Ravi Tissera: „Wir müssen die Kirche bewegen, weil sich die Kirche nicht bewegt“
Ravi Tissera: "Wir wollen Bildung nutzen, damit Studentinnen und Studenten Führungspersönlichkeiten der Transformation werden." (c) Manu Nitsch
Am Nachmittag berichtete Ravi Tissera über die Aktivitäten der Internationalen Bewegung katholischer Studierender (IMCS – Pax Romana). Vor seinem Engagement in der Student:innenbewegung studierte Tissera Rechtswissenschaften in seinem Heimatland Sri Lanka. Anschließend absolvierte er auch Ausbildungen im Bereich Diplomatie und Anwaltschaft. 2019 wurde er zum internationalen Präsidenten der IMCS gewählt und übte dieses Mandat vier Jahre lang aus. Aufgrund seiner Aufgaben hält er sich derzeit hauptsächlich in der Schweiz und in Frankreich auf und setzt sich für Klimaschutz ein.
Aus Feinden wurden Freunde
Die Internationale Katholische Studentenbewegung (IMCS) wurde 1921 unter dem Namen Pax Romana in der Schweiz von Katholischen Studenten aus 23 Ländern und vier Kontinenten gegründet. Die Bedingungen waren nicht ganz einfach: Der Erste Weltkrieg war erst vor drei Jahren zu Ende gegangen; viele der Gründungsmitglieder waren ehemals Feinde gewesen und hatten gegeneinader gekämpft. Jetzt galt es, feindliche Gefühle und Ressentiments zu überwinden und Wunden zu heilen; um einen Beitrag zum Aufbau von Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu leisten - ein Vorgang, der seine Zeit brauchte.
Führungspersönlichkeiten der Transformation
Die IMCS sieht seine Hauptaufgabe darin, Student:innen zu evangelisieren und sie zu Vertreter:innen einer gerechten Sache zu machen. Alle IMCS-Mitglieder sind durch eine Spiritualität des Handelns und ein gemeinsames Engagement für die Armen, die Ausgegrenzten und die Schöpfung verbunden. "Wir ermutigen Studentinnen und Studenten, ihren Glauben zu leben, indem sie sich an der Lösung lokaler Probleme auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene beteiligen." Das Hauptaugenmerk liegt zwar derzeit im Engagement gegen die Umweltkrise, jedoch hielt Ravi Tissera klar fest: "Wir sind keine Umwelt-, sondern eine Studierendenorganisation." Die Mission heißt: "Wir wollen ihre Bildung nutzen, damit sie Führungspersönlichkeiten der Transformation werden."
Derzeit hat der IMCS mehr als 88 nationale Mitgliedsbewegungen und -verbände, die von sechs regionalen Sekretariaten und dem internationalen Büro in Paris, Frankreich, koordiniert werden. Der IMCS hat Regionalbüros auf vier Kontinenten: Afrika (Nairobi, Kenia); Asien (Manila, Philippinen); Europa (Brüssel, Belgien); und Lateinamerika (Quito, Ecuador).
Kirche in der Bewegung
Die IMCS ist nicht nur eine kirchliche Bewegung, sondern – und darauf legte Ravi Tissera in seinem Vortrag großen Wert – eine Kirche in der Bewegung. "Wir bewegen die Kirche, weil sich die Kirche nicht bewegt", merkte Tissera kritisch an. “Wir kommen aus verschiedenen Fachrichtungen und bringen unsere Ideen und Erfahrungen ein, um gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit zu arbeiten", sagte Ravi Tissera. Die Rolle des internationalen Teams konzentriert sich auf vier Hauptachsen:
- Ganzheitliche Ausbildung und theologische Reflexion mit Mitgliedern
- Koordination und Unterstützung regionaler und lokaler Strukturen
- Interessenvertretung in internationalen Gremien
- Konkrete soziale Projekte
Breites Spektrum an (Ausbildungs-)Aktivitäten
Die IMCS hat ein breites Spektrum an (Ausbildungs-)Aktivitäten; dazu gehören unter anderem Konferenzen, Seminare, Workshops (auch online) und Austauschprogramme. Die IMCS legt großen Wert darauf, dass die Stimmen der Studierenden gehört werden und sie aktiv an der Gestaltung der Veranstaltungen beteiligt sind. Um die Bildungschancen für katholische Studierende zu verbessern, bietet die IMCS auch Stipendienprogramme an. Diese ermöglichen es Studierenden, finanzielle Unterstützung für ihr Studium zu erhalten und ihre akademischen Ziele zu verfolgen.
