„Rockender“ Benediktiner und früherer Abtprimas Notker Wolf mit 83 Jahren gestorben
Der frühere Abtprimas der weltweiten Benediktiner, Notker Wolf, ist tot. (c) ÖOK/rs
„Das Leben ist und bleibt ein Risiko“, dessen war sich Notker Wolf bewusst. Mit Gottvertrauen ging er Probleme an, reiste in entfernte Länder und ließ sich nie unterkriegen. „Lächeln Sie dem Leben entgegen. Und nehmen Sie es dennoch nicht zu leicht“, lautete seine Empfehlung. Nun ist der langjährige Abtprimas der Benediktiner (2000-2016) mit 83 Jahren überraschend gestorben – auf der Rückreise von Italien in sein oberbayerisches Heimatkloster St. Ottilien.
„Warum sehen Sie so froh aus?“
Immer wieder war ihm die Frage gestellt worden: „Warum sehen Sie so froh aus?“ Er sei ein Freund klarer Worte, bekannte er einmal und liebe es, die Dinge zuzuspitzen. Und manches, was einem täglich begegne, könne man auch nur mit Humor ertragen. Doch auch Disziplin gehört dazu. So verriet Wolf der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), dass er regelmäßig Morgengymnastik mache. Um fünf Uhr in der Früh strecke und dehne er sich ein paar Minuten. Nicht, weil er darauf eine „unbändige Lust“ verspüre. Aber „dieses bisschen Sport hilft mir durch den ganzen Tag, ich fühle mich wohler und bin besser gelaunt“.
Fit hielt Notker Wolf die Musik. (c) User:Opodeldok, Feedback Band 02, CC BY-SA 2.5
Fit hielt ihn zudem die Musik. Gern griff er zur Querflöte und bisweilen zur E-Gitarre. Mit „Feed-Back“, einer Formation ehemaliger Schüler des Ordensgymnasiums in St. Ottilien, hatte er legendäre Auftritte, einmal sogar als Vorband von Deep Purple. Berührungsängste kannte der Ordensmann nicht.
Sehnsucht nach Freiheit
Als Sohn eines Schneiders kam Werner Wolf 1940 in Bad Grönenbach im Allgäu zur Welt. Die Familie war gut katholisch, aber nicht übermäßig fromm. Der Junge war Ministrant, aber sein Erweckungserlebnis hatte er auf dem Dachboden, wie es in Heidemarie Winters Biografie über ihn heißt. Dort fand der Oberrealschüler ein Missionsheft. Die Berichte weckten seine Sehnsucht nach Freiheit.
Dabei stand es um ihn gesundheitlich als Kleinkind nicht gut. Als er an Rachitis erkrankte, ließ der Arzt die Mutter wissen, dass sie ihren Sohn „abschreiben“ könne. Mit Hilfe des Ortspfarrers schaffte es der gute Schüler dennoch ans Gymnasium der Missionsbenediktiner in St. Ottilien. Nach dem Abitur 1961 trat er in den Orden ein. Als er einen neuen Namen annahm, meinte ein Mitbrüder: „Um Gottes willen, schon der fünfte Notker.“ Vier Kandidaten vorher hatten die Erzabtei wieder verlassen.
Angstfreies Kloster
Sein Studium der Philosophie absolvierte er an der Päpstlichen Hochschule Sant'Anselmo in Rom, in München schrieb sich Wolf für Theologie und Naturwissenschaften ein. Die Priesterweihe empfing er 1968. Zwei Jahre später lehrte Wolf Naturphilosophie in Sant'Anselmo, die Promotion mit einer Arbeit über das zyklische Weltmodell der Stoa folgte.
Als 1977 in St. Ottilien ein neuer Erzabt gesucht wurde, fiel die Entscheidung auf den 37-jährigen Jungspund. Dabei war es ihm wichtig, den traditionell harten Drill und die Überwachung zu überwinden, um ein angstfreies Kloster zu schaffen. Die Freiheit und die Würde des Einzelnen sollten respektiert werden.
