Tagung Kulturvermittlung: Kirchenräume als Resonanzräume
Eine Entdeckungsreise durch die Sakralräume der Elisabethinen. Hier im Bild die Elisabethkapelle, ein Ort der Ruhe, Geborgenheit und Zuversicht für die Elisabethinen und auch für alle Besucher:innen, Patient:innen. © ÖOK/km
Im Fokus stand das Thema Resonanz, und damit verbunden die Frage, was Resonanz überhaupt ist und wie man mit Kirchenräumen in Resonanz treten kann. Der praktische Blick richtete sich auf die Tätigkeiten von Kulturvermittler:innen und gab Anregungen für ihre Arbeit. Der Tag war eine gelungene Entdeckungsreise durch die Sakralräume der Elisabethinen – Elisabethkapelle, Klosterkirche und Konventkapelle der Elisabethinen. Die Räume wurden mit methodischer und perspektivischer Vielfalt erkundet – mit Blick auf den Kirchenraum, die Architektur und die Kirchenpädagogik.
Theologe Andreas Telser legte das theoretische Fundament und führte die Teilnehmer:innen in die Resonanztheorie nach Hartmut Rosa ein. © ÖOK/rm
Resonanz zwischen mir und Weltausschnitten
Das theoretische Fundament für den Tag legte der Theologe Andreas Telser von der Universität Wien. Er erläuterte anhand der Resonanztheorie des Soziologen Hartmut Rosa die verschiedenen Facetten und Eigenschaften von Resonanz. Resonanz meine die Fähigkeit, sich wirklich berühren und verwandeln zu lassen, so der Soziologe Hartmut Rosa. „Schon alleine von Resonanz zu sprechen, trifft auf Resonanz“, machte Telser aufmerksam und erläuterte die vier Momente bzw. Elemente von Resonanz laut Hartmut Rosa:
- Affizierung – „Anrufung – Etwas ruft mich an, bringt mich zum ‚Auf-hören‘“ (Genau in dieser Doppeldeutigkeit von „zuhören“ und „etwas beenden“)
- Selbstwirksamkeit – „Das, was ich tue, tritt mit diesem anderen in eine Art von Verbindung“
- Transformation – „ich verwandle mich, komme auf andere Gedanken, in eine andere Stimmung“
- Unverfügbarkeit – „Man kann Resonanz nicht herstellen, kaufen oder erzwingen“
„Resonanz ist zwischen mir und Weltausschnitten“, betonte Andreas Telser und dafür gebe es drei Resonanzachsen: die horizontale Dimension (Familie, Freund:innen, Politik), die diagonale Dimension (Objektbeziehungen, Arbeit, Schule, Sport und Konsum) sowie die vertikale Dimension, die für Religion, Kunst, Natur und Geschichte stehe.
Kirchenerkundung „Dazwischensein“ vor und in der Elisabethkapelle der Elisabethinnen in Linz. Die Kapelle befindet sich in der geographischen Mitte des gesamten Gebäudekomplexes - zwischen Kloster und Krankenhaus. © ÖOK/km
Räume und Spiritualität entdecken
Im praktischen Teil erkundeten die Teilnehmer:innen in den Sakralräumen der Elisabethinen Anknüpfungspunkte zur Theorie. Die Expert:innen der Kirchenraumpädagogik, Elisabeth Glatzenberger (Kultur- und Tourismusabteilung Stift Herzogenburg bzw. Dürnstein), Christian Jordan (Religionslehrer, Theologe und Kunsthistoriker) sowie Martina Gelsinger (Kunsthistorikerin, Fachbereich Kunst und Kultur der Diözese Linz) nahmen die Teilnehmer:innen mit auf eine Erkundungsreise und präsentierten erprobte Methoden der Kirchenraumpädagogik.
„Dazwischensein“ in der Elisabethkapelle
Mit den beiden Kulturvermittlern Elisabeth Glatzenberger und Christian Jordan wurde die Elisabethkapelle erkundet. Die Kapelle wurde 2009 eröffnet und ist für alle Besucher:innen und Patient:innen des Ordenskrankenhauses als Ort der Ruhe, Geborgenheit und Zuversicht zugänglich. Sie befindet sich in der geographischen Mitte des gesamten Gebäudekomplexes und verbindet somit das Kloster und das Krankenhaus. Die Kapelle ist also „Dazwischen“ – zwischen der Praxis und der Spiritualität der Elisabethinen. Unter dem Thema „Dazwischensein“ wurden mehrere Methoden der Kirchenpädagogik ausprobiert, die das bunte Spektrum des Erlebens eines Kirchenraumes aufzeigen. Anhand der Schlagworte „Material“, „Farbe und Form“ und „Skulpturen“ wurde Resonanz zwischen den Teilnehmer:innen und dem Raum hergestellt.
