21. Generalversammlung der UCESM in Tschechien
Die 21. Generalversammlung der Union der Europäischen Konferenzen der Höheren Ordensoberen/innen fand in diesem Jahr in Vranov bei Brünn in Tschechien statt. © UCESM
Schlussbotschaft der 21. Generalversammlung
1. Einführung: Zusammenkunft und Thema
Die 21. Generalversammlung fand von 15. bis 19. April 2024 im Kloster des Paulanerordens in Vranov in der Tschechischen Republik statt. Ca. 45 Personen (Vorsitzende und Vertreter:innen Europäischer Ordenskonferenzen) aus 23 Ländern nahmen an der Veranstaltung mit dem höchst relevanten Titel „Ordensleben: Identität und Zukunft. Den heutigen Herausforderungen begegnen“ teil. Dieses Thema war schon in mehreren Generalversammlungen vorgekommen. Neu und spezifisch war diesmal aber, wie der Vorsitzende der UCESM, P. Janis Melnikovs SJ (Lettland), in seiner Eröffnungsrede feststellte, der Fokus auf Verwundbarkeit, auf Zusammenarbeit mit Laien und auf Synodalität. Anders gesagt, eine Wiederentdeckung unserer Identität als Ordensleute könnte uns helfen, mit größerer Hoffnung in die Zukunft zu gehen.
Von der Österreichischen Ordenskonferenz nahmen die stv. Vorsitzende, Sr. Franziska Madl, und Generalsekretärin, Sr. Christine Rod, an der Tagung teil. © ÖOK
2. Vernetzung
Abgesehen von den Arbeitseinheiten war die Generalversammlung eine Gelegenheit für Vernetzungen. In den strukturierten, aber auch in den informellen Zeiten gab es Möglichkeit zum Kennenlernen von neuen Gesichtern und zum Knüpfen neuer Beziehungen. Neue Bekanntschaften sind nicht zu verachtender Wert bei solchen Zusammenkünften.
3. Effiziente Methoden
Es gab verschiedene Methoden: Vorträge, Austausch in Kleingruppen, Gespräche im Plenum. Diese Methodenvielfalt half zur Aneignung der Themen und machte sie dadurch bedeutsamer für die Einzelnen und für deren gesellschaftliche und kirchliche Kontexte. Die Kreativität bei den Gebeten (Taizegesänge, Vater unser in der jeweils eigenen Sprache, Lieder mit Gesten usw.) machten die Gebetszeiten zu etwas Besonderem, und die Liturgien in den verschiedenen Sprachen halfen uns, die Einheit in der Verschiedenheit zu erleben und wertzuschätzen.
Die synodale Methode bei den Gruppengesprächen (1. Mitteilung von dem, was mich berührt hat, 2. Mitteilung von dem, was mich von dem von den anderen Gehörten berührt hat, 3. Gemeinsamer Austausch und Erkenntnisse) haben zu einer kontemplativen Atmosphäre beigetragen und haben den gemeinsamen Weg auch zu einem Weg mit dem Geist Gottes gemacht.
Die sogenannte „deutschsprachige Fraktion“: Marc Robin Hoogland (Präsident NL), Br. Andreas Murk (Vorsitzender D), Sr. Christine Rod (Generalsekretärin Ö), Sr. Sara Böhmer (Vorstandsmitglied NL), Simon Evers (Generalsekretär NL), Sr. Franziska Madl (stv. Vorsitzende Ö). © ÖOK
4. Kirchliche Verbundenheit
Wie ein kirchliches Dokument sagt, existiert Ordensleben nicht in einem Vakuum, sondern ist eingebunden in ein kirchliches Umfeld. In diesem Sinne war der Besuch des Erzbischofs von Prag, Jan Graubner, eine Bereicherung. Der Erzbischof wies auf das Zeugnis der Ordensleute hin und erzählte u.a. von ca. 1.000 Konvertiten in Tschechien pro Jahr, darunter auch bekannte Persönlichkeiten.
Der Donnerstag Nachmittag mit dem Besuch verschiedener Ordensgemeinschaften in Brünn (Salesianer Don Boscos, Klarissen, Gemeinschaft der Seligpreisungen und schließlich auch im Restaurant von Karmelitinnen nahe der Kathedrale) machten die Präsenz von Ordensleuten im näheren Umfeld deutlich.