Darüber hinaus stellt die IMCS Ressourcen und Informationen zur Verfügung, um Studierende bei der Planung ihrer akademischen Laufbahn und ihrer persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Ein Beispiel für eine Initiative der IMCS ist das Austauschprogramm "Bridges of Understanding", bei dem Studierende die Möglichkeit haben, für eine bestimmte Zeit in einem anderen Land zu studieren. Dies ermöglicht es den Studierenden, neue Kulturen und Denkweisen kennenzulernen und ihre interkulturellen Kompetenzen zu erweitern. Durch den direkten Austausch mit Student:innen aus verschiedenen Ländern entstehen wertvolle Netzwerke und Freundschaften, die den interkulturellen Dialog weiter fördern. Die IMCS organisiert auch internationale Veranstaltungen, bei denen Studierende zusammenkommen, um über gemeinsame Herausforderungen und Chancen zu diskutieren. Dabei werden auch Themen wie soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte und Nachhaltigkeit behandelt.
In der Mitte seines Vortrages schlug Ravi Tissera vor, zur Auflockerung den "Banana-Song" zu tanzen. (c) Manu Nitsch
Konkrete Projekte
Ravi Tissera nannte auch einige konkrete Projekte, die von IMCS-Aktivist:innen unterstützt wurden:
- Die Kampagne "Beten, registrieren, wählen" wurde vom IMCS Simbabwe in Partnerschaft mit anderen Organisationen durchgeführt, um die politische Beteiligung auf Gemeinde- und Universitätsebene während der Wahlen zu fördern. Die Kampagne wurde von der Nationalen Bischofskonferenz, Universitäten und demokratischen Gremien unterstützt und hat zu einer positiven demokratischen Beteiligung geführt.
- Die Kampagne gegen Menstruationsarmut, geleitet vom IMCS Nepal, zielt darauf ab, das Bewusstsein für Menstruationshygiene in ländlichen Gemeinden zu schärfen und die Bildung von Mädchen zu fördern. Die Studenten des IMCS Nepal geben praktisches Wissen über Menstruationshygiene und die Herstellung von Hygieneprodukten weiter.
- Die Protestbewegung "Rettet Ulu Papar" in Sabah, Malaysia, kämpfte gegen den Bau des Kaiduan-Damms, der ohne Konsultation der indigenen Gemeinschaften geplant war. Die SALT-Gruppe arbeitete mit der Gemeinschaft zusammen und wurde für ihren Aktivismus für Menschenrechte nominiert.
- Die IMCS beteiligte sich an der Protestbewegung gegen die Erweiterung eines Schießplatzes in Netarhat, Indien, der die indigenen Gemeinschaften vertrieb. Sie kämpften gemeinsam für die Landrechte der indigenen Bevölkerung und trugen durch Bewusstseinsbildung und Aktivitäten zur Mobilisierung bei.
- Die Demokratieproteste in Hongkong wurden von der Hong Kong Federation of Catholic Students unterstützt, die durch direkte Teilnahme, politische Diskussionen und kreative Protestmethoden wie Gebetswachen und heilige Messen auf der Straße aktiv war.
Veranstalter der tagung.weltkirche sind die KOO (Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz) und die Ordensgemeinschaften Österreich (#weltkirche23).