In der Klosterkirche der Elisabethinen schweift der Blick nach oben entlang einer vertikalen Blickachse. © ÖOK/rm
Kirche als Ort einer anderen Wirklichkeit
Kunsthistorikerin Martina Gelsinger vom Fachbereich Kunst und Kultur der Diözese Linz nahm die Teilnehmer:innen mit auf eine Entdeckungsreise in die große und beeindruckende Klosterkirche der Elisabethinen, gebaut im 18. Jahrhundert. Gelsinger lud die Teilnehmer:innen ein, alle Sinne zu aktivieren und wahrzunehmen, wie sich die Geräuschkulisse, der Lichteinfall etc. verändert, wenn man von der sehr belebten Straße kommend in den Kirchenraum der großen Kuppelkirche tritt. „Kirchen sind Orte der Stille, der Feier, des Gebetes. Sie werden als Orte der Transzendenz, als Räume einer anderen Wirklichkeitserfahrung bezeichnet“, erklärte Martina Gelsinger und fügte hinzu: „Kirchen sind in Bau und Ausstattung eindrucksvolle Dokumente der jeweiligen Zeit, ihrer gesellschaftlichen Entwicklungen und Glaubenspraxis und eröffnen vielfältige Bezüge zur eigenen Geschichte, den Fragen nach dem Woher und Wohin und der Beheimatung.“
Anhand von Blickachsen wurde der Raum Schritt für Schritt „abgetastet“. Die zentrale vertikale Achse bildet einen Bogen von der Gruft der Elisabethinen, wo auch die Gründerin begraben ist, über den Altarbereich, wo die beiden Heiligen Elisabeth und Franziskus zu sehen sind, bis hinauf zum Kuppelfresko mit Franziskusheiligen und den Kirchenvätern – für alle muss man den Blick nach oben richten. In der horizontalen Achse befinden sich die Gemälde von der hl. Elisabeth und der hl. Anna an den Seitenaltären sowie in der Mitte das zentrale Hochaltarbild. „Barocke Räume sprechen alle Sinne an“, versprach Martina Gelsinger und lud die Teilnehmer:innen zu einem Gedankenexperiment ein: „Wenn der Raum oder die Ausstattung zum Leben erweckt werden würde: Was wäre zu hören? Wie würde es riechen? Wer würde was sagen? Der Raum sollte mit allen Sinnen wahrgenommen werden.“
Die Konventkapelle der Elisabethinen ist nicht öffentlich zugänglich. Architektin Veronika Müller nahm die Teilnehmer:innen mit auf eine Architektur-Reise durch den Kirchenraum. © ÖOK/km
Architekturvermittlung am Beispiel der Konventkapelle
Den Teilnehmer:innen wurde ein seltener Einblick in die Konventkapelle gewährt – sie ist Rückzugsort und Gebetsort der Schwestern. Architektin und Kunstwissenschaftlerin Veronika Müller (Institut für Geschichte und Theorie der Architektur Katholische Privat-Universität Linz) lud die Teilnehmer:innen ein, die Baukultur mit der Brille der Architektur zu erforschen. Abgeschottet von der Öffentlichkeit, bietet der nur scheinbar schlichte Sakralbau der Konventkapelle den Ordensmitgliedern einen exklusiven Gebetsraum. 1964 errichtet, reagiert die Kapelle auf sakrale Veränderungen, aber auch auf das Bedürfnis der Schwestern nach Rückzug vom stetig wachsenden Krankenhausbetrieb. In einer interaktiven Führung durch den Raum warfen die Teilnehmer:innen einen bewussten Blick auf die Zusammenhänge von liturgischen Neuerungen und Architektursprache, entdeckten die Besonderheiten der Nachkriegsmoderne und diskutierten Raumwirkung und Ausdruck dieses Sakralraums.
Die Referent:innen und Veranstalterinnen (v.l.): Sr. Helena Fürst, Veronika Müller, Andreas Telser, Karin Mayer, Elisabeth Glatzenberger, Martina Gelsinger, Martina Resch, Sr. Luzia Reiter. © ÖOK/rm
Resonanz auf die Tagung und Blitzlichter für die Zukunft
Den Abschluss bildete passenderweise eine Resonanzrunde mit den Vortragenden und Expert:innen des Tages. Sr. Helena Fürst und Sr. Luzia Reiter gaben Einblicke in zukunftsweisende Projekte der Elisabethinen, die ebenfalls Resonanz erzeugen. Darunter zum Beispiel der Podcast „Kaleidoskop Leben – der Podcast der Elisabethinen für ein inspiriertes Leben“, bei dem Sr. Helena Fürst gemeinsam mit einem Kollegen als Gastgeberin auftritt und immer wieder spannende Gäste aus der weiten Welt der Elisabethinen interviewt. Sr. Luzia Reiter leitet das Generationenhaus der Elisabethinen in Linz. Der Name ist Programm: In dem Haus treffen mehrere Generationen aufeinander – von den Kindergartenkindern im Erdgeschoß über junge Menschen in Ausbildung in den Wohngemeinschaften, Mieter in den 14 Mietwohnungen sowie Menschen im betreuten Wohnen.
Die Veranstaltung des Bereichs Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz fand in Kooperation mit den Elisabethinen und der Katholischen Privatuniversität Linz statt.