Podiumsdiskussion: (K)Ein Menschenrecht auf Schnitzel
Michael Staudinger, Marina Hagen-Canaval, Katharina Choe und Anja Appel (v.l.) diskutierten zum Thema „Klimagerechtigkeit – Wohin gehen wir?“. © ÖOK/emw
Der Saal bei den Jesuiten in Wien war bis auf den letzten Platz gefüllt, als Katrin Morales, Geschäftsführerin von jesuitenweltweit, die Diskussionsrunde mit der Frage nach den Hauptursachen den Klimawandels eröffnete.
Unpopuläre Entscheidungen und Klimagerechtigkeit
Michael Staudinger, Berater der World Meteorological Organization in Genf, identifizierte fossile Emissionen als eine der Hauptursachen der Klimakrise. Die Auswirkungen von Treibhausgasen sind bekannt und gut erforscht – sie führen zu extremen Wetterereignissen wie Dürren und Stürmen.
Marina Hagen-Canaval von der Letzten Generation betonte die ungleiche Verteilung der CO2-Emissionen: „Reiche Menschen tragen wesentlich mehr zur Klimakrise bei als der Durchschnittsbürger,“ sagte sie. Da stelle sich auch die Frage nach der Verteilung und ob es generell so viel Reichtum brauche. Zudem seien Menschen im globalen Süden besonders betroffen, obwohl sie kaum zur Entstehung der Klimakrise beigetragen haben.
Sie machte auf die aktuelle Lage in Indien aufmerksam „In Indien hat es gerade 50 Grad. Da kann man noch so sportlich sein, das hält der Kreislauf nicht aus. Das Eiweiß gerinnt und man stirbt.“ Das sei jedoch so weit weg von Österreich, das man sich nicht betroffen fühlt.
Auch Katharina Choe vom Ban Ki Moon Center hob die Bedeutung der Klimagerechtigkeit für den globalen Süden hervor. Die Regionen sind stark von der Landwirtschaft abhängig ist und besonders anfällig für extreme Wetterereignisse sei. Hier sei dringende finanzielle Unterstützung erforderlich.
Anja Appel (KOO) warnte vor den kritischen „Kipppunkten“ im Klimasystem, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Ist der Regenwald zerstört und die grönländische Eisplatte geschmolzen, gäbe es kein Zurück. Es bestehe also dringender Handlungsbedarf. Appel rief zu sofortigen Lebensstiländerungen auf, warnte jedoch vor den sozialen Spannungen, die dadurch entstehen könnten.
Anja Appel (KOO) betonte: „Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Das ist klar. Wir müssen, wenn wir das Klima retten wollen, auf vieles verzichten. Das ist wie bei einer Diät: Ich esse lange nichts, aber am Ende bin ich super happy.“ © ÖOK/emw
Untätige Regierung
Immer wieder landet die Diskussion bei der aktuellen Regierungspolitik. Trotz vielversprechender Klimapapiere sei die Umsetzung unzureichend, sagt etwa Michael Staudinger. „Politische Entscheidungsträger wissen, was zu tun ist, fürchten jedoch, nicht wiedergewählt zu werden, wenn sie notwendige Maßnahmen ergreifen.“
Marina Hagen-Canaval betonte, dass einfache Maßnahmen, wie etwa eine Temporeduktion, sofort umgesetzt werden könnten, was nicht nur CO2-Emissionen sparen, sondern auch Leben retten würde. Jedoch scheitere jede Diskussion darüber.
