Welttag der Menschenrechte: Ordensfrau schlägt Alarm
Sr. Anna Mayrhofer: „Statt des versprochenen Jobs als Kellnerin oder Zimmermädchen werden Frauen von skrupellosen Menschenhändlern gewaltsam in Bordelle verschleppt.“ (c) Hope for the future/Daniil Kim
Das Themenfeld der 19 NGOs, die sich 2015 zur Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel zusammengeschlossen haben, ist so vielfältig wie düster. Ob Menschenhandel, Ausbeutung, psychische und physische Gewalt oder Zwangsprostitution: So gut wie immer sind es verängstigte Menschen in Notsituationen, um die sich die beherzten Mitgliedsorganisationen der Plattform kümmern. Eine dieser Organisationen ist der 2010 von sechs österreichischen Frauenorden gegründete Verein SOLWODI Österreich, der von Sr. Anna Mayrhofer geleitet wird. Die Hilfsorganisation engagiert sich vor allem für Frauen, die in ihren Heimatländern oder in Europa in eine große Notlage bis hin zur Prostitution geraten sind.
Menschenhandel mitten in Österreich
Die Gründe, warum Frauen Opfer von Menschenhandel werden, sind vielfältig und lassen sich mit dem Satz ‚Armut macht ausbeutbar‘ zusammenfassen, brachte es Sr. Anna auf den Punkt. Die Frauen wollen der Armut in ihren Heimatländern oder einer dysfunktionalen Familie entfliehen; doch statt des versprochenen Jobs als Kellnerin oder Zimmermädchen erwarteten sie hier skrupellose Menschenhändler, die sie gewaltsam in Bordelle verschleppten. Für viele ist es auch die Verantwortung für den Lebensunterhalt der Familien und der Kinder, die oft bei Verwandten im Heimatland zurückgelassen werden. Flucht ist, ohne Papiere und ohne Geld, in den meisten Fällen unmöglich. Die Täter kommen oft aus der eigenen Familie, sind Nachbarn oder Freunde, die sie mit falschen Versprechungen oder mit Drohungen gefügig machen.
SOLWODI Österreich wurde von sechs Ordensgemeinschaften gegründet und sieht sich als Anlaufstelle für Frauen, die von Gewalt, Menschenhandel oder Not betroffen sind. (c) ÖOK/ml
Die couragierte Ordensfrau berichtete weiters davon, dass die meisten Frauen schwer traumatisiert sind, wenn sie im SOLWODI-Schutzhaus Aufnahme finden. „Die Frauen leiden unter psychischen Folgen, zum Beispiel posttraumatischen Belastungsstörungen, haben Angst, Schlaf- und depressive Störungen“, so die Ordensfrau. Viele Frauen würden unter Panikattacken und Schlafstörungen leiden und müssten daher regelmäßig Medikamente einnehmen. So gut wie alle hätten darüber hinaus Angst, vor der Polizei gegen ihre Peiniger auszusagen – das sei jedoch Voraussetzung, um vom Staat als Opfer von Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung anerkannt zu werden und dadurch Zugang zu staatlicher Unterstützung zu erhalten. Sr. Mayrhofer sprach damit ein Problem an, das unisono von allen Mitgliedsorganisationen kritisiert wird.
Opferrechte in Theorie und Praxis
Der Zugang zu allen grundlegenden Opferrechten, zu denen sich Österreich im Rahmen der Europaratskonvention verpflichtet hat, setze die „offizielle“ Identifizierung von Opfern voraus, schlug Dr. Katharina Beclin, Koordinatorin und Sprecherin der Plattform, in die gleiche Kerbe. Dies sei in Österreich derzeit immer noch grundsätzlich der Polizei vorbehalten und setze daher in der Regel eine Anzeige bzw. Aussage der Betroffenen bei der Polizei voraus. Da die meisten Opfer – zumindest anfangs – psychisch nicht dazu in der Lage seien, bleibe ihnen der an eine Verfahrensbeteiligung geknüpfte Zugang zum Aufenthaltsrecht und damit zu vielen ihnen aufgrund internationaler Konventionen zustehenden Rechten verwehrt.
