Ebola-Epidemie hat Menschenhandel- und Straßenkinderproblem hinterlassen
Was sich in Sierra Leone - das frühere Bürgerkriegs- und Ebola-Land ist heute einer der fünf ärmsten Staaten der Welt - abspiele, sei "die Spitze eines Eisberges für ein Problem mit internationaler Relevanz", schilderte der Ordensmann. Bis zu 1.500 minderjährige Mädchen arbeiten in der Hauptstadt Freetown im Sexgewerbe, ergab eine Studie der Salesianer. "Die jüngsten sind erst neun Jahre alt, die Mehrzahl im Alter zwischen zehn und 15", so P. Crisafulli. Die Mädchen würden benutzt "wie eine Wasserflasche, die man leert und dann wegwirft", manchmal würden fünf oder sechs in aus Wellblech errichteten Wohnungsbordellen zusammengesperrt und immer wieder vergewaltigt - von Weißen, Chinesen, Fischern, Bauarbeitern und oft auch von der Polizei. Viele von ihnen würden zudem in Tourismusregionen der Nachbarländer oder nach Europa verkauft.
Straßenstrich-Bus und Menschenhandel-Hotline
Betroffen seien einerseits Mädchen, die auf der Straße leben; deren Zahl habe sich durch die überstandene Ebola-Epidemie drastisch erhöht, da viele Kinder zu Waisen und Überlebende von den Familien ausgestoßen wurden. Zusätzlich seinen in den Dörfern ältere Mittelsfrauen - sogenannte "Aunties" (Tanten) - unterwegs auf Rekrutierung durch falsche Versprechungen. "Den Familien wird gesagt, die Mädchen würden Ausbildung und Beschäftigung erhalten und davon profitieren. In Wahrheit ist dies der Einstieg in Sklaverei ", berichtete P. Crisafulli. Auffallend sei, dass bei Prostitution und Menschenhandel meist Frauen die Drahtzieher seien, anders als beim von Männern dominierten Drogenhandel. Zum Schutz der betroffenen Mädchen hat das Don Bosco Kinderschutzzentrum einen Autobus eingerichtet, der jede Nacht in jenen Straßenzügen der Hauptstadt Freetown unterwegs ist, in denen die Mädchen "anschaffen". Hier gibt es Informations- und medizinische Angebote und Einladungen für die neue Herberge des Ordens, dank derer seit Sommerbeginn bereits 82 minderjährige Mädchen von der Straße geholt wurden. Die in Ebola-Zeiten eingerichtete Gratis-Hotline für Kinder dient nun landesweit unter dem Namen "Don Bosco Childline" als Meldestelle für Fälle von (auch drohendem) Kindeshandel, "mit derzeit 700 Anrufen pro Woche", wie der Ordensmann berichtete.
Stopp Menschenhandel
Alle Mädchen in der Herberge sind von sexuell übertragbaren Krankheiten betroffen, betonte Crisafulli. Es sei wichtig, ihnen ebenso soziale Hilfen, Rechtsbeistand und gesundheitliche Aufklärung zu bieten wie auch Berufsperspektiven, durch Schulbesuch oder Ausbildungen etwa für die Arbeit im Catering-Bereich. Statt einer langfristigen Unterbringung ist das Hauptziel jedoch, die Kinder wieder in die eigenen Familien zurückzubringen. Sozialarbeiter besuchen dazu die Angehörigen und sprechen mit ihnen. "Da sie die Eltern oft aus Angst nicht mehr annehmen wollen, gehen sie dann oft weiter zu Onkeln und Tanten. Von den Großeltern werden sie so gut wie nie zurückgewiesen", berichtete Crisafulli. Man bleibe auch weiterhin in monatlichem Kontakt, unterstütze teils mit Schulgeld. Die Zuwendung zu den Straßenkindern und Zwangsprostituierten läuft auch im Rahmen der internationalen Kampagne "Stopp Menschenhandel", mit welcher die Salesianer den Menschenhandel aus Westafrika bekämpfen und über Ausbildung für innovative Techniken in Industrie und Landwirtschaft Alternativen zur Migration schaffen wollen. "Keiner denkt an Europa, wenn er in seiner Heimat Perspektiven hat um seine Familie zu ernähren", erklärte Crisafulli. Wenn schon Migration, so solle sie mit besserer Vorinformation und später erfolgen - "über den legalen Weg eines Arbeitsvisums und derart, dass man den Zielländern ausbildungstechnisch oder ökonomisch von Nutzen sein kann", so der Ordensmann.
Foto: Kathpress/Pernsteiner
[fk]