Die Ambivalenz von Gold – Faszination und Fluch
Sr. Ruth Pucher ist ausgebildete Vergolderin und zeigte den Teilnehmer:innen den Prozess der Vergoldung. Ein Blättchen Blattgold (8x8 cm) kostet aktuell rund 1,2 Euro. (c) ÖOK/rm
Gold und Kirche
Sr. Ruth Pucher, Kirchenpädagogin und ausgebildete Kirchenmalerin und Vergolderin, machte mit den Teilnehmer:innen einen Streifzug durch die Jesuitenkirche und zeigte, wie man mit Blattgold arbeitet. Kirchen seien ein „Begegnungssaal von Menschen mit Gott“. In der Jesuitenkirche dominieren „menschliche Farben“ wie Rot, Gelb, Grün und das Göttliche komme durch das Gold herein, erklärte Sr. Ruth Pucher. Der Jesuit, Architekt, Bildhauer und Maler Andrea Pozzo war für die Ausgestaltung der Jesuitenkirche im 18. Jahrhundert verantwortlich. Er verwendete Gold, um Akzentuierungen zu setzen. Es glänzt, leuchtet und fasziniert. In den allermeisten Fällen seien die Kunstwerke und Gegenstände in den Kirchen eine Vergoldung auf Holz oder Stuck, erklärte die Kirchenpädagogin und Vergolderin. Neben der Schönheit habe Gold oft auch nützlichen und praktischen Aspekt. So seien zum Beispiel Kelche innen vergoldet, denn im Unterschied zu Silber geht Gold mit dem Messwein keine Verbindung ein und verfärbt sich daher nicht.
Es ist nicht immer das, was es auf den ersten Blick scheint. Ein Teufelchen unter den Engelchen unter der Kanzel der Jesuitenkirche. (c) ÖOK/rm
Näher hinsehen lohnt sich!
Faszination und Fluch – in Gold stecken auch zahlreiche Schattenseiten. Dass die Dinge nicht immer das sind, was sie auf den ersten Blick scheinen, zeigte Sr. Ruth Pucher eindrucksvoll an drei Engelfiguren unter der Kanzel. Was auf den ersten Blick wie eine Darstellung von drei Engelchen aussieht, zeigt bei näherer Betrachtung, dass sich unter den Engelchen ein Teufelchen gemischt hat – mit Hörnern, spitzen Ohren, einem Schwanz, Drachenflügeln und Klauen statt Fingern. Manchmal brauche es eben einen genaueren Blick, um alles zu sehen und zu erfassen.
Schäden an Menschen und Umwelt
Den Übergang von der Faszination hin zum Fluch verdeutlichten vier gelesene Geschichten von Menschen, die unter dem Goldbergbau heute leiden. Hier ein kurzer Auszug davon:
Manco Inca (25 Jahre, Indio; fiktives Porträt) zu den Auswirkungen des Kolonialismus: „Bei ihrer Gier nach Gold gilt unser Leben überhaupt nichts“ (Quelle: Gustavo Gutierrez, Gott oder das Gold. Der befreiende Weg des Bartolomé de Las Casas, Freiburg 1990)
Máxima Acuña de Chaupe (47 Jahre, Kleinbäuerin in Peru) über den Landverlust und die Schäden an Natur und Umwelt: „Seit 2011 versuchte der größte peruanische Goldproduzentin Yanacocha, mir und meiner Familie das Grundstück wegzunehmen. […] Es ging ja auch darum, dass unser Boden zerstört und unser Wasser vergiftet werden würde.“ (Quelle: https://www.gfbv.ch/de/stories/maximas-kampf-gegen-yanacocha/)
Reynaldo (15 Jahre, Philippinen) über Kinderarbeit und ihre Auswirkungen auf die junge Generation: „Ich gehe in den Stollen hinab. Ich schlage das Goldgestein. Manchmal habe ich Angst, dass ich von herunterfallenden Steinen erschlagen werden könnte. Jede Woche von Montag bis Mittwoch tue ich das. Von Donnerstag bis Sonntag gehe ich zur Schule.“ (Quelle: Human Rights Watch 2015)
Anibal Rodriguez Camacho (55 Jahre, Kolumbien) über die Gefährdung der Gesundheit, die durch die Quecksilbervergiftung beim Kleinbergbau entsteht: „Das Quecksilber war unser Glück und unser Fluch. Es lässt uns das Gold aus dem Gestein gewinnen und es macht uns kaputt.“ (Quelle: IyM – Nodo Colombia (Pelicula: „Oro“ 2021)
Sr. Anneliese Herzig berichtete von den Schattenseiten des Goldes und gab Handlungsalternativen: Gold vermeiden, recyceltes Gold verwenden oder zumindest auf faires Gold achten. (c) ÖOK/rm
Die Schatten des Goldes
Sr. Anneliese Herzig setzt sich im Rahmen ihrer Arbeit bei der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs seit vielen Jahren für die Bewusstseinsbildung über Gold und seine Schattenseiten ein. Sie berichtete über die Auswirkungen des Goldbergbaus auf Menschen und Natur und gab auch Tipps zu Handlungsalternativen beim Goldkauf.
