In der Fastenzeit geht es um „Ich will!“
Sr. Ancilla Betting freut sich auf die Fastenzeit, denn es gehe nicht um "Ich darf nicht", sondern um "Ich will". (c) ÖOK/msb Fotodownload
Die Fastenzeit ist für Sr. Ancilla Betting eine Zeit des Bejahens. „Ich freue mich jedes Jahr auf die Fastenzeit. Es ist für mich keine Zeit des Verzichtes. Es geht nicht um ‚Ich darf nicht‘, sondern um ‚Ich will‘. Eine bewusste Entscheidung FÜR etwas, statt GEGEN etwas.“ Fasten bedeutet für Sr. Ancilla nicht nur eine Abkehr von etwas, sondern immer auch eine Hinwendung zu etwas anderem.
„Ich selbst esse keine Marmelade in der Fastenzeit. Ich will das so!“, sagt sie mit einer Kraft in der Stimme, die diesen Willen unterstreicht, und sie ergänzt: „Die Fastenzeit ist eine sehr schöne Zeit, es ist die Vorbereitung auf Ostern, auf die Auferstehung Jesu.“
Abtei Marienkron – Gebetsstätte am Eisernen Vorhang
Äbtissin em. Sr. Ancilla Betting ist Priorin Administratorin der Zisterzienserinnern-Abtei Marienkron im Burgenland, in der Nähe der ungarischen Grenze. Der Ursprung des Gründungsauftrages liegt im Eisernen Vorhang: Marienkron als Gebetsstätte an der einst abgeriegelten Grenze. Nach der Öffnung der Grenzen hat sich das Kloster neu definiert. Heute gehört das bekannte Kurhaus Marienkron, das für seine ganzheitliche, allumfassende kurmedizinische Begleitung für Körper, Geist und Seele bekannt ist, zur Abtei. Sr. Ancilla Betting, ursprünglich aus Deutschland, sollte eigentlich für ein Jahr nach Marienkron kommen. Doch sie ist geblieben: Mittlerweile ist Sr. Ancilla seit zwölf Jahren dort. Aktuell leben 13 Schwestern in der Abtei – sie sind im Kurhaus eingebunden und präsent. Sr. Immaculata ist für die Gäste am Empfang da, eine weitere Schwester ist im Klosterladen zu sehen, Sr. Ancilla macht spirituelle Begleitungen, Impulse und steht den Gästen zur Verfügung. Das merken wir auch bei unserem Rundgang mit Sr. Ancilla durch das Kurhaus, sie wird angesprochen, man verabschiedet sich herzlich bei ihr, man dankt für die guten Gespräche.
Sr. Ancilla (li.) und Sr. Immaculata (re.) sind im Kurhaus präsent und ansprechbar. (c) ÖOK/msb Fotodownload
Beziehungen müssen gepflegt werden
Die Fastenzeit ist für Sr. Ancilla Betting eine Zeit, in der die Beziehung zu Gott ganz bewusst lebendig wird. Sie ist überzeugt: „Beziehungen müssen gepflegt werden, sonst erkalten sie in dem Vielen, was uns tagtäglich beschäftigt.“ „Und eines ist sicher“, zitiert Sr. Ancilla Betting den hl. Augustinus: „‘Die Sehnsucht Gottes ist der Mensch‘, er hat also Sehnsucht nach mir.“ Sie vergleicht die Beziehungspflege mit Gott mit der Beziehungspflege in einer Ehe oder Partnerschaft: „Wenn die Beziehung lebendig bleiben soll, muss man daran arbeiten und sie immer wieder ansehen. Wenn sie lebendig ist, habe ich keinen Druck etwas zu ändern, denn es ist stimmig.“
Freimachen von der Sch(m)utzschicht
„Lassen wir uns in diesen Tagen der Fastenzeit wieder neu berühren.“ Sie ist überzeugt: „Berührungen verändern. Ein Lächeln, eine Hand, eine Umarmung, gute Worte, ein Blick, Verständnis wandeln die Situation, prägen die Beziehung zu meinem Gegenüber neu. In diesen Tagen sind wir eingeladen, uns neu von Gott berühren zu lassen und ihm neu zu begegnen. Machen wir uns frei, frei von allem, was sich wie eine Sch(m)utzschicht auf uns gelegt hat, als Gewohnheit, als Abhängigkeit.“
"Die leere Schale meiner Sehnsucht soll in der Fastenzeit wieder aufgefüllt werden. Wenn die Schale wieder gefüllt ist, bin ich stark", rät Sr. Ancilla Betting. (c) ÖOK/rm Fotodownload
Die leere Schale meiner Sehnsucht wieder auffüllen
Es gehe laut Sr. Ancilla um Achtsamkeit für sich selbst und zu Gott, um eine bewusste Entscheidung für etwas, statt gegen etwas. Es gehe darum, sich frei zu machen. „Vor dir steht die leere Schale meiner Sehnsucht“, zitiert Sr. Ancilla Betting die hl. Gertrud von Helfta, „und diese Schale muss wieder aufgefüllt werden. Dazu muss ich mich fragen: Wonach habe ich Sehnsucht? Was suche ich?“.
„Wir geben im Alltag immer mehr und mehr, gönnen uns kaum Pausen und sind von Reizen überflutet“, erklärt Sr. Ancilla. „Unsere Schale, unser Becken ist leer, fast ausgekratzt. Wenn ich meine Schale aber mit der Liebe Gottes füllen, geht sie von selbst über. Wenn die Schale wieder gefüllt ist, wenn ich mir bewusst bin, dass ich mit Gott bin, dann bin ich stark.“
Nutzen wir also diese 40 Tage der Fastenzeit für uns, machen wir uns frei von allem, was uns belastet, seien wir achtsam zu uns selbst, pflegen wir die Beziehung zu Gott, zu uns selbst und zu anderen und freuen wir uns auf die Auferstehung Jesu Christi.
Fastenangebote der Orden
Viele Ordenshäuser in Österreich bieten als Vorbereitung auf das Osterfest Fasten- und Erholungswochen an. Die Begleitung durch Ordensleute und/oder Fastentrainer macht dieses Fasten intensiv erlebbar. Meditationen, spirituelle Impulse, Achtsamkeitsübungen und traditionelles Fastenwissen runden das Angebot ab. Hier ein Überblick: Ordensgemeinschaften laden zum Fasten ein
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[renate magerl]