Pius Parsch – Influencer für die Kirche des 20. Jahrhunderts
„Mit einem heute gebräuchlichen Ausdruck würde man Pius Parsch als einen der bedeutendsten Influencer für die Kirche des 20. Jahrhunderts bezeichnen", sagt Augustiner Chorherr und Pius Parsch-Experte Johannes Kittler. (c) Stift Klosterneuburg
Wer war Pius Parsch? Was hat ihn ausgezeichnet? Was bedeutete es für das Augustiner-Chorherren-Stift Klosterneuburg, dass er „einer von Ihnen war“?
H. Johannes Kittler CanReg: Mit einem heute gebräuchlichen Ausdruck würde man Pius Parsch als einen der bedeutendsten Influencer für die Kirche des 20. Jahrhunderts bezeichnen. Laut Kardinal Franz König hat mindestens die Hälfte aller Teilnehmer am Zweiten Vatikanischen Konzil Bücher von Pius Parsch gelesen. Dementsprechend war auch sein Einfluss auf dieses Konzil. Das Stift Klosterneuburg ist zurecht stolz auf einen solchen Mitbruder. Es weiß sich nicht nur seinem umfangreichen Erbe verpflichtet, sondern sieht es auch als Aufgabe, sein Werk für das 21. Jahrhundert fruchtbar zu machen und weiterzuentwickeln.
Er war Vorreiter, wenn es darum ging, die Liturgie für das Volk verständlich zu machen. Woher kam dieses große Engagement und Anliegen, Liturgie und Bibel für alle verständlich zu machen?
Kittler: Als Militärseelsorger im 1. Weltkrieg bemerkte er, dass die Menschen die Gottesdienste nicht mitfeiern, sondern nur über sich ergehen lassen konnten und reagierte darauf zunächst in einem kleinen Kreis mit Messerklärungen, Bibelstunden, Übersetzungen und lebendigen Liturgiefeiern und später mit einem internationalen publizistischen Werk. Dabei war ihm der Zusammenhang von Bibel und Liturgie wichtig. Diesem Zusammenhang widmet sich das heurige Pius-Parsch-Symposion.
Daniel Seper: Das Engagement in Bezug auf die Bibel liegt wohl auch darin begründet, dass Parsch selbst als Novize damit unzufrieden war, dass er etwa die Psalmen, denen er tagtäglich im Chorgebet begegnete, nicht verstand und sich selbst einen Zugang dazu erarbeitete.
Das alles war lange vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Wie sehr war das damals vorausschauend? Wie sehr war er Vordenker und Visionär?
Kittler: Selbstverständlich war er ein Kind seiner Zeit. Trotzdem finden wir bei ihm viele Ansätze, die auch nach dem Konzil aktuell sind. Seine Idee, billige Bibelausgaben unter das Volk zu bringen, hat Jahre nach seinem Tod das aus seinem Erbe hervorgegangene Österreichische Katholische Bibelwerk mit der Gratisbibel im Rahmen der Schulbuchaktion wieder aufgegriffen. Biblische und liturgische Bildung bleibt auch heute für uns ein Auftrag, wie Papst Franziskus in seinem Schreiben „Desiderio desideravi“ deutlich eingefordert hat. Grundsätzlich hat Pius Parsch, wie auch das Zweite Vatikanische Konzil zehn Jahre nach seinem Tod, keine fertigen Rezepte geliefert, sondern einen Weg begonnen, den es weiter zu gehen gilt.
Pius Parsch war es ein Anliegen, Bibel und Liturgie für alle verständlich zu machen. Hier bei einer Gemeinschaftsmesse 1922. (c) Stift Klosterneuburg
Pius Parsch hat die „Volksliturgische Bewegung“ von Österreich aus grundgelegt. Was kann man sich darunter vorstellen? Welche Bedeutung ergibt sich daraus für heute?
Kittler: Das Bemerkenswerte an der „Volksliturgischen Bewegung“ war, dass sie nicht von oben angeordnet wurde, sondern an der Basis der Kirche entstand. Selbstverständlich waren Initiatoren wie Pius Parsch und andere notwendig, aber es war die Basis, das Kirchenvolk, das sich seiner Aufgabe besonnen hat. Das scheint mir für die heutige Zeit besonders wichtig zu sein: Liturgie ist Feier des Volkes und widerspricht jeder Klerikalisierung.
Seper: Das zeigt sich ja auch in der Bezeichnung. „Leiturgia“ heißt wörtlich übersetzt ja schon Tun des Volkes. Parsch hat das im Deutschen noch einmal unterstrichen, durchaus im Bewusstsein der Verdopplung, indem er von der Volksliturgie sprach.