Das führt in der Praxis immer wieder zu Härtefällen und Problemen. Das Aufenthaltsrecht sei nämlich Voraussetzung für eine Arbeitserlaubnis, mit der wiederum die Krankenversicherung und der Anspruch auf Sozialleistungen verknüpft sind, so Beclin. Betroffene würden daher oft Scheinselbstständigkeit oder Prostitution als letzten Ausweg sehen – was ihre Situation weiter verschlimmert.
Beclin kritisierte bei der Pressekonferenz zudem, dass Menschenhandel und Ausbeutung von der Öffentlichkeit immer noch kaum wahrgenommen oder schlichtweg verdrängt würden.
Viele der von SOLWODI betreuten Frauen leider unter posttraumatischen Belastungsstörungen und haben Angst, Schlaf- und depressive Störungen. (c) Jakayla Toney auf Unsplash
Beherzte Kooperation der Hilfsorganisationen
Wenn es darum geht, Betroffene zu unterstützen und Lösungen zu finden, greifen sich die Mitgliedsorganisationen der Plattform unbürokratisch gegenseitig unter die Arme. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation von SOLWODI mit dem Verein „Hope fort he future“. Dieser großteils spendenfinanzierte Verein begleitet Personen, die von Menschenhandel oder Ausbeutung betroffen sind, oder aus der Prostitution aussteigen wollen, auf dem Weg zu einem beruflichen Neuanfang und bietet ihnen u.a. niederschwellig gestaltete Arbeitstrainings oder Deutschkurse an. Davon haben auch schon einige von SOLWODI betreute Frauen profitiert.
Auswege aus der Zwangsprostitution
Schulter an Schulter gegen Prostitution kämpft Sr. Anna Mayrhofer auch mit Sabine Kallauch, die den Verein „KAVOD“ leitet. Das aus dem Hebräischen kommende Wort Kavod bedeutet Würde – und genau darum geht es der christlich orientierten Hilfsorganisation. Sabine Kallauch möchte den Frauen, die großteils unfreiwillig „auf den Strich gehen“, respektvoll begegnen und ihnen Hoffnung für einen Ausstieg in ein Leben mit realen Perspektiven geben. Dafür schlägt sie sich gemeinsam mit ihrem Mann die Nächte um die Ohren, wenn sie gemeinsam auf dem Straßenstrich unterwegs sind oder Bordelle aufsuchen, um mit Prostituierten zu sprechen.
Verzweifelter Spendenaufruf, um weiter helfen zu können
Die von den vier Vertreterinnen geschilderten Fallbeispiele führten eindrucksvoll vor Augen, wie aufwendig die umfassende Unterstützung von Betroffenen sein kann und wie wichtig die Mitgliedsorganisationen der Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel sind. Viele davon kämpfen jedoch angesichts der massiven Teuerung und dem gleichzeitigen Rückgang von Spenden mit gravierenden finanziellen Problemen. „Wenn nicht rasch der Staat finanzielle Unterstützung bietet oder Sponsoren gefunden werden, stehen diese Leistungen vor dem Aus“, schlägt Katharina Beclin stellvertretend für alle Alarm. Ihr eindringlicher Appell und ihre händeringende Bitte: „Vielleicht ist Weihnachten ja der passende Zeitpunkt, um Menschen, die es dringendst brauchen, ein Stück Zukunft zu schenken!“
Spenden können unkompliziert über die Website der Plattform getätigt werden.
Bei der Pressekonferenz informierten vier Vertreterinnen der „Plattform gegen Ausbeutung und Menschenhandel“ über aktuelle Probleme und Herausforderungen. (c) ÖOK/ml