Bischof Kräutler zum 85er: Barrieren für Synodalität überwinden
Bischof em. Erwin Kräutler feiert am 12. Juli 2024 seinen 85. Geburtstag. (c) Kati Bruder
Antworten auf „besonders schwerwiegende Barrieren für eine synodale Kirche“ seien dringend nötig, meinte er in einem Schreiben an Kathpress zu diesem Anlass. An seiner schon seit Jahrzehnten geäußerten Kritik am streng hierarchisch gegliederten System der katholischen Kirche hält Kräutler weiter fest. Es würde einem allgemeinen Priestertum aller Christinnen und Christen entgegenstehen, erklärte der Jubilar. „Zugehörigkeit benötigt Zugehörigkeitsrecht“, was bei Frauen Geschlechtergerechtigkeit bedeute. Folglich „darf Frauen die Weihegnade nicht länger verweigert werden“, mahnte der emeritierte Bischof.
Kräutler war von 1981 bis 2015 Bischof von Altamira-Xingu, der mit 350.000 Quadratkilometern damals flächenmäßig größten Diözese Brasiliens. Es sei dort hauptsächlich Frauen zu verdanken, die seit Jahrzehnten „in den Städten und im Busch als Gemeindeleiterinnen, Katechetinnen und Religionslehrerinnen wirken“, dass die Kirche in Amazonien „überhaupt lebt“, meinte Kräutler.
Gefährlich: Trend in Richtung „althergebrachte Autorität“
Die Teilhabe an der Kirche bezeichnete der emeritierte Bischof als „Recht eines jeden Christenmenschen“; damit sei gemeint, Verantwortung übernehmen zu dürfen. Dennoch tue sich die katholische Kirche mit der Betonung des allgemeinen Priestertums „verdammt schwer“, schrieb Kräutler. Als Grund sah er einen „von uns längst verschollen geglaubten Klerikalismus“, der sich „aktuell wieder aus den Truhen vergangener Jahrhunderte erhebt“. Einen solchen Trend in Richtung „althergebrachte Autorität“ sehe er als gefährlich, da diese „Autorität“ von Priestern und Bischöfen nicht über das Volk definiert sei. Richtig wäre jedoch das Gegenteil: „Wir sind für das Volk da und mit dem Volk Gottes unterwegs“. Darin bestehe die „Synodalität im Sinne Jesu“.
Als Teilhabe im Sinne synodaler Orientierung verstand Kräutler auch die Teilhabe der Frau in der Kirche. „Und da ist es für mich sehr verwunderlich, warum unser Papst Franziskus gerade dieses Thema aus dem Synodenprogramm gestrichen und auf den St. Nimmerleinstag hinausgeschoben hat“, kritisierte der Bischof. Nichts abgewinnen könne er dabei den Argumenten, die sich auf die Tradition berufen: „Es geht nicht darum, was vor zweitausend Jahren tatsächlich gegolten hat oder nicht, sondern es geht um eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit.“ Warum im Nachsynodalen Schreiben zur Amazonas-Synode von 2019 die Zustimmung der Bischöfe für verheiratete Priester oder den weiblichen Diakonat „mit keiner Silbe“ erwähnt geblieben sei, verstehe er nicht, Nachsatz: „Und das, obwohl es darum gehe, einen eucharistischen Notstand zu beheben“.
Leerstellen im Synoden-Arbeitspapier
Pessimistisch zeigte sich der emeritierte Bischof über den aktuellen synodalen Prozess der Weltkirche: Zwar fordere der Papst Bischöfe zu mutigen Vorschlägen und Ratschlägen auf, gleichzeitig würden aber genau solche nicht aufgenommen. Positiv bezeichnete Kräutler die stimmberechtigten „Synodenmütter – auch wenn das rechtsextreme Lager in unserer Kirche dagegen Sturm läuft“.
