Ordensfrau aus Bolivien: „Bergbau zerstört Leben in Lateinamerika“
Sr. Gladys Montesinos Sollo schildert die trastischen Auswirkungen des Bergbaus in Bolivien. Sie selbst lebt seit ein paar Jahren mit dem indigen Volk der Tsimane im bolivianischen Amazonasgebiet. © ÖOK/rm
Sr. Gladys lebt seit 2022 mit dem indigenen Volk der Tsimane im bolivianischen Amazonasgebiet. Die Menschen und die Natur dort leiden unter dem Goldfieber in Bolivien. „Extraktivismus bringt viele Probleme für Natur und Menschen mit sich: Er hinterlässt verschmutzte Flüsse, zerstörte Umwelt, er führt zum Ende der traditionellen Kultur. Die Bevölkerung leidet unter Menschenhandel, Vergewaltigungen, Entführungen bis hin zu Mord“, erzählt Sr. Gladys. Die aus Peru stammende Karmelitin setzt sich seit mehreren Jahren für die indigene Bevölkerung ein, die in kleinen Dörfern mit 20 bis 30 Familien lebt, und mit Diskriminierung und Enteignung durch Unternehmen und private Vereinigungen konfrontiert ist. Wegen ihres unermüdlichen Engagements für die Tsimane wird Schwester Gladys auch immer wieder bedroht. Das Engagement und der Mut von Schwester Gladys wurde in diesem Jahr mit dem Pax Christi Friedenspreis gewürdigt.
Mehr Geschwisterlichkeit im Nord-Süd-Dialog
Gegenüber dem wachsenden Druck jener Konzerne, die auf ihren Territorien Rohstoffe abbauen wollen, verteidigen sich viele Völker der Region schon seit Jahrzehnten. „Wir wollen, dass die Menschen und die Natur an erster Stelle stehen. Der Bergbau ist keine nachhaltige Entwicklung, keine grüne Energie! Das ist Bereicherung auf Kosten unserer Mutter Erde.“
„Wir brauchen mehr Geschwisterlichkeit im Nord-Süd-Dialog. Der Globale Norden muss die Stimme der Völker hören und ihnen das Recht zugestehen, Minenprojekte abzulehnen", fordert die Ordensfrau und Umweltaktivistin.
Sr. Anneliese Herzig (li.) begleitet Mitglieder der Karwane in Wien: Vito Calderón und Sr. Gladys Montesinos Sollo. © ÖOK/rm
„Der Bergbau vergiftet uns und unser Land!“
Vito Calderón ist ebenfalls Teil der „Karawane“ und Sprecher des indigenen Volkes der Aymara in Peru, wo vor allem Projekte zum Lithium- und Uranabbau vorangetrieben werden. Der Aktivist erzählt von ganzen Flussläufen, die mit Baggern in Mondlandschaften verwandelt werden, von Wasser, das durch Quecksilber und andere Stoffe vergiftet wird und von heiligen Stätten, die zerstört werden. Seine Botschaft ist klar: „Der Lebensstil im Westen muss sich ändern und die Menschen müssen erkennen, wie sich ihr Lebensstil in Lateinamerika auswirkt. Der Bergbau vergiftet uns und unser Land!“
Falsches Narrativ der Energiewende
„Das Narrativ der Energiewende hier im globalen Norden ist falsch. Durch ihre Art zu leben, treffen sie (die Menschen im globalen Norden, Anm. d. Red.) eine Entscheidung über Leben und Tod“, sagt er in aller Deutlichkeit und erklärt: „Das Lithium, das für die Akkus in den E-Autos gebraucht wird, wird bei uns im Amazonasgebiet abgebaut. Unser Volk leidet darunter! Bergbau zerstört Leben in Lateinamerika.“
Sr. Anneliese Herzig, theologische Referentin bei der Dreikönigsaktion, betont, wie wichtig es ist, die Stimme der betroffenen Menschen zu hören: „Wir müssen auch an die Menschen denken, die im Bergbau arbeiten oder in Bergbaugebieten leben. Oft wird illegal abgebaut, die Menschen vor Ort werden nicht angehört und ihre Gesundheit wird gefährdet.“ Sicher, Gold sei ein Symbol für das Göttliche, das Große, das Schöne und hat zudem praktische Eigenschaften. Aber es geht auch anders, ist die Ordensfrau überzeugt: „Alternativen zu Schmuck und religiösen Symbolen, recyceltes Gold, ein Nachdenken über ethische Anlageformen, sowie ein bewusstes Kaufverhalten bei Elektronikgeräten, zumal diese Seltene Metalle enthalten.“
„Das Narrativ der Energiewende hier im globalen Norden ist falsch“, ist Vito Calderón, Sprecher des indigenen Volkes der Aymara in Peru, überzeugt. © ÖOK/rm
Die „Karawane“
Eine 9-köpfige Delegation von Kirchenvertreter:innen aus fünf Ländern Lateinamerikas reist derzeit durch Europa. Ihr Ziel ist es, Probleme aufzuzeigen, die der Abbau von Rohstoffen in ihren Ländern verursacht. Gleichzeitig wollen die Ordensleute, pastoralen Mitarbeiter:innen, jungen Aktivist:innen und Betroffenen auch mit europäischen Gesellschaften und Ortskirchen in Dialog treten, um Lösungen zu entwickeln, die das „gemeinsame Haus“, den Planeten Erde, schützen und zu globaler Gerechtigkeit beitragen.
Getragen wird die „Karawane“ durch Europa vom lateinamerikanischen Netzwerk „Kirchen und Bergbau“, dem panamazonischen Kirchennetzwerk REPAM und der Indigenenpastoral der brasilianischen Bischofkonferenz CIMI. Die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar verbindet eine langjährige Partnerschaft mit diesen Organisationen und sie fungiert als Gastgeberin des Besuchs in Österreich.
Weitere Informationen finden sich in der Broschüre „Goldene Zeiten für alle! – Impulse zum nachhaltigen Umgang mit Gold“: www.dka.at/gold
FINANKO – Richtlinien für Ethische Geldanlagen
Österreich ist für die „Karawane“ eine wichtige Station: Die Katholische Kirche hat im vergangenen April ihre Richtlinien für Ethische Geldanlagen (www.finanko.at) aktualisiert und verschärft. Neue Veranlagungen in Gold und andere Edelmetalle sind seitdem verbindlich ausgeschlossen. Dieser Schritt wird rechnen die Aktivist:innen aus Lateinamerika der Katholischen Kirche in Österreich hoch an. Das dahinter stehende Projekt „Gold und Kirche“ verfolgt die Dreikönigsaktion (DKA) schon seit sieben Jahren. „Wir wollen Bewusstsein bilden und dafür sensibilisieren, dass nicht mehr selbstverständlich Gold für die Geldanlage und als Geschenk verwendet wird“, erklärte die bei der DKA tätige österreichische Ordensfrau Sr. Anneliese Herzig, die die „Karawane“ begleitete.
Nachzuhören auf Radio Klassik Stephansdom
Am 16. Dezember 2024 kann das Interview mit Sr. Gladys Montesinos Sollo, Vito Calderón und Sr. Anneliese Herzig auf Radio Klassik Stephansdom nachgehört werden.