Nachdem am Montag die Grundlagen von Diversität und Diskriminierung abgehandelt wurden, stand der Dienstag ganz im Zeichen der Praxis des Zusammenlebens: Beispiele aus dem schulischen Kontext zeigten den Teilnehmer*innen, wie religiöse Diversität in Schulen gelebt werden kann.
Die Teilnehmer*innen waren über Zoom zugeschalten. (c) Mayr
Wie gemeinsame Feiern gelingen: Peter Ebenbauer
Den Beginn machte Professor Peter Ebenbauer von der Katholisch-Theologischen Universität Graz, der in seinem Vortrag über gemeinsame Feiern in der Schule sprach. Unterschiedliche Konfessionen in den Schulen laden dazu ein, auch gemeinsame Feiern durchzuführen. Das ist jedoch nicht immer einfach und es gelte, gute Rahmenbedingen für die Teilnehmer*innen als auch Organisator*innen zu finden. Von selbst verstehen muss sich, dass rechtliche Vorgaben eingehalten werden, ebenfalls unerlässlich sieht er das aktive Wollen und die Beteiligung der Schulleitungen an den Vorbereitungen.
Ob und wie Feiern abgehalten werden können, hängt auch von den Religionslehrer*innen der unterschiedlichen Konfessionen ab. „Wie diese zueinanderstehen, spiegelt sich auch in der Feier wider“, gibt Ebenbauer zu bedenken.
Er rät davon ab, auf Biegen und Brechen gemeinsame Feiern durchführen zu wollen, es gelte immer auf aktuelle Ressourcen zu schauen. „Es kann und darf auch ein Entwicklungsprozess sein.“
„Zusammenleben gelingt dann, wenn in der Unterschiedlichkeit ein Weg gefunden wird, um zusammenwachsen können. Dazu können gemeinsame Schulfeiern viel beitragen“, ist der Experte überzeugt.
Den Redner*innen aus dem Schulzentrum Friesgasse wurden im Anschluss als Dank Blumen überreicht. (c) Mayr
Willkommen in der Vielfalt: Schulzentrum Friesgasse
Die nächsten Gastrednerinnen waren aus dem Schulzentrum Friesgasse angereist: Leiterin Mag.a Maria Schelkshorn, Mag.a Barbara König und Sr. Dr. Karin Kuttner.
Das Schulzentrum Friesgasse gilt als eine der Vorreiterschulen hinsichtlich des Umgangs mit Diversität. Sr. Karin Kuttner sieht den Bildungsauftrag ganz klar im Dialog, im Brücken zu bauen zwischen verschiedenen Kulturen und Religionen. Maria Schelkshorn: „Die Vielfalt der Religionen, Kulturen und Sprachen wird stets als Reichtum, nicht als Nachteil gesehen.“
Gemeinsames Leben, Lernen und Feiern
Eine Besonderheit ist der Gebetsraum für Muslime, aber auch die Schulkapelle ist so gestaltet, dass sich auch andere Konfessionen zuhause fühlen und nützen können. Gemeinsame, multireligiöse Feiern, wie zum Schulbeginn oder -schluss gehören zum Schulalltag. „Es ist auch üblich, dass katholische Christen den Weihnachts– oder Ostergottesdienst für orthodoxe besuchen und umgekehrt“, so Schelkshorn.
Die Schüler*innenzahlen sprechen dafür, dass das Konzept der Schule aufgeht: „Zurzeit gibt es dort 40 Sprachen und über 20 Religionen und Konfessionen. Bei mehr als 60 Prozent der 1400 Schüler*innen ist Deutsch erst die Zweit- oder Drittsprache“, erzählt Schelkshorn nicht ohne Stolz.
„Seid ihr noch katholisch?“
Ob dieser Diversität hört Sr. Karin Kuttner immer wieder die Frage, ob denn die Schule noch katholisch sei. Das Ergebnis war, dass das die Schwestern nur in der Positionierung einer allen offenstehende Schule gestärkt wurde: „Wir stellen uns zuerst die Frage, ob uns die Kinder brauchen, nicht ob die Eltern einen katholischen Eheschein haben.“ Und: „Es heißt nicht, obwohl wir eine katholische Privatschule sind, gibt es in der Friesgasse so viele Religionen und Kulturen, sondern gerade, weil wir katholisch sind.“ Katholisch heißt automatisch divers, darauf hatte schon Prof. Jäggle am Vortag hingewiesen.
„Wir sehen unseren Auftrag heute darin, die Schule zum Übungsfeld eines gelingenden Zusammenlebens mit verschiedenen Religionen zu machen, damit die Schüler zu dialogfähigen Menschen werden“, schließt Maria Schelkshorn ihren Vortrag.
Ermöglicht interreligiösen Austausch zwischen Juden_Jüdinnen, Muslimen_Musliminnen, Christen_Christinnnen abseits der Universität, das Café Abraham.
Trialog-Projekt: „Café Abraham“
Im Anschluss daran stellten Elisabeth Wanek, eine ehemalige AHS-Schülerin der Friesgasse, Amina Hasambasic und Hadassah Katharina Wendl das 2017 von Studierenden der verschiedenen Religionen gegründete Projekt Café Abraham vor. Bereits zweimal wurde das Projekt mit dem Kardinal-König-Förderpreis ausgezeichnet.
Das Café gibt eine Möglichkeit zum interreligiösen Austausch zwischen "Juden_Jüdinnen, Muslimen_Musliminnen, Christen_Christinnnen abseits der Universität".
Scriptural Reasoning
Ein wichtiger Meilenstein für das Café war ein Workshop der Uni Wien zu „Scriptural Reasoning“, das interreligiösen Trialog fördert. Im „Scriptural Reasoning“ liegt der Fokus beim Lesen der Schriften Tanach, Qur’an und dem Neuen Testament.
Gemeinsam trifft man sich einmal im Monat, um aus allen drei Büchern kurze Ausschnitte – am besten in Originalsprache –zu einem bestimmten Thema zu lesen. „Ziel ist, nicht nur mehr über den eigenen Text zu lernen, sondern auch über die der anderen und dadurch die Menschen kennenzulernen, die diese Religion ausüben“, fasst es Hadassah Wendl zusammen.
Interreligiöses Semester
Weitere Veranstaltungen des Café Abraham sind unter anderem interreligiöse Filmabende, Exkursionen oder Workshops. Neu war das Interreligiöse Semester, das letztes Semester zum ersten Mal abgehalten wurde. „Es war eine tolle Erfahrung, auch wenn Corona so manche Änderung mit sich brachte“, erzählte Amina Hasambasic.
Das Semester wurde nach den drei Religionen aufgeteilt, wobei Hauptmethode das „Scriptural Reasoning“ blieb. Besucht wurde eine Moschee, alle anderen geplanten Exkursionen mussten Corona-bedingt verschoben bzw. in den digitalen Raum verlagert werden, wie Gespräche mit einem Rabbi und einer evangelischen Pfarrerin.
[elisabeth mayr]