Fromme Stoffe, edle Fäden: „Praxistag Sakristei“ zum Thema liturgische Textilien
Informationen aus erster Hand: Während der Führung durch die Paramenten-Werkstatt der Benediktinerinnen gewannen die Tagungsteilnehmer:innen interessante Einblicke in die diversen Produktionsschritte. © ÖOK/ml
Rund 30 Verantwortliche für Sakristeien, die mit der Bewahrung und Pflege liturgischer Textilien betraut sind, machten sich zu Wochenbeginn nach Steinerkirchen an der Traun auf, wo sie von Priorin Sr. Hanna Jurman, ihrer Mitschwester Marta Bayer und Karin Mayer, der Leiterin des Bereichs Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz, begrüßt wurden. Dass gerade dieser Veranstaltungsort gewählt wurde, ist kein Zufall: Das Ordenshaus beherbergt eine der wenigen Paramenten-Werkstätten Österreichs, die es heute noch gibt.
Die Kunst der Paramentik im Spiegel der Zeit
In seinem Eröffnungsvortrag präsentierte der Kunst- und Textilhistoriker Michael Ullermann einen spannenden Überblick über die abwechslungsreiche Geschichte liturgischer Textilien. Interessant zu erfahren war beispielsweise, dass das Messgewand eines Priesters – die Kasel – von der Form einer römischen Tunika inspiriert ist. Auch über die kunstvollen Muster der liturgischen Textilien verriet Michael Ullermann aufschlussreiche Details – zum Beispiel, wie sich die ursprünglich aus China stammende Seidenweberei über das Mittelmeer bis nach Europa ausbreitete und zunächst Lucca, später Venedig und dann Lyon zu Zentren dieser Kunst wurden. Darüber hinaus erfuhren die Teilnehmer:innen auch allerlei Wissenswertes über Stickmuster, Ornamente-Trends und die verschiedenen Arten von Textilien, die im Laufe der Jahrhunderte zum Einsatz kamen.
Wie alles begann: Der Kunst- und Textilhistoriker Michael Ullermann verriet in seinem Vortrag interessante Details über die abwechslungsreiche Geschichte liturgischer Textilien. © ÖOK/km
Ein anderer Teil seines historischen Rückblicks widmete sich der immer wieder aufkeimenden Frage, wie prunkvoll liturgische Gewänder sein dürfen. Besonders intensiv entflammte sich diese Diskussion nach dem Konzil von Trient im 16. Jahrhundert. Die Dominikaner sprachen sich damals vehement gegen übertriebenen Prunk am Altar aus, während hingegen die Jesuiten die Meinung vertraten, dass für den in der Eucharistie persönlich anwesenden Christus keine Kosten zu hoch sein dürften.
Seine Reise durch die Geschichte der Paramentik beendete Michael Ullermann mit einem Blick auf den Eklektizismus. Hier spannte er nochmals einen Bogen in die Vergangenheit – wurden doch Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts gerne ältere Stoffe aus dem Barock und dem Mittelalter kopiert.
Liturgische Textilien im Kontext pastoraler Entwicklungen
Im zweiten Vortrag des Tages ging Sr. Marta Bayer der Frage nach, wie sich die aktuellen pastoralen Entwicklungen auf die Verwendung von Paramenten auswirken. Auch wenn die Anzahl der Gottesdienste abnehme, beobachte sie doch eine zunehmende Vielfalt, meinte die Leiterin der Paramenten-Werkstatt der Benediktinerinnen. Das habe vor allem damit zu tun, dass es immer mehr Ständige Diakone und Laien im liturgischen Dienst gebe. „Das liturgische Gewand hat in erster Linie dienenden Charakter und verschiedene funktionale Aspekte. So hilft es den Leiterinnen und Leitern der Liturgie, für ihre Aufgabe adäquat gekleidet zu sein und den Leitungsdienst innerhalb der Gottesdienstgemeinschaft zu verdeutlichen“, betonte Sr. Marta.
Alles im Wandel: In ihrem Vortrag ging Sr. Marta Bayer der Frage nach, wie sich die aktuellen pastoralen Entwicklungen auf die Verwendung von Paramenten auswirken. © ÖOK/ml
In einem weiteren Teil ihres Vortrags beleuchtete die engagierte Ordensfrau und Textilexpertin den künstlerischen Aspekt bei der Herstellung von liturgischen Textilien. Als Beispiele nannte sie spezielle Gewänder für kirchliche Großveranstaltungen wie Katholikentage oder Papstbesuche, die punktuelle Zusammenarbeit mit Künstler:innen und Gestaltungswettbewerbe für liturgische Gewänder. Gerade, wenn Kirchenräume als Ort für Kunst dienten, sei aber durchaus hinterfragenswert, inwieweit es um eine spirituelle oder theologische Botschaft ginge oder ob es sich um eine reine Präsentationsfläche für eine Künstlerin oder einen Künstler handle.
