P. Jörg Alt: Kampf gegen Klimawandel braucht „radikale Wege“
P. Jörg Alt (links) unterstützt die Aktionen der Letzten Generation als Teilnehmer. (c) ÖOK/rs
Im Hinblick auf die Pariser Klimakonferenz verwies Franziskus damals auf die Notwendigkeit neuer Formen des Dialogs, an denen alle von der Klimakrise Betroffenen teilnehmen und mitarbeiten müssten. Diesem Anspruch folgend war eine zentrale Frage des Abends: An welchen Hebeln müssen Politik, Wirtschaft, Religionsgemeinschaften, Zivilgesellschaften und jede und jeder Einzelne ansetzen, um die Folgen des Klimawandels einzudämmen? Die Veranstaltung stand im Kontext einer Seminarreihe zum Thema Klimagerechtigkeit, die die Donau Universität Krems in Kooperation mit dem Kardinal König Haus anbietet.
P. Alt zeigte sich bei der Podiumsdiskussion vom Hauptverantwortlichen bzw. Hauptschuldigen für die Klimakatastrophe überzeugt: „Der neoliberale Kapitalismus lebt vom Wachstum und unbegrenztes Wachstum ist in einer begrenzten Welt nicht möglich.“ Die wichtigste Stellschraube, um das bestehende System zu verändern, wären nicht Diskussionen über „andere Formen des Wirtschaftens, grünes Wachstum oder Energieeffizienz“, so der Jesuitenpater, der unter anderem im Zentrum für Sozial-Ökologische Transformation „Ukama“ tätig ist. Viel wichtiger sei es, die „falschen Verheißungen des Glücks“ zu hinterfragen, die der neoliberale Kapitalismus den Menschen vermittle. Mehr Zeit für Freunde und Familie, Gesundheit und die Genügsamkeit, nicht Besitz oder „auf die Malediven fliegen zu müssen, bevor sie untergehen“, brächten den Menschen mehr Lebensqualität. Es sei die „Kernkompetenz der Kirche“, die Leute daran zu erinnern, was sie wirklich glücklich mache. „Um diese Denkpause zu erzwingen, klebe ich mich auf die Straße“, fügte P. Alt hinzu.
Alt forderte Widerstand
Regierungen und die Wirtschaft würden aber weitaus größere Veränderungen im Kampf gegen die Klimakrise anstoßen können als individuelle Bemühungen. „Ich habe Petitionen, Appelle, Vorträge und Demonstrationen organisiert und musste immer wieder feststellen, das bringt nichts“, so Alt. Er habe sich darum entschieden, „radikalere Wege“ zu gehen. „Wir müssen dem System des neoliberalen Kapitalismus Widerstand entgegensetzen“, forderte der Klimaaktivist. Dazu brauche es Handlungen, „die dem Ernst der Lage deutlich angemessener“ seien als die „internationale Nabelschau“ bei Weltklimakonferenzen.
Die Letzte Generation sei „die einzige Aktion“, die „unignorierbar“, „nervig“ und „lästig“ sei und das Thema „am Kochen halte“, sagte Alt, der deren Aktionen auch als Teilnehmer unterstützt. Um sein Handeln theologisch zu fundieren und nicht als „freidrehendes Radikal“ verstanden zu werden, erklärte er, in der Tradition des biblischen Prophetismus zu stehen: „Auch die Propheten haben gemeckert, blockiert und genervt und auch Jesus hat Gesetze gebrochen, um Menschen zu heilen. Das Wohl der Menschen war für Jesus immer wichtiger als moralische Gesetze und Normen.“
Wirtschaftsvertreterin lobte Klimakonferenzen
Christiane Brunner vom Verbund war als Wirtschaftsvertreterin zur Diskussion geladen. Sie vertrat eine gänzlich andere Meinung zur Wirkkraft der Klimakonferenzen. Die vergangene Weltkonferenz in Dubai habe „ein gutes, wenn auch kein perfektes Ergebnis“ gebracht. Und das, „obwohl es in einem Erdöl produzierenden Land stattgefunden hat“, so Brunner. Die frühere Klima- und Energie-Sprecherin der Grünen und Vorstandsmitglied der CEOs For Future bezeichnete die Klimakonferenzen „als Ort, an dem die Welt zusammenkommt, um gemeinsam an einem Problem und Lösungen zu arbeiten“. Einstimmige Beschlüsse zum Klimaschutz, wie sie dort zwischen Ländern aus dem Globalen Süden und Erdöl produzierenden Ländern getroffen werden, fänden sich im österreichischen Parlament nicht. „Gerade in Fragen der Klimagerechtigkeit“ hätten die Klimakonferenzen eine „wichtige Funktion“, so Brunner. Sie verwies etwa auf die 2023 eingerichteten Fonds für Schäden und Verluste durch den Klimawandel.
Kritik an Klimakonferenzen
Der Wirtschaftsgeograf und Professor an der Universität Salzburg, Christian Zeller, bewertete die Klimakonferenz in Dubai, ähnlich wie Alt, als „absolutes Desaster“. Diese hätte „den Backlash der fossilen Industrien zum Ausdruck gebracht“. Zeller verwies darauf, dass die Investitionen in Öl und Gas sowie die Profite der großen Konzerne in den letzten beiden Jahren massiv zugenommen hätten. Er sprach aber auch die „unlösbaren Widerstände“ an, die mit dem Umbau von Energiesystemen einhergehen würden: „Eine profitgetriebene Ökonomie und ein einigermaßen nachhaltiger Umgang mit dem Erdsystem und der Natur sind unvereinbar.“ Der Ausstieg aus der fossilen Energie würde eine Entwertung des Kapitals für Öl-, Kohle- und Gaskonzerne bedeuten, was diese nicht akzeptieren. Zudem sei der Umstieg auf erneuerbare Energieträger ressourcenintensiver als fossile Energieträger.
Auch auf eine Möglichkeit, sich gegen die „sich häufenden Krisen“ und die aktuelle „Rette-sich-wer-kann-Tendenz“ zu wehren, kam Zeller zu sprechen: Die Menschen müssten an die „Macht“ ihres individuellen und kollektiven Handelns erinnert werden, wie sie sie beispielsweise auf Demos und Straßenblockaden erleben können.
„Climate Quitting“ in der Arbeitswelt
Die Unternehmensberaterin Irmgard Prosinger sprach unter anderem über das Phänomen des „Climate Quitting“, das in der Arbeitswelt als Hebel für kulturelle Innovation dienen könnte. Mitarbeiter:innen würden ein Unternehmen verlassen, wenn es sich als „Umweltsünder“ darstelle. Das bringe Unternehmen unter Druck, „sich in Bezug auf Nachhaltigkeit gut aufzustellen, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein“, so Prosinger.
Ilona Otto, Professorin für Gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center an der Universität Graz, stellte eine positive Aussicht in den Raum. Die Klimaforscherin zitierte aus empirischen Studien und Verhaltensforschungen, nach denen normative Veränderungen schon von kleinen Minderheiten bewirkt werden können. Schon 20 bis 30 Prozent einer Gruppe, die sich für ein Anliegen einsetzen, könnten den Rest der Gruppe überzeugen oder zum Mitmachen anregen. Und: Krisen könnten auch zu „windows of opportunity“ werden, wie die Coronakrise gezeigt habe.
Quelle: kathpress