Orden als „Orte der Freiheit“ für Frauen in der Kirche
Die Diskutant:innen des Abends mit Moderatorin Maria Harmer (mitte): v.l.: H.H. Tassilo Lorenz, Sr. Melanie Wolfers, Sr. Agnes Mayer und Arnold Mettnitzer. © Stift Klosterneuburg/W. Hanzmann
Es diskutierten die Salvatorianerin, Buchautorin und Podcasterin Sr. Melanie Wolfers, die Wiener Karmelitin Sr. Agnes Mayer, der Psychotherapeut, Theologe und Autor Arnold Mettnitzer sowie der Klosterneuburger Chorherr Tassilo Lorenz.
Ordensgemeinschaft als Seilschaft
Sr. Melanie Wolfers sprach von „großen Freiräumen“, zugleich erlebe sie ihre Gemeinschaft auch als eine Art „Seilschaft“, wo man miteinander verbunden sei und sich gegenseitig Sicherheit gebe. Die Ordensfrau erinnerte zudem daran, dass Frauenorden in vergangenen Jahrhunderten nicht zuletzt auch „Orte der Freiheit“ für die Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft und Kirche waren. Orte, in denen sie sich selbst organisierten und ihr Leben in die Hand nehmen konnten. Und in gewisser Weise böten die Frauenorden auch heute noch solche Freiräume innerhalb der Kirche.
Sr. Melanie Wolfers erlebt ihre Ordensgemeinschaft als Seilschaft, die ihr Sicherheit gibt. Gemeinsam mit dieser Seilschaft kann sie Berge besteigen, die sie alleine nicht schaffen würde. © Stift Klosterneuburg/W. Hanzmann
Wie könne man aber erkennen, ob man zu einem Leben in einem Orden berufen sei? „Wenn deine Liebesfähigkeit und dein Lebendigsein wachsen. Wenn du das spürst, dann geh diesen Weg“, ist Sr. Melanie Wolfers überzeugt. Dabei gelte es, nicht nur sich selbst in den Blick zu nehmen. Es gehe auch um die Frage: „Wo bereichere ich das Leben anderer, wo bin ich gefragt?“ Bei der Begleitung von jungen Erwachsenen stelle sie oft die Frage: „Wo leuchten deine Augen auf und auch die von anderen?“ Der Psychotherapeut und ehemaliger Priester unterstreicht diesen Gedanken: „Auf der Suche nach unserer Berufung müssen wir auf die Gänsehautmomente setzen.“
Sr. Agnes Mayer lebt als Karmelitin in einem kontemplativen Orden. Die Welt mache aber vor dem Kloster nicht Halt. Ganz im Gegenteil: „Die Welt kommt zu uns“. © Stift Klosterneuburg/W. Hanzmann
„Die Welt kommt zu uns“
Sr. Agnes Mayer lebt im Wiener Karmel und gehört damit einem streng kontemplativen Orden an. Die Karmelitinnen seien zum Lobe Gottes da. Sieben Mal am Tag findet ein Stundengebet statt, in dem die Ordensfrauen für die Menschen solidarisch da sind. Dieses Leben in Zurückgezogenheit sei schwierig und erfüllend zugleich, sagte sie. Freilich: „Man muss dazu berufen sein. Mich hat dieses Leben angezogen. Es schenkt mir Weite.“
„Die Welt macht vor der Klausur nicht halt. Ganz im Gegenteil: Die Welt kommt zu uns“, erzählt Sr. Agnes Mayer. Die Schwestern würden im Gebet das Leben außerhalb des Klosters mittragen. Ob man für ein Leben im Orden oder gar in einem kontemplativen Orden berufen sei, müsse man einfach durch das Leben austesten. Es gehe um die Frage: „Kann ich hier erfüllt leben und meine Freiheit finden?“ Auf jeden Fall enthalte jede Berufung ein Bündel an Motivationen, ist die Ordensfrau überzeugt.