Das Anfang Juli veröffentlichte Arbeitspapier für die Beratungen während der im Oktober tagenden Weltsynode spreche kaum von „Armen“, kritisierte Kräutler. Die Weltsynode könne zwar nicht über den eigenen Schatten springen, „aber ein Rückzug aus der ‚bösen Welt‘ in weihrauchgeschwängerte Sakristeien oder der Versuch, durch liturgische Groß- und Kleinveranstaltungen mit viel Pomp, Trara und prunkvollen Gewändern wieder Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, ist sicher der falsche Weg“. Die Gefahr sei groß, dass sich die Kirche nach dem „skandalösen, grausigen Missbrauchskapitel“ wieder zu sehr mit sich selbst beschäftige und vergesse, Fragen über die Armut in der Welt zu beantworten.
Kräutler, der sich jahrelang an vorderster Front gegen den Bau des Amazonas-Kraftwerks Belo Monte einsetzte, ist bis heute auch ein international ein gefragter Experte für Menschenrechte, Umweltschutz und Indio-Rechte. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter 2010 den Alternativen Nobelpreis.
Anlässlich seines 85. Geburtstages bezeichnete Erzabt Korbinian Birnbacher Bischof Erwin Kräutler als „beeindruckenden Missionar und Bischof“. (c) ÖOK/msb
„Derzeit wohl einer der berühmtesten Ordensmänner Österreichs“
Erzabt Korbinian Birnbacher, Vorsitzender der Österreichischen Ordenskonferenz, meinte anlässlich Kräutlers 85. Geburtstages: „Als Missionar vom Kostbaren Blut dürfte Bischof Erwin Kräutler derzeit weltweit wohl einer der berühmtesten Ordensmänner Österreichs sein. Gut 35 Jahre war er Bischof der Territorial-Prälatur Xingu im Amazonasgebiet Brasiliens und ist heute noch immer aktiv. Seine ganze Liebe gehört der indigenen Bevölkerung im Amazonas-Gebiet. Aufgrund seines mutigen Eintretens für die Menschenrechte hat er 1987 einen Mordanschlag schwer verletzt überlebt.“
Außerdem gelte er als Co-Autor des ersten Kapitels zum Thema Umweltschutz der Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus. „Ich durfte diesem beeindruckenden Missionar und Bischof in Salzburg öfters begegnen, wo er einst seine Studienzeit verbracht hatte. Aus ganzem Herzen wünsche ich ihm im Namen der österreichischen Ordensgemeinschaften alles Gute zu seinem Geburtstag!“, sagte Erzabt Korbinian Birnbacher.
Zur Person
Der am 12. Juli 1939 in Koblach in Vorarlberg geborenen Erwin Kräutler ging schon kurz nach seiner Priesterweihe 1965 nach Brasilien. Von 1981 bis 2015 war er – als direkter Nachfolger seines Onkels Erich Kräutler – Bischof von Altamira-Xingu, der mit 350.000 Quadratkilometern flächenmäßig größten Diözese Brasiliens. 1983 wurde Kräutler bei einer Solidaritätsaktion mit Arbeitern, denen man den Lohn vorenthielt, verhaftet und verhört. Im gleichen Jahr wurde er Präsident des Indigenenmissionsrats CIMI der Brasilianischen Bischofskonferenz. Dieses Amt übte er bis 1991 und später erneut von 2006 bis 2015 aus.
1987 setzte sich Kräutler bei der Verfassunggebenden Versammlung Brasiliens erfolgreich für die Verankerung der Rechte der Ureinwohner ein. Kurz darauf wurde er bei einem mysteriösen Autounfall, bei dem ein Kleinlastwagen das Fahrzeug Kräutlers rammte, schwer verletzt. Seit 2006 steht der Bischof unter Polizeischutz. Mehrere Mitarbeiter Kräutlers wurden ermordet, unter ihnen auch die US-Ordensfrau und Umweltaktivistin Dorothy Stang 2005.
Quelle: kathpress