„Mich hat diese Lebensform zu einer größeren inneren und äußeren Freiheit geführt.“
„Mein Leben hat die richtige Orientierung bekommen.“ Sr. Christine Blätterbinder, Ordensfrau aus Überzeugung (c) Steyler Missionsschwestern
Tag des geweihten Lebens
Rund um den Globus feiern Ordensleute den 2. Februar, das Fest der Darstellung des Herrn, als Tag des geweihten Lebens. Auch in Österreich finden in vielen Diözesen Feierlichkeiten rund um diesen Tag statt. Der 1997 von Papst Johannes Paul II. eingeführte Tag will die Wertschätzung von Orden und anderen Gemeinschaften geistlichen Lebens fördern. Das Medienbüro der Ordensgemeinschaften Österreich hat diesen Tag zum Anlass genommen, um mit Sr. Christina Blätterbinder SSpS über die von ihr gewählte Lebensform zu sprechen. Sr. Christina ist Steyler Missionsschwester, hat im September 2023 ihre Ewige Profess abgelegt und ist vor kurzem zu einem mehrjährigen Einsatz nach Kuba aufgebrochen.
Sr. Christina, wie geht es Ihnen heute – ein halbes Jahr nach der Ewigen Profess – mit Ihrer Entscheidung? Fühlen Sie sich nach wie vor glücklich damit? Oder gab es auch Momente, in denen Sie an der Richtigkeit Ihrer Entscheidung gezweifelt haben?
Sr. Christina Blätterbinder: Meine Ewige Profess am 16. September 2023 in unserem Provinzhaus in Stockerau war ein sehr schönes, berührendes und stimmiges Erlebnis für mich. Seit meinem Eintritt bei den Dienerinnen des Heiligen Geistes (Steyler Missionsschwestern) bin ich einen persönlichen Weg gegangen, für den ich an diesem Tag große Dankbarkeit verspürt habe. Eine große Dankbarkeit hat mich auch erfüllt für alle Menschen, die mich in diesen Jahren begleitet haben. Dieses endgültig ausgesprochene JA zu Gott und meiner Gemeinschaft schenkt mir trotz mancher Herausforderungen des Alltags Zufriedenheit und eine innere Ruhe, die mich glücklich machen. Mein Leben hat die richtige Orientierung bekommen. Und trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, kommt mir angesichts der momentanen Weltlage mit Kriegen und dem drohenden Klimakollaps auch öfter ein Wiener Lied von Alexander Bico und Karl Kratzl mit dem Titel „Des Glück is a Vogerl“ in den Sinn. Glück kann sich schnell verflüchtigen und ist für Menschen in vielen Teilen der Welt ein gefährdetes Gut. Daher ist es für mich als Mitglied einer international tätigen Missionsgemeinschaft wichtig, nicht nachzulassen und immer wieder aus dem Glauben heraus zu versuchen, diese Welt zu einem Ort des guten Lebens für alle Menschen und die Schöpfung zu machen, weil Gott das Leiden seines Volkes gesehen und seine Klagen gehört hat (vgl. Ex 3,7). Ein Ausspruch unseres Ordensgründers, des Hl. Arnold Janssen, ist für mich eine Orientierungshilfe, wenn ich in Gefahr komme, zu glauben, alles selber machen und schaffen zu müssen: „Wenn wir alles tun, was in unserer Macht steht, dann tut Gott das Übrige.“
Wie schaffen Sie es, die drei Gelübde Keuschheit, Armut und Gehorsam in Ihr Leben zu integrieren? Fehlt Ihnen nichts? Regt sich von Zeit zu Zeit innerer Widerstand dagegen? Wenn ja: Wie gehen Sie damit um?
Sr. Christina: Ich glaube, dass es in keiner Lebensform, weder im Ordensleben noch in einer Partnerschaft oder als Single, möglich und gut ist, alles zu haben und alles zu tun. Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit, Grenzen einzuhalten und in schwierigen Zeiten und trotz mancher Widerstände zu dem zu stehen, was mir wichtig ist, gehören dazu. In den Gelübden zu leben, fordert heraus, schenkt mir aber auch sehr viel Sinn. Für mich bedeutet Armut einen einfachen, möglichst ressourcenbewussten Lebensstil zu führen. Unter Keuschheit verstehe ich, ein Netz an weltweiten Beziehungen zu haben, ohne einen Menschen an mich zu binden. Der Gehorsam ist für mich die Einladung, beständig darauf zu hören, wohin mich Gott ruft.
Ein Leben in diesen Gelübden engt mich keineswegs ein, wie es sich viele Menschen in meinem näheren Umfeld oft vorstellen. Mich hat diese Lebensform zu einer größeren inneren und äußeren Freiheit geführt, die ich nicht mehr missen möchte.
Gibt es die Angst, später einmal draufzukommen, etwas verpasst zu haben, zum Beispiel eine eigene Familie?