Alltägliche Erfahrungen: Als Leiterin der Paramenten-Werkstatt der Benediktinerinnen verfügt Sr. Marta Bayer über jede Menge Praxiswissen. © ÖOK/ml
Abschließend plauderte Sr. Marta noch ein wenig aus dem Nähkästchen und berichtete über ihre alltäglichen Erfahrungen. Dazu zählen u.a. die immer schwieriger werdende Verfügbarkeit von hochwertigem Material, die abnehmende liturgische Bildung, die enger werdenden finanziellen Spielräume und das schwindende Bewusstsein für Sauberkeit und Würde im Umgang mit liturgischen Textilien. Bei ihren Auftraggeber:innen beobachte sie außerdem eine zunehmende „Onlineshop-Mentalität“, die völlig außer Acht lasse, dass die Ausführung qualitativ hochwertiger Aufträge eine gewisse Zeit brauche.
Rundgang durch die Paramenten-Werkstatt
Auf das anschließende Mittagsgebet mit den Ordensfrauen und das gemeinsame Mittagessen folgte als nächster Programmpunkt ein Rundgang durch die Paramenten-Werkstatt der Benediktinerinnen. Die Werkstatt wurde 1974 gegründet und feiert somit heuer ihr 50-jähriges Jubiläum. Während der Führung gewannen die Tagungsteilnehmer:innen interessante Einblicke in diverse Produktionsschritte – von der Gestaltungs- und Entwurfsphase über die Ausführung im alten Handwerk der Gold-, Silber- und Perlenstickerei sowie der Batiktechnik bis hin zur Schneiderei und Ausfertigung. Unter den Paramenten, die im Kloster der Benediktinerinnen produziert werden, befinden sich neben Alben, Stolen und Kaseln auch Ministranten- und Sternsingergewänder. Zu den Aufträgen, die Sr. Marta in besonderer Erinnerung bleiben, zählt beispielsweise ein Gewand für die Gnadenmutter in der Wallfahrtskirche am Frauenberg, das aus einem gestifteten Brautkleid entstanden ist.
Schulterblick: Während der Werkstatt-Führung gewannen die Teilnehmer:innen interessante Einblicke in diverse Produktionsschritte und Techniken – zum Beispiel in die Batiktechnik. © ÖOK/ml
Tipps zur Aufbewahrung und Pflege
Den Abschluss des Tages bildete ein Vortrag von Roswitha Strasser, die in der Paramenten-Werkstatt arbeitet und über jede Menge Erfahrung im Umgang mit liturgischen Textilien verfügt.
Die Teilnehmer:innen erfuhren unter anderem, auf welche Art und Weise man Wachsflecken entfernt, was man mit gezogenen Fäden macht und wie man mithilfe weißer Baumwollhandschuhe Flecken vermeidet. Roswitha Strasser sprach aber auch über das Problem zu hoher Luftfeuchtigkeit und die Gefahr von Schädlingsbefall.
Gewusst wie: Mithilfe der von Roswitha Strasser vorgestellten Tipps lässt sich der Zustand liturgischer Textilien langfristig sichern. © ÖOK/ml
Als drastisches Beispiel erwähnte sie in diesem Zusammenhang einen Fronleichnamsbaldachin, der von einer Pfarre zur Restaurierung an die Paramenten-Werkstatt der Benediktinerinnen geschickt wurde. Während die Mitarbeiterinnen den „Patienten“ begutachteten, hatten sie das eigenartige Gefühl, dass sich der Samt bewege – und tatsächlich: Bei näherer Betrachtung entpuppten sich die wandelnden Samtelemente als gefräßige Brotkäfer, die bereits eine große Schädigung am Textil verursacht hatten.
Austausch und Reflexion
Mit jeder Menge Wissen und neuen Kontakten im Gepäck, machten sich die aus ganz Österreich angereisten Sakristei-Verantwortlichen gegen 16.30 Uhr wieder auf den Heimweg. „Wir freuen uns sehr über das rege Interesse am Praxistag Sakristei, den wir 2023 erstmalig ins Leben gerufen haben. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten war auch die Gelegenheit zu Erfahrungsaustausch und ungezwungenem Kennenlernen sehr wichtig“, zieht Karin Mayer eine rundum positive Bilanz und verspricht: „Wir planen, auch in Zukunft ähnliche Veranstaltungen anzubieten.“
Reges Interesse: Rund 30 Verantwortliche für Sakristeien, die mit der Bewahrung und Pflege liturgischer Textilien betraut sind, nützten den Praxistag Sakristei zu Information und Vernetzung. © ÖOK/ml