Religionen sehr unterschiedlich äußern kann. Sie beziehen sich weniger auf die dogmatischen Inhalte, sondern auf die Geschöpflichkeit der Menschen. Er versucht über den Dialog auch die eigenen Inhalte neu zu formulieren.
Allein diese drei Typen zeigen, wie vielfältig die Erfahrungen sein können, wenn man sich in den interreligiösen Dialog einlässt.
Dritte Erfahrung: Der Beitrag von Papst Johannes Paul II. im interreligiösen Dialog kann nicht groß genug eingeschätzt werden. Er hat die Kehrtwende, die das Zweite Vatikanische Konzil in seinem Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen vollzogen hat, nicht nur weitergeführt, sondern tatsächlich neue theologische Wege beschritten. „Durch Dialog lassen wir Gott in unserer Mitte gegenwärtig sein: Denn wenn wir uns einander im Dialog öffnen, öffnen wir uns auch Gott“, zitiert Polak Johannes Paul II.
Kontext Flucht und Migration
„Wir sind in Europa schon längst eine Migrationsgesellschaft“, sagt Regina Polak. „Der interreligiöse Dialog soll nun die vielen Schwierigkeiten lösen helfen, denen sich Europa gegenübersieht.“ Migration und Flucht seien nun der unmittelbaren konkreten Anlässe, die dieses Thema sehr breitenwirksam werden lässt. Bereits 2004 verfasste der Päpstliche Rat für Seelsorge der Migranten und Menschen unterwegs ein Dekret, dass sich damit auseinandersetzte und die Bereitschaft zum echten interreligiösen Dialog als Pflicht fordert. Polak zitiert: „Zu diesem Zweck muss in den Teilkirchen für die Gläubigen und die in der pastoral Tätigen eine solide Bildung und Information über die anderen Religionen sichergestellt werden, damit Vorurteile ausgeräumt werden können, der religiöse Relativismus überwunden wird sowie Abschottung und ungerechtfertigte Ängste vermieden werden, die den Dialog hemmen und Barrieren errichten wie auch Unverständnis und Gewalt provozieren.“ Vor allem Schulen und Bildungseinrichtungen müssen daran ihre Lehrpläne orientieren.
Dabei wird festgehalten, dass Migration nur der Anlass, nicht der Grund des Dialogs sein darf. Die Schulen müssen sich diesem Thema stellen, denn heute religiös zu sein heißt interreligiös zu sein. In einer vom religiösen Pluralismus geprägten Welt ist eine positive Beziehung mit Gläubigen anderer Religionen unumgänglich. Migration und Flucht sind auch nicht die Ursache der Pluralisierung; diese ist schon lange ein Normalfall, auch in Österreich, und das wird es bleiben, selbst wenn wir Migration und Flucht durch Mauern völlig stoppen wollten. Migration ist nur ein Spiegel; MigrantInnen und Flüchtlinge sind nur Botschafter der globalen Armut und als soziale Gruppe eine Chance, die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu sehen. Wie alle Botschafter von schlechten Nachrichten mag man sie dann nicht besonders; das macht auch Angst und setzt quasi den interreligiösen Dialog in einen nicht sehr schönen Zusammenhang.
Der interreligiöse Dialog kann nicht, und das muss man Politikern klarmachen, die Fülle der ökonomischen, politischen und sozialen Probleme lösen. Aber er zu einem gesellschaftlichen und kulturellen Klima beitragen, in dem das Ressentiment gegen andere Religionen als Ursache reduziert wird, so dass man sachlicher über die tatsächlichen Probleme reden kann. Und er kann Ressourcen der Religionen aktivieren, die uns dann praktisch und theoretisch helfen können, die Probleme zu lösen.
Deshalb haben auch katholische Schulen die Aufgabe, mehr und mehr zum Haus und zur Schule der Gemeinschaft werden, sie haben Teil an der Frieden- und Einheitsstiften Aufgabe der Kirche.
Lust auf Pflicht?
Es steht hier einiges an Arbeit an. Aber die zentrale Arbeit ist weniger, dass man noch zusätzliche Projekte macht, die alle an der Oberfläche bleiben und trotzdem nichts verändern, sondern man muss die Perspektive, die Einstellung, die Haltung verändern. Von daher verändert sich auch die Vorgehensweise. Auch der eigene Glaube wird vertieft und bereichert. Wer als Pastoralverantwortlicher, als Lehrer eine religiöse Perspektive entwickelt, wird nicht viel Neues als vielmehr Altvertrautes anders machen lernen, damit die Pflicht zur Lust werden kann. Wenn man Migration und Flucht permanent als Bedrohung wahrnimmt, hat man andere Handlungsperspektiven als wen man wahrnimmt, eigentlich besteht in dieser Situation auch eine Chance zu lernen, was eigentlich Gerechtigkeit bedeutet, was Friede bedeutet, was in Verschiedenheit Zusammenleben bedeutet.