Am dritten Tag wurden wir vom Nuntius in der tschechischen Republik, Erzbischof Thaddäus Okolo, besucht. In seiner Predigt erinnerte der Nuntius an die wesentlichen Elemente des Ordenslebens (Gebet, Gemeinschaft, prophetisches Dasein usw.), und er zeigte sich begeistert von Authentizität der Ordensfrauen in der Tschechischen Republik.
Die Zoomkonferenz mit Sr. Simona Brambilla CM vom Dikasterium für das geweihte Leben, der Besuch bzw. der Vortrag von Sr. Nathalie Becquart XMCJ vom Generalsekretariat für die Synode über eine synodale Kirche mit den Laien und auch die Zoomkonferenz mit der Päpstlichen Kinderschutzkommission zeigten die weltweite kirchliche Verbundenheit. Auch die Anwesenheit von Sr. Mary Barron OLA, Präsidentin der UISG, ließ die tiefe kirchliche Verbundenheit spüren und wurde als Zeichen der Wertschätzung erlebt.
Rund 45 Personen (Vorsitzende und Vertreter:innen Europäischer Ordenskonferenzen) aus 23 Ländern nahmen an der Tagung teil. © ÖOK
5. Unsere Identität als gottgeweihte Menschen
Eine wichtige Spur der Konferenz im Hinblick auf unsere Zukunft war der Blick auf die spirituellen Wurzeln unserer Berufung. Das schien mehr als bedeutsam in unserer Zeit, in der die europäische säkularisierte und agnostische Gesellschaft manchmal die Identität gottgeweihter Menschen verdeckt. Individualistische und säkularisierte Lebensweisen sind auch in unseren Gemeinschaften erkennbar.
Mehrere der Impulsgeber wiesen darauf hin, dass das „Prinzip und Fundament“ des Ordensleben die persönliche Gottesbeziehung ist. Vielleicht ist es das, wozu wir in unsicheren Zeiten am meisten gerufen sind. P. Frantisek Hylmar SJ brachte den Vergleich mit den österlichen Jüngern, für die „diese Zeit eine Zeit größter Verwirrung war. Aber sie blieben beisammen und sie haben gemeinsam eine intensive Beziehung mit dem Herrn erlebt.“
In ähnlicher Weise hat P. Janis Melnikovs in seiner Eröffnungspredigt auf den Britischen Rabbi Jonathan Sacks hingewiesen: „Glaube ist der Mut, mit Ungewissheiten zu leben.“ In ähnlicher Weise hat Br. Philip Pinto, früherer Generaloberer der Christian Brothers, betont, dass es nicht so sehr auf die sinkenden Zahlen ankommt, sondern auf die Weise, wie wir leben. Eine Handvoll Ordensleute, die leidenschaftlich leben und ernsthaft glauben, können eine große Wirkung haben.
6. Gemeinsames Leben oder geteiltes Leben? (“Common life or communion of life”)
Ein anderer Aspekt auf dem Weg in die Zukunft ist für uns Ordensleute, in kreativer Weise auch untereinander Lebens- und Glaubenserfahrungen zu teilen. Einmal fragte ein Teilnehmer: „Warum tauschen wir mehr mit Freunden und Außenstehenden aus als mit der eigenen Gemeinschaft? Es gibt zwar ein gemeinsames Leben im Sinn von gemeinsamen Gebets- und Essenszeiten), aber es gibt wirkliches Leben-Teilen, keine wirkliche Nähe zwischen uns. Wir leben nebeneinander, und wir kennen einander kaum.“
Vor diesem Hintergrund hörten wir immer wieder einmal in diesen Tagen von Verwundbarkeit („Vulnerability“). Vielleicht kann Gemeinschaft in unseren Gemeinschaften nur wirklich entstehen, wenn wir zu dem Punkt kommen, in dem wir Verwundbarkeit und Schwäche teilen. In dieser Hinsicht erleben wir uns alle gleich. Man könnte sagen „Wenn du in dich hineinschaust, dann entdeckst du auch alle anderen.“ Die Bereitschaft, Schwäche und Verwundbarkeit zu zeigen, verbindet uns mit den anderen. Es gehört zum Risiko des Liebens. Miteinander die Verwundbarkeit zu teilen, das ist vielleicht der Schlüssel zum wirklichen gemeinsamen Leben.
