Auf Wein gebaut! Stift Göttweig und seine Weinwirtschaft
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Stift Göttweig und sein Umland, Federzeichnung, 1720er-Jahre. (c) Peter Böttcher/ Institut für Realienkunde
Seit seinem Bestehen ist Göttweig mit der Weinwirtschaft eng verbunden und bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ruht die Existenz des Klosters vorwiegend auf diesem Wirtschaftssektor. Stift Göttweig ist „auf Wein gebaut“, und das bis heute!
Die Anfänge im Mittelalter
Im Jahr 1083 gewährte Bischof Altmann von Passau (reg. 1065–1091) seiner Gründung Göttweig ein umfangreiches Stiftungsgut. Dieses enthielt ausgedehnten Weingartenbesitz, nämlich vorwiegend in Niederösterreich und in sehr geringem Maße in Oberösterreich. Die Gesamtfläche an Göttweiger Rieden vergrößerte sich im weiteren Verlauf des Mittelalters kontinuierlich und das insbesondere durch Stiftungen adeliger Personen, die Weingartenschenkungen an Göttweig in den meisten Fällen testamentarisch verfügten. Seitens der Klosterverwaltung war man zudem bemüht, den Bestand an Rebflächen durch Ankäufe auszuweiten. Die Stiftsweingärten verteilten sich schon bald als Streubesitz auf den gesamten niederösterreichischen Raum. Um die Rechtsansprüche an diesen Gütern zu wahren, handelten hohe geistliche und weltliche Würdenträger regelmäßig im Interesse Göttweigs und nahmen urkundliche Besitzbestätigungen vor. Über das Mittelalter hinaus blieb die Anzahl der Stiftsweingärten bis ins 18. Jahrhundert zunächst weitgehend konstant; erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts verringerte sich der Besitz durch Verkäufe deutlich.
Weingartenbewirtschaftung
Seit dem Mittelalter waren Eigenbau und Teilbau übliche Formen der Bewirtschaftung von Weingärten. Entweder erfolgte die Bearbeitung der Rieden auf der Basis von Lohnarbeit oder Weingärten wurden an Hauer verpachtet, die einen Teil der Ernte an die Grundherrschaft Göttweig abzuliefern hatten. Die Eigenwirtschaft war mit der Herausforderung verbunden, Jahr für Jahr ausreichend qualifizierte Arbeiter zu gewinnen. Sobald Weingärten an Pächter vergeben waren, musste sich der Grundherr zumindest in Bezug auf diese Flächen nicht mehr um die Anwerbung von Fachkräften bemühen. Bis Ende des 17. Jahrhunderts vergab Göttweig seine Weingärten vermehrt zu Teilbau, später stand die Eigenwirtschaft im Vordergrund.
Stockkultur mit Igeln, Physiologus, Sammelhandschrift, 1. Jahrzehnt 15. Jh. (c) Peter Böttcher/ Institut für Realienkunde
Zur Zeit der Lese konnte Stift Göttweig mit dem Weinzehent rechnen, jährlich hatten untertänige Bauern zehn Prozent der Weinernte abzuführen. Göttweig kam überdies jedes Jahr in den Genuss des Bergrechts, eine Abgabe, die meist in Form von Most an das Kloster als „Bergherr“ zu leisten war.
Bis in die 1960er-Jahre prägte die Stockkultur das Erscheinungsbild der Göttweiger Weingärten. Das Charakteristische an dieser Art der Reberziehung war, dass für jeden Weinstock ein Pfahl als Stütze diente. Die Reben wurden außerdem sehr dicht gepflanzt. Schließlich folgte auch Stift Göttweig dem allgemeinen Trend zur Hochkultur nach Lenz Moser (1905-1978). Typischer Weise werden dieser Methode entsprechend, die Rebstöcke hochgezogen und stehen in größeren Abständen zueinander.
Lesehöfe
Um die Weinwirtschaft Göttweigs erfolgreich führen zu können, war es erforderlich, in den in den Kerngebieten Verwaltungszentren zu errichten, sogenannte Lesehöfe. Die bedeutendsten Lesehöfe befanden sich in Furth, Stein a.d. Donau und Königstetten. Die Verantwortung über diese Höfe und die dazugehörigen Rebflächen oblag jeweils einem Hofmeister.
Der schriftlichen Überlieferung nach wurde der Lesehof Stein a.d. Donau im späten 13. Jahrhundert erbaut, jener in Furth 1313 und der Lesehof Königstetten 1433 – gemäß aktuellen bauhistorischen Erkenntnissen entstand der Hof in Königstetten jedoch schon gegen Ende des 13. Jahrhunderts. Es ist davon auszugehen, dass bereits in der Zeit der Gründung von Stift Göttweig an allen drei Orten Lesehöfe existierten bzw. erbaut wurden.
Den höchsten Stellenwert hatte der Lesehof in Furth, der sich als Mittelpunkt des lokalen Weinbaues südlich der Donau etablierte. Der Hof gliederte sich in einen Wohn- sowie einen Wirtschaftsbereich, mit Kellerräumlichkeiten. Das Anwesen bot ausreichend Raum, um große Erntemengen zu verarbeiten und zu lagern. Zumindest ab dem 15. Jahrhundert war in den Lesehof eine Taverne integriert, 1606 wurde sie geschlossen.
