Liturgische Bücher: Wenn Schätze zur Herausforderung werden
In der Stadt und doch im Grünen: Die Teilnehmer:innen der Tagung genossen das inspirierende Ambiente des Konvents der Benediktinerinnen der Anbetung. © ÖOK/km
Trotz schwüler Luft und Gewitterwarnung ließen sich 23 Tagungsteilnehmer:innen am Nachmittag des 3. Juni nicht davon abhalten, den Weg in das Liebhartstal in Wien Ottakring einzuschlagen, um sich im Konvent der Benediktinerinnen der Anbetung über die neuesten Trends im Bereich der kirchlichen Bibliotheken zu informieren und ihre Erfahrungen auszutauschen.
Nach der Begrüßung durch Irene Kubiska-Scharl vom Bereich Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz und Markus Bürscher, Mitglied des Vorstandes der AKThB, hieß auch Sr. Faustine Malodobry OSB alle Teilnehmer:innen herzlich willkommen.
Das Buch als liturgisches „Must have“
In seinem Auftaktvortrag beleuchtete Christoph Freilinger vom Österreichischen Liturgischen Institut die Bedeutung von liturgischen Büchern für den Vollzug religiöser Handlungen und Feiern. Ob Lektionar, Benediktionale oder Messbuch – liturgische Bücher unterstützen den liturgischen Dienst, sichern die Rechtgläubigkeit und bringen die Einbindung in die Gesamtkirche zum Ausdruck. Durch ihren ganz besonderen Zeichencharakter ließen sie sich auch nicht so einfach durch moderne Medien wie z.B. Tablets ersetzen, unterstrich Christoph Freilinger. Der Leiter des Österreichischen Liturgischen Instituts vermittelte darüber hinaus interessante Einblicke in die formalen Schritte, die notwendig sind, um aus einem religiösen Buch ein liturgisches Buch zu machen, ging auf äußerliche Merkmale wie Buchgröße und Papierstärke ein und berichtete aus erster Hand über die geplante Überarbeitung des deutschsprachigen Messbuchs, die in diesem Sommer startet und auf rund zehn Jahre anberaumt ist.
Buch statt Tablet: Christoph Freilinger unterstrich in seinem Vortrag den ganz besonderen Zeichencharakter eines liturgischen Buchs. © ÖOK/ml
Alles hat ein Ende – auch liturgische Bücher
Der zweite Vortrag des ersten Tags beschäftigte sich unter anderem mit der heiklen Frage, wie man mit liturgischen Büchern umgehen soll, die nicht mehr benötigt werden. In Form eines Praxisberichts brachte P. Friedrich Höller OCist, Bibliothekar des Zisterzienserstifts Schlierbach und Gründungsmitglied der ARGE Ordensbibliotheken, verschiedene Möglichkeiten ins Spiel, ohne dabei eine Empfehlung auszusprechen. Vorweg hielt er fest, dass es zwar zahlreiche Vorgaben für den Umgang mit liturgischen Gegenständen gebe, etwas Ähnliches jedoch für die Aussonderung von liturgischen Büchern fehle.
Zu den von P. Höller erwähnten Möglichkeiten zählen:
- Begraben – wie es auch im Judentum üblich ist.
- Im Osterfeuer verbrennen – das Verbrennen von liturgischen Büchern weckt jedoch negative Assoziationen, Stichwort „Bücherverbrennung“
- Deponieren im Sakrarium, einer Öffnung im Kirchenboden, die direkt ins Erdreich führt
- Entsorgung als Altpapier
- Deponieren in einem Kolumbarium, einer Urnenwand
- Schreddern, z.B. mithilfe eines Reißwolf-Containers
- Anderweitige Nutzung (z.B. gefaltete Weihnachtsengel aus alten Gotteslob-Büchern)
In der daran anschließenden Diskussionsrunde setzen sich die Tagungsteilnehmer:innen mit dem Für und Wider der diversen Methoden auseinander und brachten ihre diesbezüglichen Erfahrungen ein.
Dank und Anerkennung: Irene Kubiska-Scharl bedankte sich bei P. Friedrich Höller für seinen inhaltsreichen Vortrag. © ÖOK/ml
Den Abschluss des ersten Tages bildeten eine Hausführung mit Sr. Nathanaela Gmoser OSB und das gemeinsame Vespergebet mit den Ordensfrauen in der Hauskapelle.
Praxisteil am Folgetag
Die Katalogisierung von liturgischen Büchern stellt Bibliothekarinnen und Bibliothekare immer wieder vor überraschende Herausforderungen. Markus Bürscher zeigte anhand von vier ausgewählten Beispielen, wie auch komplexe liturgische Werke katalogisiert werden können, um sie für die wissenschaftliche Nutzung zur Verfügung zu stellen. In der Diskussion wurde schließlich der Wunsch nach einer gemeinsamen Arbeitshilfe für die Erschließung liturgischer Bücher formuliert.