Man unterscheide grundsätzlich zwischen zwei Arten von Goldbergbau, der Großindustrielle Bergbau und der Kleinbergbau. Beide Arten haben schädigende Folgen sowohl für die Menschen und ihre Gesundheit als auch für das Land, die Flüsse und die Biodiversität. Zudem stehen Menschenrechtsverletzungen, gefährliche und ausbeuterische Arbeitsbedingungen sowie Kinderarbeit auf der Tagesordnung. Auf den Philippinen arbeiten rund 20.000 Kinder bis zu 12 Stunden in den Minen. Große Konzerne versprechen Jobs, Schulen, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur, also ein besseres Leben, aber diese Versprechen kommen nie bei den Menschen vor Ort an, sie bleiben auf den Schäden sitzen und profitieren nicht von den Gewinnen.
Goldwürfel mit 22 Metern Seitenlänge
Wenn man alles Gold, das bisher abgebaut wurde, zusammengibt, ergibt sich ein Goldwürfel mit einer Kantenlänge von 22 Metern. Das meiste Gold liege jedoch in den Tresoren dieser Welt versteckt, berichtet Sr. Anneliese Herzig und meint: „Wir bräuchten eigentlich kein Gold mehr aus der Erde holen. Wir haben genügend Gold über der Erde zur Verfügung.“ 47 Prozent des Goldes wird für Schmuck verwendet, 21 Prozent sind private Anlagen und 17 Prozent sind Goldreserven der Zentralbanken.
Seit jeher fasziniert das Material Gold viele Menschen. Bis heute macht es auch Kirchen zu Orten, an denen die Größe Gottes aufstrahlt. Bei all der Faszination dürfen die Schattenseiten des Goldes nicht vergessen werden. Die Führung in der Jesuitenkirche bewegte sich in dieser Balance von Faszination und Fluch. (c) ÖOK/rm
Verantwortung übernehmen!
„Die katholische Kirche hat von der Kolonialisierung profitiert, deshalb ist es heute umso wichtiger Verantwortung zu übernehmen“, so Sr. Anneliese Herzig und sie appelliert an alle: „Das Narrativ muss geändert werden: Ja, Gold ist faszinierend, aber es ist auch schädigend.“
„Wir brauchen einen verantwortungsvollen Umgang mit Gold. Das bedeutet zum Beispiel beim Goldkauf nachzufragen, woher das Gold kommt und ob es faires Gold ist. Oder noch besser: Fragen Sie nach recyceltem Gold! Wir müssen lernen, kritisch nachzufragen – auch bei Anlagen.“
Sr. Ruth Pucher und Sr. Anneliese Herzig appellierten abschließend: „Nehmen wir das Gold in seiner Herrlichkeit und in seiner Faszination wahr, aber denken wir beim Betrachten des Goldes an die Menschen, die dieses Gold geschürft haben und noch immer schürfen, die unter dem Goldbergbau leiden. Machen wir uns die Ambivalenz von Gold und die Situation der Menschen bewusst.“