Was sind Ihrer Meinung nach Herausforderungen zum Thema Bibel und Liturgie in der heutigen Zeit?
Kittler: Die Lebensrelevanz von Bibel und Liturgie erfahrbar zu machen.
Seper: Was auf den ersten Blick einfach klingt, sich bei näherem Hinschauen aber als sehr anspruchsvoll entpuppt. Das sind Aufgaben, die viele Bereiche betreffen: vom schulischen Religionsunterricht über die Pfarren bis hin eben zur Wissenschaft.
Johannes Kittler CanReg, Bildungsreferent am Pius-Parsch-Institut, und Daniel Seper, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pius-Parsch-Institut sind Experten zum Thema Pius Parsch. (c) Stift Klosterneuburg
Einige dieser Themen greifen Sie ja auch beim vierten Pius-Parsch-Symposium auf? Welche Themen nehmen Sie in diesem Jahr in den Fokus?
Seper: Das Symposion entfaltet die Verbindung von Bibel und Liturgie aus unterschiedlichen Richtungen: Zunächst werden die Bemühungen von Parsch historisch, ökumenisch und im Zusammenhang mit der Liturgischen Bewegung eingeordnet. Dann wird an ausgewählten Themen aufgezeigt, wie sich der Zusammenhang von Gottes Wort und Gottesdienst im Denken von Pius Parsch ganz konkret niederschlägt. Schließlich wird der Bogen in die Gegenwart gespannt, wenn etwa bibelpastorale Ansätze von Parsch für heute zugänglich gemacht werden.
Gibt es ein besonderes Highlight des Symposiums, das Sie Interessierten unbedingt ans Herz legen möchten?
Seper: Davon gibt es gleich mehrere: Die Tagung bietet die einmalige Gelegenheit, die renommiertesten Theologen aus dem deutschsprachigen Gebiet zu erleben. Dazu zählen nicht nur katholische Liturgiewissenschafter aus Tübingen, Salzburg, Trier oder Rom, sondern auch etwa Michael Meyer-Blanck, der eine evangelische Perspektive auf die Beziehung von Liturgie und Wort Gottes einbringt. Am Samstagabend findet ein Festakt anlässlich des 70. Todestages von Pius Parsch statt, bei dem der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück den Festvortrag ausgehend von der Dissertation von Parsch über das Mysterium des Kreuzes halten wird. Den liturgischen Höhepunkt bildet ein Festgottesdienst am Sonntag mit dem Liturgiereferenten der Österreichischen Bischofskonferenz, mit Weihbischof Anton Leichtfried. Aber auch kulturell-kulinarisch gibt es so manche Highlights, etwa die Führung durch das älteste Weingut Österreichs.
Andreas Redtenbacher CanReg ist Direktor des Pius-Parsch-Instituts. (c) Stift Klosterneuburg
Wer ist die Zielgruppe für das Pius-Parsch-Symposium? Wer sollte sich das auf keinen Fall entgehen lassen?
Seper: Das Symposion macht es sich zum Ziel einen Bogen zu spannen: Es sind sowohl die theologische und hier vor allem die liturgiewissenschaftliche Fachwelt angesprochen, die durch die Vorträge und Diskussionen zum Austausch und Weiterdenken über Parsch angeregt werden soll. Zugleich sind alle eingeladen, die sich in irgendeiner Weise mit dem Bereich Bibel und Liturgie, sei es in der Pfarre, in der eigenen Ordensgemeinschaft oder in der kirchlichen Arbeit, beschäftigen und inspirieren lassen möchten. Das vielfältige Programm verspricht für alle Interessierten etwas. Und nicht zuletzt bietet das Stift Klosterneuburg einen wunderbaren gastfreundlichen Rahmen für das Symposion, bei dem neben dem theologischen Diskurs auch die kulturellen und kulinarischen Angebote des Stiftes locken.
Mag. Johannes Helmut Kittler CanReg
Bildungsreferent am Pius-Parsch-Institut und Ehrenamtlicher Liturgie- und Bibelreferent; Augustiner Chorherr des Stiftes Klosterneuburg
Mag. Dr. Daniel Seper, BA MA
Wissenschaftlicher Mitarbeiter (PostDoc) am Pius-Parsch-Institut und Lehrbeauftragter für Liturgiewissenschaft und Religionspädagogik an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien und an der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems. Forschung zur Liturgietheologie von Pius Parsch; Betreuung der Reihe "Pius-Parsch-Studien"
Viertes Internationales Pius-Parsch-Symposion
von 7. bis 10. März 2023
im Stift Klosterneuburg bei Wien