Zum 80. Jahrestag der Novemberpogrome 1938: Mechaye Hametim
(c) Kati Bruder
Die furchtbaren Ereignisse, die in der Nacht von 9. auf 10. November vor 80 Jahren stattfanden - sie waren der Beginn der Shoa, der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten, die Millionen von Juden und Jüdinnen das Leben kostete. 66.000 österreichischen Jüdinnen und Juden fielen ihr zum Opfer.
"Auch nach 80 Jahren – und auch in weiterer Zukunft – rufen diese schrecklichen Ereignisse nach Buße und Umkehr", erinnert Männerorden-Vorsitzender Abt Christian Haidinger anlässlich des ökumenischer Gottesdienstes in der Wiener Ruprechtskirche. "Die Worte der Lesung aus dem Buch Joel treffen ins Herz: Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider. Der Prophet greift nach Worten und Bildern, die uns aufrütteln wollen aus selbstgefälliger Ruhe und Sicherheit. Es nützt nichts, meint der Prophet, ein Bußkleid anzuziehen, - oder sich, wie es damals wohl Sitte war, als Zeichen der Buße die Kleider zu zerreißen. Diese Buße muss tiefer berühren, muss uns im Herzen treffen: Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider!.Es geht um etwas, was zutiefst im Inneren der Menschen ist, nicht um Äußerlichkeiten."
Gedenkstätte am Judenplatz in Wien (Foto: fkaineder)
Doch die Novemberpogrome sind nicht einfach vom Himmel gefallen. Jüdinnen und Juden hätten in Österreich schon seit Jahrhunderten immer wieder Verfolgung erlitten. Dieser Antisemitismus sei nicht nur auf die verquere Rassenideologie der Nationalsozialisten zurückzuführen, sondern auch auf eine jahrhundertelange "Theologie der Verachtung gegenüber den Juden", die maßgeblich zum Leidensweg der Juden beitrug. "Es ist eine sehr dunkle Geschichte, die wir Christen gegenüber den Juden bezeugen müssen", bringt es Abt Christian Haidinger auf den Punkt.
Die Kirchen hätten erst nach der Schoa Partei für die Jüdinnen und Juden ergriffen und jedweder Theologie der Verachtung abgeschworen. Basis dafür sei die große Konzilserklärung „Nostra aetate“ aus dem Jahr 1965, an der auch Kardinal Franz König wesentlich mitgewirkt hat und die auch von den nachfolgenden Päpsten entschieden weiter beschritten und vertieft wurde und wird.
Dennoch: "Aber an Gedenktagen wie dem heutigen, ist es wichtig, uns immer wieder daran zu erinnern, was Christinnen und Christen unseren jüdischen Brüdern und Schwestern angetan haben! In diesem Gedenken ist auch Buße angesagt – und die Bitte an Gott, unsere Herzen zu berühren und uns zu stärken auf dem Weg der Umkehr: Hab Mitleid, Herr, mit deinem Volk und überlass dein Erbe nicht der Schande!", zitiert Abt Haidinger das Buch Joel 2,17. Diesen Hilfeschrei des Propheten müssen sich die Menschen zu eigen machen, sie dürfen ihn nicht verstummen lassen. Denn bei aller Erinnerung gehe es vor allem um Solidarität in der Gegenwart – und um gemeinsame Wege in eine gute Zukunft.
"Tagtäglich begegnen wir wieder Parolen und Worten des Hasses, die nicht nur gegen Juden, sondern gegen alle, die in der Minderheit sind, am Rand leben oder einfach „anders“ sind, ausgestoßen werden", weist der Ordensmann in seiner Ansprache hin. "Die Sprache des Hasses und die Wahl der Worte gegen diese Menschen gleichen einander frappant – Flüchtlinge, Asylwerber, Migranten – all das sind Schimpfwörter geworden für Mitbürgerinnen und Mitbürger, denen das Menschsein und die Menschenwürde zunehmend abgesprochen wird." Und er ruft zur Wachsamkeit auf: "Buße tun, zur Umkehr bereit sein heißt aber auch wachsam sein. Wir dürfen unsere Hände nicht in den Schoß legen im Gefühl trügerischer Sicherheit. Nie und nimmer dürfen wir uns auch abfinden mit den Verhältnissen, wie wir sie gerade gegenwärtig wieder wahrnehmen."
Sein Gedenken schließt Abt Christian Haidinger mit einem Zitat aus Nostra Aetate: "Da das Christen und Juden gemeinsame geistliche Erbe so reich ist, lasst uns die gegenseitige Kenntnis und Achtung fördern und vertiefen".
[rsonnleitner]