Als Abtprimas um die Welt
Über sich selbst sagte Wolf, er treffe Entscheidungen, wenn sie anstünden. Als ihn nach 23 Jahren in Ottilien der Wechsel nach Rom an die Spitze des Benediktinerordens führte, hielt er es ebenso. Jedes Jahr reiste er 300.000 Kilometer um die Welt, um Mitbrüder zu besuchen. Selbst vor Nordkorea und China macht er nicht Halt. In beiden Ländern gelang es ihm, Krankenhäuser zu errichten. Seltsames Essen setzte man ihm bisweilen vor, auch Fleisch vom Hund und der Schlange. „Die können furchtbar zäh sein.“
Mehrere Sprachen sprach Wolf fließend, zuletzt lernte er im Lockdown sogar noch Arabisch. Zu Vorträgen und Talkrunden wurde er auch in Österreich gerne eingeladen. Den von der katholischen Kirche in Deutschland eingeschlagenen „Synodalen Weg“ sah er als richtig an: „Meines Erachtens müsste so ein Prozess die ganze Zeit laufen.“ Schon der heilige Benedikt empfehle den Mitbrüdern: „Tue nichts ohne Rat, dann brauchst Du hinterher nichts bereuen.“ Vor allem müsse den Jüngeren zugehört werden.
Erzabt Korbinian Birnbacher: „Sein Beispiel wird Kirche und Welt fehlen“
Auch Erzabt Korbinian Birnbacher, Vorsitzender der Österreichischen Ordenskonferenz, zeigte sich vom plötzlichen Tod Notker Wolfs bestürzt: „Die Nachricht vom plötzlichen Ableben von Abtprimas em. Notker Wolf hat mich persönlich und alle Äbte des deutschen Sprachraumes, die derzeit in Hegne am Bodensee zu ihrer traditionellen Ostertagung versammelt sind, tief erschüttert. Notker Wolf war eine beeindruckende, prophetische und unkonventionelle Persönlichkeit, die bis zuletzt unterwegs war zu den Menschen. Mich hat vor allem sein klares Wort und seine aufrichte Haltung beeindruckt, die nie falsche Kompromisse eingegangen ist. Er ging Konflikten nicht aus dem Weg und mühte sich in Konflikten stets um vertret- und lebbare Lösungen. Fest verwurzelt im Kontext der benediktinischen Tradition war er ein unermüdlicher Wanderer und Missionar. Furchtlos im Auftritt war er immer offen für neue Ideen. Für sehr viele Menschen war er weltweit ein verlässlicher Ratgeber. Sein Wort und sein Beispiel werden Kirche und Welt fehlen.“
Abt Johannes Perkmann: „Hat seine vielen Talente sehr großzügig eingesetzt“
Der Abtpräses der Österreichischen Benediktinerkongregation, Johannes Perkmann, blickte dankbar zurück: „Mit Abtprimas Notker verlieren wir nicht nur einen verdienstvollen Primas, sondern einen Freund. Durch sein sympathisches Wesen konnte er Verbindungen zu vielen Menschen aufbauen und die christliche Botschaft auch dorthin tragen, wo sie sonst nicht gehört wird. Er hat seine vielen Talente sehr großzügig eingesetzt und hat mit Tiefgang, mit Sachverstand und Humor vieles Gute bewirkt. Ein Satz ist mir besonders in Erinnerung: ‚Die Nähe der anderen suchen und auf Abstand zu sich selbst zu gehen, ist das Geheimnis wahrer Autorität.‘ Das hat er gelebt.“
Begräbnis am 6. April 2024
Das Kloster St. Ottilien kündigte an, dass Requiem und die Beerdigung Notker Wolfs am Samstag, 6. April 2024 in St. Ottilien stattfinden werden.
Quelle: kathpress