Sr. Christina: Nein, Angst habe ich in dieser Sicht keine. Das Leben lehrt uns, dass nicht immer alles möglich ist. Gleichzeitig erfahren wir, dass uns vieles nicht wirklich befriedigt. Ich glaube, jede Entscheidung, die man im Leben getroffen hat, lässt einige Türen zugehen, öffnet aber gleichzeitig auch neue. Ein Buchtitel von Dorothee Sölle drückt meine Überzeugung aus: „Es muss doch mehr als alles geben“. Ich möchte in meinem Leben jeden Tag lernen, diesem „mehr“, diesem Gott besser auf die Spur zu kommen. Und ich danke Gott, dass er sich immer wieder von mir finden lässt, in jeder Begegnung mit Menschen und in der Schöpfung.
Next stop Kuba: Sr. Christina Blätterbinder mit ihrer Provinzoberin Sr. Hemma Jaschke nach der Ewigen Profess im September 2023. (c) Steyler Missionsschwestern
Ist diese strenge Form des Ordenslebens, die Sie gewählt haben, noch zeitgemäß oder wären nicht auch weniger radikale Formen des Ordenslebens denkbar, mit denen sich mehr Menschen anfreunden könnten?
Sr. Christina: Ich empfinde die strenge Form des Ordenslebens in den Gelübden immer noch zeitgemäß. Wegen der großen Veränderungen in der Gesellschaft braucht es vonseiten der Ordensgemeinschaften auch die Fähigkeit zur Reflexion über zeitgemäßes Ordensleben, Anpassungen in der Ordensausbildung und im konkreten Lebensalltag der Mitglieder. Deshalb wird bei uns beispielsweise viel Wert auf die persönliche Verantwortung, die Sorge füreinander und das Gespräch in der Gemeinschaft gelegt.
Unsere Steyler Freiwilligendienste „Missionar:in auf Zeit (MaZ)“ und „Mission Beyond Borders (MBB - Arbeit mit geflüchteten Menschen an den Rändern Europas)“ sind ein Beispiel für weniger radikale, zeitbegrenzte Formen des Mitlebens. Dabei können junge Menschen zwischen drei und zwölf Monaten mit Steyler Missionsschwestern und Missionaren leben und an unserer Sendung teilhaben.
Ich bin überzeugt, dass das Ordensleben der Zukunft Vielfalt braucht, um weiterhin zeitgemäß zu bleiben: zeitlich begrenzte und lockere Anknüpfungspunkte an Ordensgemeinschaften, aber auch das radikale, an die Wurzel gehende „sich ganz Geben“ in den Gelübden.
Haben Sie Gedanken oder Ideen, ob bzw. wie sich die Zahl der Berufungen erhöhen ließe? Können Ordensgemeinschaften aktiv etwas dafür tun oder ist es eine Gnade von oben, die sich nicht beeinflussen lässt?
Sr. Christina: Das Freiwillige Ordensjahr ist eine gute Möglichkeit, dass sich Gemeinschaften öffnen, Gastfreundschaft leben und eventuell Interessierte dieses Leben von innen kennenlernen können. Menschen kommen oft mit einer sehr guten Ausbildung, sehnen sich nach authentischer Gemeinschaft, in der sie ihren Glauben leben können. Wenn Ordensgemeinschaften solche Gemeinschaften anbieten können, in denen Herausforderungen angesprochen und Konflikte mit der nötigen menschlichen Reife ausgetragen werden, wird es auch weiterhin Eintritte geben.
Mit welchen Gefühlen brechen Sie nach Kuba auf? Fällt es Ihnen leicht, die Heimat, Ihre Familie und Ihre Freunde zurückzulassen? Was wollen Sie dort bewirken?
Sr. Christina: Ich bin im Moment aufgeregt, erwartungsvoll, hoffnungsvoll und auch ein bisschen nervös, weil ich nicht genau weiß, was auf mich zukommt. Familie, Freunde und Freundinnen und die Heimat zurückzulassen, fällt natürlich nicht leicht. Aber als Missionarin habe ich Mut, neue Erfahrungen zu machen und daraus zu lernen, bekannte Wege zu verlassen und mich auf Neues einzulassen. So möchte ich offen sein für alles, was kommt, und bitte ums Gebet für mich und die Menschen in Kuba. Danke!
Das Interview mit Sr. Christina Blätterbinder haben wir am Tag vor ihrer Abreise nach Kuba geführt. Inzwischen ist sie gut dort angekommen.
Feierlichkeiten zum Tag des geweihten Lebens 2024
Die regionalen Diözesankonferenzen der Männer- und Frauenorden laden zum Mitfeiern und Mitbeten bei speziellen Gottesdiensten, Gebetszeiten und anderen Veranstaltungen ein. Hier eine Übersicht der wichtigsten Termine:
Erzdiözese Wien: Do, 1. Februar 2024, 16.00 Uhr Stephansdom, Pontifikalvesper im Stephansdom mit Kardinal Christoph Schönborn; anschließend Ehrung der Jubilarinnen und Jubilare. Der Wiener Erzbischof ist seit seinem Eintritt in den Dominikanerorden im Jahr 1963 selbst Ordensmann. Im Rahmen der Vesper werden die Jubilarinnen und Jubilare sowie alle anwesenden Mitglieder aus den Ordensgemeinschaften und Säkularinstituten ihre persönlichen Gelübde an Gott erneuern.