Zeit des Barocks
Die unmittelbare Nähe zu Stift Göttweig prädestinierte Furth als zentrale Drehscheibe der Weinwirtschaft und so folgten weitere Investitionen in die Infrastruktur. Im Jahr 1681 traf Abt Johannes Dizent (reg. 1672–1689) eine zukunftsweisende Entscheidung und kaufte den „Staudinger-Keller“, gegenüber dem mittelalterlichen Lesehof. Der Keller sollte bis 1702 zum flächenmäßig größten Weindepot Göttweigs ausgebaut werden, hier reiften in Spitzenzeiten mehrere hunderttausend Liter Wein. Der riesige Sammelkeller bildet bis heute das Herzstück des stiftseigenen Kelleramtes.
Die Wichtigkeit des Standortes Furth wurde in der Amtszeit Gottfried Bessels (reg. 1714–1749) durch ein neuerliches Bauprojekt betont: Der Abt erwarb 1737 in der Nachbarschaft des alten Lesehofes und des Kelleramtes den „Grabnerhof“ und nach Abbruch des Hofes bis auf seine Grundmauern, ließ Bessel von Franz Anton Pilgram (1699–1761) den „Neuen Lesehof“ errichten. Die Art der Nutzung des Wirtschaftshofes änderte sich allerdings 1784, ab diesem Jahr diente das Gebäude als Pfarrhof.
Abt Gottfried Bessel. (c) Edgar Knaack
Abt Gottfried Bessel beeinflusste die Göttweiger Weinwirtschaft derart positiv, dass man von einem neuen Zeitalter sprechen kann. Bereits sein Vorgänger Abt Berthold Mayr (reg. 1689-1713) agierte sehr erfolgreich, insbesondere sorgte er für die Fertigstellung des Sammelkellers in Furth sowie im Ortsteil Aigen für die Errichtung eines weiteren bedeutenden Weinkellers. Mayr hatte sich außerordentliche Verdienste um die Weinwirtschaft erworben und deshalb war es für Abt Bessel zweifellos von Vorteil, an diese Ära anzuschließen. Doch Bessel war nicht nur Profiteur, sondern er setzte wesentliche Entwicklungsschritte und das auf Basis klarer Instruktionen. Beispielsweise durfte Wein nur auf Vertragsbasis verkauft werden, diese Regelung galt selbst für kleine Mengen. Er selbst kontrollierte als erster und gleichzeitig letzter Abt den Großhandel, ein absolutes Kerngeschäft. Wenngleich mehrere überdurchschnittlich gute Weinjahre noch zusätzlich stimulierend wirkten, die von Bessel vorgegebene systematische Verwaltung brachte den Erfolg: Nach dem Tod Gottfried Bessels befanden sich in den Weinkellern von Stift Göttweig insgesamt rund 2 Millionen Liter Wein.
Unter Abt Gottfried Bessel erreichte die Weinwirtschaft ihren Höhepunkt, im Hinblick auf diesen für Göttweig so grundlegenden Sektor kann das 18. Jahrhundert aber generell als herausragend bezeichnet werden. Gegen Ende dieses Zeitalters tritt ein wirtschaftlicher Abschwung ein, der in das 19. Jahrhundert hineinwirkt. Das Geschäft mit dem Wein blieb für Göttweig zwar bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts „die“ Haupteinnahmequelle, doch an die „Erfolgsgeschichte“ des Barocks konnte nicht mehr angeschlossen werden.
Weinbau im 20. und 21. Jahrhundert
Stift Göttweig wurde im 20. Jahrhundert durch eine noch nie da gewesene Katastrophe erschüttert: Es kam 1939 zur Enteignung des Stiftes zugunsten der Stadt Krems – Göttweig verlor seine Autonomie! Damit lag die Verfügungsgewalt über das Klostergebäude und die dazugehörigen Besitzungen bis zum Ende des 2. Weltkrieges bei Krems. Die Stiftsweingärten wurden nun von Krems aus verwaltet, es kam aber auch zur Verpachtung von Rieden. Vorhandene Bestände an Stiftswein transferierte man in die Stadtkellerei, aus dem Verkauf der Weine konnten hohe Gewinne lukriert werden.
1945 erlangte Stift Göttweig seine Besitzrechte wohl zurück, doch wirtschaftliche Herausforderungen führten 1987 zu der Entscheidung, das Weingut zu verpachten. Letztendlich wurde im Jahr 2006 die „Weingut Stift Göttweig Betriebsges.m.b.H“ gegründet, die Verwaltung der ca. 30 ha Stiftsweingärten obliegt seither dem Weingut Stift Göttweig gemeinsam mit dem Weingut Stadt Krems, wo der Göttweiger Wein produziert wird und in den dortigen Kellern reift.
Weinbauregion Furth-Göttweig. (c) Bernhard Rameder
Quelle: Mag. Dr. Angelika Kölbl, Archivarin und Ausstellungskuratorin der Göttweiger Sammlungen