Katholische Volks- und Sonderschulen: Praxisorte der Lebensbejahung
„Wodurch sich katholische Schulen von anderen Schulen unterscheidet, ist, dass sie in eine tiefe Praxis der Lebensbejahung einführen“, bringt es Rudolf Luftensteiner, Leiter des Bildungsreferats der Ordensgemeinschaften Österreich, in seinem Anfangsstatement auf den Punkt. Und weiter: „Eine tiefe Praxis der Lebensbejahung ist für mich ein Geschenk des Glaubens. Nichts definiert den Glauben so gut wie der Gedanke der Dankbarkeit. Gelebte Dankbarkeit ist für mich tiefe Praxis der Lebensbejahung.“
Gerade in den letzten Jahren kristallisiere sich immer mehr heraus, dass die Belastungen für die Verantwortlichen in Katholischen Schulen, vor allem für Ordensschulen, immer größer werden. In der kirchlichen Landschaft breche viel Vertrautes weg; Ordensschulen hätten ihre Heimat in den Ordensgemeinschaften, doch immer mehr müssen ohne Ordensleute auskommen. Ihre Aufgabe müssen die Direktorinnen und Direktoren, die Lehrerinnen und Lehrer, übernehmen. Sie und ihre Arbeit sind es, die die Wirklichkeit des Neuaufbauens bestimmen.
Rudolf Luftensteiner, Leiter des Bildungsreferats der Ordensgemeinschaften Österreich: "Katholische Schule sind Praxisorte der tiefen Lebensbejahung." (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
Doch: „Wir müssen lernen, dass die Lebensqualität unserer Kinder, und damit unsere Lebensqualität, nicht gesteigert werden kann durch noch mehr, noch besser, noch schneller, noch superer. Das führt leicht dazu, dass unsere Seelen ‚Stopp‘ schreien, dass unsere Seelen aussteigen und ins Burnout gleiten“, kritisiert Luftensteiner. Und weiter: „Dem gegenüber steht die Katholische Schule, als ein Praxisort der tiefen Lebensbejahung, wo es nicht um ‚das Mehr‘, sondern um das Innere, um die Stärkung der einzelnen Personen geht.“ Und hier schließe sich wieder der Kreis, denn sein Resümee lautet: „Glauben als einen Akt der Dankbarkeit, als einen Akt in der Praxis der tiefen Lebensbejahung, das sehe ich als einen Auftrag der katholischen Schulen.“
Sr. Melanie Wolfers: Freunde fürs Leben
Der erste Tagungstag wurde von der Salvatorianerin Sr. Melanie Wolfers gestaltet. Die Theologin, Philosophin und Bestsellerautorin setzte sich mit dem Thema „Von der Kunst, mit sich selbst befreundet zu sein“ auseinander.
Sr. Melanie Wolfers: "Mit sich selbst Freundschaft zu schließen stärkt die Resilienz und hat etwas mit einem gelingendem und gutem, anders gesagt: mit erlöstem Leben zu tun." (c) Ordensgemeinschaften Österreich/rs
„Der permanente Selbstoptimierungsdruck ist ein Kennzeichen der neoliberalen Gesellschaft“, zeigt sich Melanie Wolfers überzeugt. Das aktuelle gesellschaftliche Leitbild sei die Figur des Unternehmers. Doch dieses „unternehmerische Selbst“ ist, bedingt durch das ständige Streben nach Selbstoptimierung als auch unbarmherzige Selbstkritik, oft ein erschöpftes Selbst. Die Zeichen dieser Erschöpfung, seelische und körperliche Beschwerden, werden gerne ignoriert oder nur als Symptom behandelt.
Die Kunst, mit sich selbst befreundet zu sein, bildet einen Gegenpol zum gesellschaftlichen Selbstoptimierungsdruck. Es ist vor allem eine Haltung, mit der man sich selbst begegnet. Wolfers: „Wer ich bin, ist unendlich mehr als all das, was ich bin, als das, was ich besitze und kann, was ich entbehre und erleide. Wer ich bin, erwächst daraus, wie ich mit mir und meinem Leben im Dialog stehe.“
Voraussetzung dafür sei „wohlwollendes Interesse und Zeit für sich selbst“. Es brauche dafür eine bewusste Lebenskultur, und ein regelmäßiger Check-in bei sich selbst. Auch müsse man, so formuliert es Wolfers, akzeptieren, das „eigene Licht leuchten zu lassen“. Lob zuzulassen und die eigenen positiven Seiten wertzuschätzen können manchmal sehr schwerfallen. Viele Menschen agieren nach dem Motto: Eigenlob stinkt, aber: „Rechnen Sie damit, dass auch gelten kann: Eigenlob stimmt!“, regt Wolfers an. Jedem Menschen wohne ein göttliches Licht inne. „Das eigene Licht leuchten zu lassen bestärkt andere, ihr Licht leuchten zu lassen. Wo das passiert, bereitet sich aus der Sicht Jesu die neue Welt Gottes aus“, zeigt sich Wolfers überzeugt.