Bibliotheksführung und Exkursion
Priorin Sr. Magdalena Niescioruk OSB führte die Tagungsteilnehmer:innen anschließend durch die hauseigene Bibliothek der Benediktinerinnen der Anbetung, die erst vor wenigen Jahren im Zuge eines Umbaus neu errichtet wurde.
Einladend und auf der Höhe der Zeit: Priorin Sr. Magdalena Niescioruk OSB führte die Tagungsteilnehmer:innen durch die hauseigene Ordensbibliothek. © ÖOK/km
Nach dem gemeinsamen Mittagessen hielt Ingo Glückler den spannenden Vortrag „Vom Altar zur Bücherwand“, in dem er sich mit der Transformation profanierter Kirchen aus bibliothekswissenschaftlicher Sicht auseinandersetzte. Anhand ausgewählter internationaler Beispiele verdeutlichte er, wie die Umnutzung von Kirchengebäuden zu kirchlichen Bibliotheken dazu beiträgt, den kulturellen und spirituellen Wert dieser Gebäude lebendig zu erhalten und sie als Instrument der Evangelisierung auch für die Zukunft sinnvoll zu nutzen.
Anschließend machten sich alle auf den Weg in die Wiener Josefstadt, wo sich die Zentralbibliothek der Minoriten in Wien befindet. Bibliothekar Pol Edinger setzte sich im Zuge der Führung vor allem mit der Einbettung der Bibliothek in den Orden auseinander und schlug dabei einen bunten Bogen von der Vergangenheit bis in die Gegenwart.
Interessante Einblicke: Bibliothekar Pol Edinger präsentierte den interessierten Besucher:innen einige Highlights der Zentralbibliothek der Minoriten. © ÖOK/km
Ein Tag im Zeichen der Finanzierung
Der dritte Veranstaltungstag wurde von der VÖB Kommission für Theologische Spezialbibliotheken unter dem Vorsitz von Ingo Glückler (DUB Linz) gestaltet und widmete sich dem Thema „Finanzbeschaffung für Bestandsprojekte“. Johannes Deibl aus der Stiftsbibliothek Melk lieferte den Teilnehmer:innen interessante Hintergrundinformationen über die auf zehn Jahre anberaumte Restaurierung der Stiftsbibliothek und die dafür aufzubringenden Finanzierungen. Diese kommen etwa zur Hälfte aus Eigenmitteln des Stifts, weiters aus dem extra gegründeten Förderverein „ex litteris immortalitas“, aber auch aus Landes-, Bundes-, und Gemeindemitteln. Die gute Zusammenarbeit von Konvent, Politik und den hauseigenen Mitarbeiter:innen sei für das gute Gelingen ausschlaggebend, unterstrich Ingo Glückler. Auch Buchpatenschaften, Spezialführungen, Fundraising-Events und Sponsoring hätten sich zur Lukrierung von Mitteln bisher gut bewährt.
Ohne Geld keine Zukunft: Johannes Deibl präsentierte den Tagungsteilnehmer:innen das Finanzierungskonzept für die Restaurierung der Stiftsbibliothek Melk. © ÖOK/iks
Danach präsentierte Karin Schamberger, die im Salzburger Landesarchiv arbeitet und zuvor neun Jahre in der Stiftsbibliothek Admont tätig war, die Möglichkeiten der finanziellen Förderungen für Bibliotheken. Sie kam zu dem Fazit, dass es für Bibliotheken vergleichsweise weniger Förderschienen gibt als beispielsweise für Museen. Bei Förderanträgen, etwa an den Bund oder die Bundesländer, lohne sich jedenfalls die Kooperation mit anderen Institutionen – z.B. Klöstern, Diözesen oder Universtäten –, um Kompetenzen und Ressourcen zu bündeln und so die Chance auf Erfolg zu erhöhen. Bei Digitalisierungsprojekten gelte es darüber hinaus, nicht nur die Kosten der Digitalisierung selbst, sondern auch jene für das Personal und die langfristige Datenpflege zu berücksichtigen. Auch die rechtlichen Implikationen von Digitalisierungen, vor allem die Frage der kommerziellen Weiternutzung der Daten durch Fremde, sei zu berücksichtigen, betonte Karin Schamberger.
Drei intensive Tage: Die 23 Teilnehmer:innen der Tagung nützten die gemeinsame Zeit zur Wissensvertiefung und Vernetzung. © ÖOK/ml
Mit der Kommissionssitzung und einem gemeinsamen Mittagessen fand die Tagung ihren Abschluss. Irene Kubiska-Scharl und Markus Bürscher, die für die Organisation verantwortlich zeichneten, zogen unisono ein rundum positives Resümee der Jahrestagung und unterstrichen ihre Bedeutung für die Wissensvermittlung, den gegenseitigen Austausch und die Vernetzung.