Die Vesper wird live auf der Youtube-Seite der Erzdiözese Wien gestreamt (zum Stream)
Diözese Eisenstadt: So, 4. Februar 2024, 15.00 Uhr, Provinzhaus der Erlöserschwestern, Kirchengasse, 7000 Eisenstadt; Pontifikalvesper mit Diözesanbischof Ägidius Zsifkovics, anschließend Akademie und Ehrung der Jubilarinnen und Jubilare des Jahres, Agape
Diözese St. Pölten: Fr, 2. Februar 2024, Anbetungstag in der Klosterkirche Amstetten, Rathausstraße 16, 3300 Amstetten; stille Anbetung von 8.00 bis 12.00 und von 14.00 bis 16.30 Uhr, gestaltete Anbetung von 16.30 bis 17.50 Uhr, 18.00 Uhr Hl. Messe, anschließend Agape
Diözese Linz: Sa, 3. Februar 2024, 16.00 Uhr, Klosterkirche der Elisabethinen, Betlehemstraße 23, 4020 Linz;
Vesper mit Predigt von Ordensvikar Dr. Adi Trawöger, anschließend Agape und Begegnung
Erzdiözese Salzburg: Do, 1. Februar 2024, 18.00 Uhr, Kongregation der Barmherzigen Schwestern des Heiligen Vinzenz von Paul, Salzachgässchen 1, 5020 Salzburg; Vesper zum Tag des geweihten Lebens mit Weihbischof Hansjörg Hofer, anschließend gibt es eine Agape. Alle Ordensleute sind herzlich zu den Barmherzigen Schwestern eingeladen.
Diözese Graz-Seckau: Do, 1. Februar 2024, Stadtpfarrkirche Graz,
16.30 Uhr Eucharistische Anbetung
17.00 Uhr Feierliche 1. Vesper zum Fest der Darstellung des Herrn mit Bischof Dr. Wilhelm Krautwaschl
Anschließend Agape
Diözese Gurk-Klagenfurt: So, 4. Februar 2024, 15.00 Uhr, Stift St. Georgen am Längsee, gemeinsamer Nachmittag mit Diözesanbischof Dr. Josef Marketz, Impulsreferat, Abschluss mit gemeinsamer Vesper und Abendessen
Diözese Innsbruck: Do, 1. Februar 2024, 15.00 Uhr, Stiftskirche Wilten in Innsbruck, Feierliche Vesper mit Predigt von Abt Leopold Baumberger, anschließend Agape im Abt-Schuler-Saal (Leuthaus, Klostergasse 1).
Orden – eine wichtige Stütze der Gesellschaft
Die 192 Ordensgemeinschaften in Österreich – davon 105 weibliche und 87 männliche Ordensgemeinschaften – sind ein wesentlicher und wichtiger Bestandteil der katholischen Kirche und doch eigenständig. Ihr vielfältiges Wirken zeigt sich in vielen Ausprägungen des täglichen Lebens: So zum Beispiel in den 23 Ordenskrankenhäusern, 38 Pflegeeinrichtungen und mehreren Kur-, Gäste- oder Exerzitienhäusern und im regelmäßigen gemeinsamen Gebet.
Rund 52.000 Schüler:innen besuchen die 191 Ordensschulen in Österreich. Sie werden dort umfassend gebildet und befähigt, ein gutes und eigenständiges Leben zu führen und auch soziale Verantwortung zu übernehmen. In ihrem Dasein in der Seelsorge, der Bildungs- und Wertearbeit und den pastoralen Anlaufstellen sind Ordensleute direkt bei den Menschen. Ordensfrauen und -männer in klausurierten Orden sind für Gott und die Welt in einer besonderen Weise in einem Rhythmus von Gebet und Arbeit da.
Präsent, relevant und wirksam sind Ordensgemeinschaften auch in ihrem Beitrag zum kulturellen Erbe und Reichtum Österreichs: Mit 500 Archiven, rund 4,5 Millionen Büchern in den Ordensbibliotheken und ca. 116 Museen, Schatzkammern und Sammlungen sind sie Besitzer und Verwalter von wertvollen Kulturgütern. Durch das Verfassen von Chroniken werden Ordensleute zu Chronisten – ihre Aufzeichnungen und wertvollen Dokumentationen sind in den zahlreichen Ordensarchiven erhalten und dienen als Zeitzeugen. Klöster werden zudem auch heute noch als spirituelle Kraftwerke empfunden – sie sind geistliche Zentren und besondere Kraftorte.