Vor allem heiße es, den inneren Selbstkritiker zu entthronen. „Ich gehe mit niemanden so sehr ins Gericht wie mit mir selbst“, sagt Wolfers. Aber Freundschaft mit selbst heißt nicht, sich selbst gegenüber kritiklos zu sein. Es bedeutet nur, in Freundschaft mit seinen Stärken und Schwächen zu leben. Man muss nicht alles gutheißen, was man getan hat, aber man muss die eigen Fehler und Grenzen akzeptieren.
An Gott zu glauben bedeutet, dass ich mich nicht selbst perfektionieren muss, um jemand zu sein. „Ich darf vielmehr darauf vertrauen, dass ich mich unendlicher Liebe verdanke und in ihr aufgehoben bin“, sagt die Ordensfrau. Und weiter: „Sowohl das ständige Streben nach Selbstoptimierung als auch gnadenlose Selbstkritik sind eine Form von Atheismus, von konkret gelebtem Unglauben.“
Die Kunst, mit sich selbst Freundschaft zu schließen, bildet einen Gegenpol zum gesellschaftlichen Selbstoptimierungsdruck. Wolfers: „Sie stärkt die Resilienz und hat etwas mit einem gelingendem und gutem, anders gesagt: mit erlöstem Leben zu tun.“
Maria Dippelreiter: Resilienz ist das Gegenteil von Vulnerabilität
Der zweite Tagungstag widmete sich ganz dem Begriff der Resilienz, der in den letzten Jahren zu einem Trendwort mutierte, das fast schon inflationär wie suggestiv in den Medien verwendet und oft mit „Unverwundbarkeit“ gleichgesetzt wurde. Bilder wie der Fels in der Brandung oder der Regenschirm, der vor den Himmelsfluten schützt, kamen und kommen hier zum Einsatz – Bilder, die „in Wirklichkeit nicht der tatsächlichen Bedeutung entsprechen“, gibt Maria Dippelreiter, Vizepräsidentin der Österreichischen Kulturvereinigung, in ihrem Impulsreferat mit dem Titel „Resilienz – ein stärkenorientiertes Konzept für Person, Funktion, Organisation“ zu bedenken. Als resilient erweist sich eigentlich jemand, der ohne Schirm durch den Regen stapft und dennoch ohne Grippe davonkommt.
Im wörtlichen Sinne bedeutet Resilienz eigentlich Spankraft oder Widerstandsfähigkeit und wurde ursprünglich ab ca. 1890 im technischen Kontext verwendet. In die Psychologie fand der Begriff erst in den 50er-Jahren Einlass, um letztendlich auf ganze Systeme ausgeweitet zu werden.
Resilienz kann als Gegenteil von Vulnerabilität definiert werden. Es ist ein Leitbild, das Stärken benennt und zugleich den Blick auf Gefährdungen nicht verstellt und mit Lernerfahrungen verbunden ist, welche sich auf die weitere Entwicklung des Menschen positiv auswirken. Oder anders ausgedrückt: Ich kann Verletzlichkeit und unerfreuliche Erfahrungen besser akzeptieren, persönliche Beziehungen mehr schätzen, emotionale Reife entwickeln und eine umfassendere und tiefer erfüllte Gottesbeziehung erleben.
Für Pädagoginnen und Pädagogen im beruflichen Handeln bedeutet das, Vorbild sein und führen zu können. Sie können Gemeinschaftssinn stiften und stützen und eine sichere Bindung bzw. Hilfestellung bei der Regulation von Gefühlen geben und einfordern.
Auch die Einbindung in eine religiöse Wertegemeinschaft (nicht die Religiosität an sich) trägt zur Resilienz bei. „Gläubigkeit gibt eine sichere Bindung durch das ganze Leben“, sagt Maria Dippelreiter, und zählt auch ein Beispiel auf: Nach dem Hurrikan Katrina bemerkten die Behörden, dass der Stadtteil mit den ärmsten Bewohnern dennoch am schnellsten wieder aufgebaut war. Möglich gemacht hatte dies eine funktionierende (Kirchen-)Gemeinschaft, die auf gegenseitige Hilfe setzte. Untersuchungen zeigen auch, dass gläubige Menschen weniger an Depressionen leiden. Der Glaube wird als Kraftquelle erlebt; die Gottesbeziehung als Schutz, Sicherheit und Aufforderung, mit Zweifeln zurecht zu kommen. Letztendlich tritt ein salutogener Effekte von Glauben und Religion ein.
[rs]