Sr. Maria Schlackl: „Stummen Schrei“ der Opfer des Kinderhandels hören
Die Salvatorianerin Sr. Maria Schlackl setzt sich gegen Menschenhandel, sexuelle Gewalt und Ausbeutung ein. (c) Salvatorianerinnen
„Es ist wichtig, dass wir den stummen Schrei der Betroffenen hören und darauf reagieren. Menschen- und Kinderhandel ist moderne Sklaverei und gehört zu den massivsten Menschenrechtsverletzungen überhaupt“, erklärte die Ordensfrau. Auf das Thema Kinderhandel hatte zuletzt der US-Kinofilm „Sound of Freedom“ hingewiesen, der derzeit noch in einigen österreichischen Kinos zu sehen ist. 49 Millionen Menschen - darunter zwei Millionen Minderjährige - sind laut Schätzungen weltweit von Menschenhandel betroffen, wobei dieser illegale Industriezweig in den USA mit 150 Milliarden US-Dollar Jahresertrag der zweitprofitabelste nach dem Drogenhandel ist und als solcher den Waffenhandel bereits in den Schatten gestellt hat. Weltweit sind derzeit mehr Personen versklavt als zur Zeit der Hochblüte der Sklaverei Mitte des 19. Jahrhunderts, erfährt das Publikum im Abspann des Films.
„Den Film hätte man auch in Österreich drehen können - denn auch bei uns findet Kinderhandel statt und nimmt weiter zu“, mahnte die Salvatorianerin. Durch die Flüchtlingskrise seit 2015, erst recht aber seit Beginn des Ukraine-Kriegs seien auch hierzulande Tausende Kinder einfach verschwunden, wobei über deren Schicksal nicht einmal die Kriminalpolizei und Interpol Bescheid wüssten. „Man kann nur hoffen, dass manche zu ihren Eltern gefunden haben. Der Verdacht ist jedoch groß, dass die Notlage vieler Kinder von Kriminellen ausgenutzt wird“, erklärte die Ordensfrau. Minderjährige würden wie andere Opfer des Menschenhandels sexuell ausgebeutet oder in Arbeitsausbeutung, Bettelei, Begehung von Straftaten oder Zwangsheirat gezwungen.
„Solwodi“ hilft beim Ausstieg aus Menschenhandel und Zwangsprostitution
Der von Ordensfrauen getragene Verein „Solwodi“ kämpft darum, Opfern beim Ausstieg aus Menschenhandel und Zwangsprostitution zu helfen, etwa durch Beratungsgespräche, Schutzwohnungen und Weitervermittlung. Die Tätigkeit gilt aufgrund des Milieus, in dem gearbeitet wird, als gefährlich. Direkt mit betroffenen Kindern hatte Schlackl bislang nicht zu tun, wohl aber mit Frauen, die schon vor Erreichen ihrer Volljährigkeit in die Zwangslage kamen. Niemand, der bei Solwodi Schutz sucht, habe sich die Tätigkeit freiwillig ausgesucht, so die Erfahrung der Salvatorianerin. „Alle haben einen Leidensweg von Lüge, Täuschung, Gewalt, Schmerz, Ohnmacht und völliger Abhängigkeit hinter sich.“
Der von Ordensfrauen getragene Verein „Solwodi“ will Opfern beim Ausstieg aus Menschenhandel und Zwangsprostitution helfen. (c) Salvatorianerinnen
Den auf Betroffenen lastenden Druck beschrieb Sr. Schlackl als unvorstellbar groß: „Viele wollen auf der Stelle weg, da sie es nicht mehr aushalten, mit bis zu zehn Männern pro Tag schlafen zu müssen.“ Dennoch würden es die meisten nicht schaffen, andere um Hilfe zu bitten, und sei es nur über eine Kurznachricht. „Die meisten sind verschüchtert, traumatisiert, rund um die Uhr überwacht und stehen ganz unter der Macht der Zuhälter. Somit weinen sie nur innerlich und bluten dabei aus", schilderte die Aktivistin. Manche Zuhälter gingen sogar so weit, ihre Namen oder Zeichen den Opfern auf die Haut zu tätowieren - als Besitzzeichen, wie es sonst bei Kühen gebräuchlich ist. Andere in der Prostitution tätigen Frauen würden von eigenen Familienmitgliedern ausgebeutet.
Markt wird immer größer
Eine Verbesserung der Situation im Sinne der Opfer sei auf vielen Ebenen zugleich vonnöten, so die Überzeugung Sr. Schlackls. Zumal der Markt für gekauften Sex immer größer und gesellschaftsfähiger werde – „teils werben Bordelle ganz offen um Maturafeiern oder Junggesellenabende“ – sei ein Bewusstseinswandel unumgänglich. „Keiner der Freier fragt sich, unter welchen Bedingungen und Zwangssituationen die Frauen in den Laufhäusern ihre Arbeit verrichten. Sexkauf ist Übergriffigkeit, nicht Liebe“, sagte die Ordensfrau. Doch auch die Nutzer einschlägiger Porno-Plattformen, die oft Zugriffe in Millionenhöhe hätten, müssten sich unangenehme Tatsachen vor Augen halten lassen, nämlich: „Jedem Kinderporno liegt Kindesmissbrauch zugrunde.“
Auch Bewusstseinsbildung und frühzeitige Prävention seien vonnöten - Anliegen, welche Sr. Schlackl und ihre Kolleginnen bei Solwodi mit Workshops an Schulen und Pfarren über Geschlechtergerechtigkeit, Beziehungen und die Würde der Frau verfolgen. Die Ordensfrau fordert zudem höhere Achtsamkeit: Wenn sich in irgendeiner Weise mögliche Betroffene äußern, dürfe das Thema nie auf die leichte Schulter genommen werden.
Schließlich wünscht sich die mit viel Gerechtigkeitssinn ausgestattete Ordensfrau auch eine „proaktivere Polizei“ und bessere Gesetze. „Zwar gibt es viele internationale Rechtsinstrumente, etwa in der EU das Kontrollorgan ‚Greta‘ oder auf nationaler Ebene seit fast 20 Jahren die Task Force zur Bekämpfung des Menschenhandels. Dennoch frage ich mich oft: Geschieht damit wirklich schon genug?“, stellte Sr. Schlackl in den Raum.
Quelle: kathpress