Appel kritisierte, dass der IPCC-Report (=“Intergovernmental Panel on Climate Change“ ist eine Zusammenstellung des aktuellen Wissensstandes zum Klimawandel) zwar von allen Regierungen unterschrieben worden sei, aber dies im Alltagsgeschäft gerne verschwiegen wird. „Ja, es gibt einen weltweiten wissenschaftlichen und politischen Konsens zur Klimakrise.“
Michael Staudinger (World Meteorological Organization) hob die Bedeutung kleiner Schritte hervor:Weniger Fleisch essen oder das Auto stehen zu lassen, könne Vorbildwirkung für Familie und Freunde haben. © ÖOK/emw
Kleine Schritte, große Wirkung
Bei der Frage, wie sich die Klimakrise lösen lässt und welche Transformationen dafür notwendig sind, hob Michael Staudinger die Bedeutung kleiner Schritte hervor. Weniger Fleisch essen oder das Auto stehen zu lassen, könne Vorbildwirkung für Familie und Freunde haben: „Die sehen dann, was alles machbar ist. Und es gibt einem ein doppeltes gutes Gefühl, man lebt gesünder und tut etwas fürs Klima.“
Marina Hagen-Canaval warf ein, dass die Anpassung des Lebensstils zwar wichtig sei, jedoch individuelle Verhaltensweisen allein zu wenig seien, um den Klimawandel aufzuhalten. „Die Klimakatastrophe ist mit individuellem Konsum nicht aufhaltbar. Wir müssen Druck auf die Regierungen ausüben,“ betonte sie. Das sei der nachhaltigste Hebel. Beide sind sich jedoch darin einig, dass die Politik nachziehen muss, wenn die Bevölkerung vorangeht.
Marina Hagen-Canaval von der Letzten Generation betonte: „Die Klimakatastrophe ist mit individuellem Konsum nicht aufhaltbar. Wir müssen Druck auf die Regierungen ausüben.“ © ÖOK/emw
Marina Hagen-Canaval rief in Erinnerung, dass Demokratie nicht beim Kreuz am Wahltag endet. Sie forderte die Menschen dazu auf, aktiv zu werden, entweder Klimaproteste finanziell zu unterstützen oder selbst mitzumachen.
Für Katharina Choe ist klar, dass es ein gemeinsames Strangziehen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft braucht, um die Krise zu bewältigen. „Das Bewusstsein für die Klimakrise ist bei allen Generationen stärker geworden, aber es reicht nicht aus, nur darauf zu warten, dass die Politik handelt,“ sagte sie.
Katharina Choe vom Ban Ki Moon Center ist klar, dass es ein gemeinsames Strangziehen von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft braucht, um die Krise zu bewältigen. © ÖOK/emw
Positiver Verzicht
Anja Appel rief in Erinnerung, dass - so unpopulär es klingen mag – es den Verzicht brauche. „Wir müssen unseren Lebensstil ändern. Das ist klar. Wir müssen, wenn wir das Klima retten wollen, auf vieles verzichten. Das ist wie bei einer Diät: Ich esse lange nichts, aber am Ende bin ich super happy.“
Auch Staudinger betonte, dass es notwendig ist, die positiven Auswirkungen einer klimagerechten Lebensweise hervorzuheben – auch in Diskussionen mit Andersdenkenden.
Neben der spannenden Diskussion bot das beim Sommerfest auch Gelegenheit für Austausch und Begegnung. © ÖOK/emw
Menschenrecht auf Schnitzel
Katharina Choe möchte als Menschenrechtlerin erreichen, dass im Dialog zur Klimakrise die Menschen und ihre Rechte in den Vordergrund treten. Derzeit drehe es sich oft um kapitalistische Themen.
Anja Appel fügt hinzu: „Es ist notwendig, die Menschenrechte in einen globalen Zusammenhang zu setzen. Überspitzt formuliert, hat jeder Österreicher ein Menschenrecht auf Schnitzel – wie es oft suggeriert wird – versus, hat ein Indigener Anspruch auf das Land, auf dem er geboren wurde? Oder umgelegt auf die Klimakrise: Muss ich ein gewisses Quantum an Demokratie vertragen, weil dafür ein größeres Ziel erreicht wird.“
P. Manuel Sandesh und Band sorgten für Live-Musik und gute Stimmung. © ÖOK/emw
Alle an einem Strang ziehen
Die Diskussionsrunde machte deutlich, dass sofortige und entschlossene Maßnahmen notwendig sind, um die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern. Von der Verantwortung der Politik über die Rolle individueller Verhaltensänderungen bis hin zur globalen Klimagerechtigkeit – die Experten waren sich einig: Es muss jetzt gehandelt werden. „Wir müssen alle an einem Strang ziehen, um die Klimakrise zu bewältigen und Klimagerechtigkeit zu schaffen,“ schloss Choe.
Live-Musik von P. Sandesh
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion konnten sich die Gäste bei Live-Musik von P. Manuel Sandesh und einem vegan/vegetarischen Buffet gemütlich austauschen und das Gehörte ausführlich nachbesprechen.