„Der Talar muss sitzen“, sagt Tassilo Lorenz. Er ist Novizenmeister im Stift Klosterneuburg und ist in dieser Funktion für die Ausbildung und Begleitung der jungen Ordensmänner zuständig. © Stift Klosterneuburg/W. Hanzmann
„Der Talar muss sitzen“
Tassilo Lorenz ist im Stift Klosterneuburg u.a. für die Novizenausbildung zuständig. Er führe diese Aufgabe freilich nicht allein aus, sondern mit einem Team aus Chorherren und weltlichen Mitarbeitenden. Die umfassende Ausbildung der jungen Chorherren – vor Kurzem hat Propst Anton Höslinger drei junge Novizen ins Stift aufgenommen – beinhalte u.a. auch vielfältige Bereiche der Persönlichkeitsbildung, berichtete Lorenz. Das Hineinwachsen in die Gemeinschaft und das liturgische Leben der Chorherren sei sowohl für diese, wie auch für die Novizen eine Herausforderung, so Lorenz. Wörtlich und symbolisch gehe es um das Kriterium: „Der Talar muss sitzen.“ Das Noviziat sei eine Zeit der Prüfung, wo man auch jederzeit wieder aussteigen könne.
Sr. Melanie Wolfers bezeichnete das Noviziat auch im Blick auf ihre eigenen Erfahrungen u.a. als eine Art „Wüstenerfahrung“. Man lerne sich selbst besser kennen. Das Noviziat sei eine Zeit der „spirituellen und menschlichen Selbsteinsicht“.
„Auf der Suche nach unserer Berufung müssen wir auf die Gänsehautmomente setzen“, sagt der Psychotherapeut und frühere Priester Arnold Mettnitzer. © Stift Klosterneuburg/W. Hanzmann
Stille aushalten können
Dazu bemerkte Arnold Mettnitzer, dass in der Gesellschaft immer mehr die Fähigkeit verloren gehe, Stille bzw. sich selbst in Stille auszuhalten. Allerdings eine grundlegend notwendige menschliche Fähigkeit, wie der Psychotherapeut betonte. Umso wertvoller seien die Erfahrungen von Stille im Rahmen der Ausbildungen in den Orden, so Mettnitzer, der in diesem Zusammenhang auch über seine eigenen Erlebnisse bei den Jesuiten berichtete.
Mettnitzer brachte in die Diskussion auch den Aspekt ein, dass Berufung in der Kirche allzu lange nur unter dem Aspekt eines Lebens als Priester oder Ordensmann bzw. Ordensfrau verstanden wurde. Vor allem in kirchlichen Bildungseinrichtungen seien andere Berufungen nicht ernst genommen worden.
Hände falten und Ärmel hochkrempeln
Alle Diskutanten waren sich dabei einig, dass jede Berufung gleichwertig sei, es gehe schlicht darum, die eigene zu finden. Wolfers dazu: „Christsein heißt, die Hände falten und die Ärmel hochkrempeln“. Das sei die Berufung jedes Christen. Sr. Agnes Mayer formulierte es so: „Einen Beruf auszuüben ist zu wenig, Berufung erfüllt.“
Ausstellung „Wir Schwestern“
Im Stift Klosterneuburg lebten früher nicht nur Ordensmänner, sondern auch Ordensfrauen: die Augustiner-Chorfrauen, deren Gemeinschaft von der Klostergründung 1133 an bis 1568 bestand und zwischenzeitlich eine beachtliche Blüte erreichte. Die heurige Ausstellung „Wir Schwestern“ im Stift beleuchtet die weithin vergessene Geschichte des Chorfrauenstiftes, die dort lebenden Frauen sowie ihre Aufgaben, ihren Alltag und ihre Feste. Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen der Ausstellung statt bzw. sollte diese inhaltlich ergänzen.
Podiumsdiskussion zum Nachschauen und Nachhören
Die Podiumsdiskussion wurde auch im Video-Live-Stream übertragen und kann nachgesehen werden. „Radio Klassik Stephansdom“ strahlt eine Zusammenfassung am 18. September 2024 um 17.30 Uhr aus.
Quelle: kathpress