Junge befürworten Zuwanderung
Die gute Nachricht: Kinder und Jugendliche bringen dafür die besten Voraussetzungen mit, weil sie kulturelle und religiöse Vielfalt als „normal“ wahrnehmen, das bestätigt auch die deutsche Shell-Studie des Vorjahres. Bei den 16- bis 24jährigen ist es sogar so, dass sie sich sogar für ein Mehr an Zuwanderung aussprechen du auch ein Mehr für die Aufnahme von Flüchtlingen. Da gibt’s einen tatsächlichen Generationen-Gap; die Jungen haben keine Schwierigkeit damit. Die erwachsene Bevölkerung hingegen lehnt Zuwanderung immer mehr und immer deutlicher ab. Die jungen Menschen hingegen scheinen die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und zu verstehen, weil sie in eine Welt religiöser Verschiedenheit hineinwachsen, darin leben lernen, wenn man sie lässt, wenn man sie fördert und wenn man ihnen nicht medial und politisch unentwegt Problemperspektiven hineintrommelt. Was bedeutet das für die Zukunft, wenn man den Kindern in den Wiener Verkehrsmittel täglich „Heute“ oder „Österreich“ zu lesen gibt. Was heißt das für ein bürgerliches Mittelschichtkind als auch ein Migrantenkind. Das macht ja etwas; das lässt die Wahrnehmung verändern. Das soll nicht heißen, die Probleme zu leugnen. „Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines wirksameren Einsatzes zur Realisierung von Bildungs- und Pastoralsystemen im Hinblick auf eine Erziehung zu einer ‚mondialen‘ Sicht“, das heißt zu einer Sicht der Weltgemeinschaft, die als eine Familie von Völkern angesehen wird, der schließlich im Blick auf das universale Gemeinwohl die Güter der Erde zustehen“, zitiert Polak die Deutsche Bischofskonferenz.
Theologische "Normalität"
Der Dialog wird zur theologische „Normalität“; die Kirche ist Dialog. Papst Johannes Paul II. lieferte dafür zwei zentrale Begründungen, nämlich einerseits, dass der Name-des einzigen Gottes ein Name des Friedens werden muss. Damit ist nicht nur die Abwesenheit des Krieges gemeint, sondern der biblische Schalom, der auch politische und soziale Dimensionen beinhaltet. Und andererseits, dass Gott ein Gott des Dialogs ist, der seit den Uranfängen für ein Heilsgespräch mit der Menschheit eintritt.
Für den schulischen Alltag sind die Vier-Ebenen-Beziehungsnetzwerk relevant: Der Dialog des Lebens, in dem Menschen in einer offenen und nachbarschaftlichen Atmosphäre zusammenleben wollen, indem sie Freud und Leid, ihre menschlichen Probleme und Beschwernisse miteinander teilen.
Der Dialog des Handelns, in dem Christen und Nichtchristen für eine umfassende Entwicklung und Befreiung der Menschen zusammenarbeiten.
Der Dialog des theologischen Austausches, in dem Spezialisten ihr Verständnis ihres jeweiligen religiösen Erbes vertiefen und die gegenseitigen Werte zu schätzen lernen.
Der Dialog der religiösen Erfahrung, in dem Menschen, die in ihrer eigenen religiösen Tradition verwurzelt sind, ihren spirituellen Reichtum teilen, z. B. was Gebet und Betrachtung, Glaube und Suche nach Gott oder dem Absoluten angeht.
Die vier Ebenen sind miteinander verknüpft, bilden ein Netz, betreffen die Befreiung des Menschen und seine Kultur.
Rudolf Luftensteiner wird 60
Am Abend zuvor wurde der 60. Geburtstag von Rudolf Luftensteiner, Leiter des Bildungsreferates der Ordensgemeinschaften Österreich gefeiert. In einer Festmesse dankte Abtpräses Christian Haidinger, Vorsitzender der Superiorenkonferenz der männlichen Orden Österreichs, und Maria Habersack, Geschäftsführerin der Vereinigung der Ordensschulen Österreich, dem Ehrengast für seine langjährige fruchtbare Tätigkeit, die die VOSÖ zu dem gemacht haben, was sie heute sind: Eine nicht zu übersehende Größe in der österreichischen Schullandschaft.
[rs]