Im Hinblick auf die Kirche kann man sagen, dass nur eine Kirche, die ihre Verwundbarkeit anerkennt und annimmt, wirklich von den Armen, von den Verwundbaren, von den Schwachen, von denen lernen kann, die an den existentiellen Rändern leben. Br. Philip Pinto erinnerte daran, dass Papst Franziskus keine Kirche will, die mit ihrer eigenen Wichtigkeit und mit sich selber beschäftigt ist, weil eine solche Kirche ihre Verwundbarkeit nicht annehmen und daher nicht die Kunst des Liebens lernen kann. Der Skandal um den sexuellen Missbrauch kann der Kirche vielleicht helfen, sich ihrer eigenen Verwundbarkeit bewusst zu werden. Der Wahrheit begegnen, den demütigenden Schmerz und die Scham nicht vermeiden, die Verwundbarkeit annehmen, das kann der Kirche helfen, in Präventionsbemühungen zu investieren, damit Menschen in der Kirche einen sichereren Ort finden.
7. Gemeinsam auf dem Weg mit Laien
Den synodalen Prozess, zu dem Papst Franziskus die Kirche einlädt, kann man beschreiben als „Christen, die gemeinsam mit Christus zum Reich Gottes unterwegs sind, mit der ganzen Menschheit“ (Sr. Nathalie Bequart). Synodalität bedeutet nicht, die hierarchischen Strukturen der Kirche außer Kraft zu setzen, sondern sie ist ein Ruf zur Ermächtigung von Laien. Sie ist eine Einladung zur Begegnung und zur Wertschätzung für jeden, ein ernsthaftes Bemühen, alle einzubeziehen und alle Getauften zu ermächtigen, an der Sendung und am Leben der Kirche teilzuhaben und mitverantwortlich zu sein. In der Synodalität geht es um Unterscheidung und um das gemeinsame Hören auf die Stimme des Heiligen Geistes, in der Überzeugung, dass der „Sensus fidelium“ gleichsam als Megaphon dient, in dem und durch das der Geist spricht. Diesem Ansatz einer synodalen Kultur liegt das anthropologische Konzept des Menschen als Beziehungswesen zugrunde.
In dieser Hinsicht sind wir Ordensleute eingeladen, die Laien nicht länger als „Dazugekommene“ zu sehen, die uns helfen, unsere Apostolate weiterzuführen, sondern als Mitarbeiter und Mitgestalter in unserem Leben und unserer Sendung. Wir müssen am Wandel dranbleiben – von der Haltung, dass die Laien „für uns“ arbeiten, hin zu einer wirklichen Zusammenarbeit, in der sie nicht nur „nach uns“ arbeiten, sondern „mit uns“. Das könnte Ehrenamtlichen und Mitarbeitern helfen, sich nicht von uns benützt zu fühlen, sondern wertgeschätzt und gewürdigt als das, was sie in der Kirche sind, nämlich getaufte Christen, so wie wir auch. Eine derartige synodale Haltung fördert die Wiederentdeckung der Wichtigkeit der Taufe.
8. Zusammenfassung: Es geht weiter
Die Impulse, die sich bei dieser Generalversammlung gezeigt haben, nämlich einerseits die Rückkehr zur grundlegenden Erfahrung Gottes und andererseits die Suche nach der wirklichen Gemeinschaft mit unseren Schwestern und Brüdern und mit den Laien im Hinblick auf unsere Sendung, erinnern uns an die zwei Liebesgebote, die uns durch Christus gegeben wurden. Mögen wir uns alle darum bemühen, sie in die Praxis umzusetzen.
Für die 21. Generalversammlung: Sr. Alfonsa Karapata MSsR (Ukraine), Sr. Christine Rod MC (Österreich), Br. Ivan Scicluna OFMCap. (Malta). Deutsche Übertragung: Sr. Christine Rod