„Vom Gewesen-Sein und Werden“ – Klosterschreiberin präsentierte Texte
Sr. Elisabeth Katherl und Cornelia Hülmbauer präsentierten Texte aus dem Karmelitinnenkloster in Gmunden von Gestern (Chronik) und Heute (literarische Texte). © ÖOK/rm Fotodownload
Als Klosterschreiberin war die Schriftstellerin Cornelia Hülmbauer im Sommer für zwei Monate im ehemaligen Kloster zu Gast und hat sich von diesem besonderen Ort, den Dingen, den Geschichten und von der Stille inspirieren lassen und ihre Eindrücke in Worte gefasst:
Wie begleitet man den Transformationsprozess eines Ortes?, frage ich mich. Denn so lautet mein Auftrag. Ich bin Klosterschreiberin eines Klosters, das es als solches nicht mehr gibt. Und doch wohne und arbeite ich gerade hier. Als „ehemalig“ wird es nun bezeichnet, mit Verweis auf das, was einmal war. […] Ich beziehe eine Zelle, richte mir einen Schreibplatz in der ehemaligen Novizinnenkapelle ein. Ich mache mich vertraut mit dem Gebäude, seinen haptischen Eigenheiten und Geräuschen. Manchmal seufzt eine Tür beim Öffnen und lässt sich dann partout nicht mehr ganz schließen, immer gibt die eine Bodenplatte unter meinem Schritt ein wenig mehr nach als sie sollte. Ich nehme an, das war nicht immer so. Aber wohl schon eine ganze Weile. Für die Zeit meines Aufenthalts jedenfalls noch. Der Ort ist geduldig mit mir. Und ich mit ihm. Das Kloster ist ein eigener Mikrokosmos, weiterhin. Ich blicke durch schräg gestellte Lamellen, von der einen und der anderen Seite, öffne und schließe Fenster aus perforiertem Milchglas, drehe so lange an Winden, bis der Kreis sich einmal geschlossen hat. Perspektiven von Innen und Außen, Begrenztheit und Geschütztsein drehen sich ebenso. Bald wird das Klackern der Bodenplatten zu einer liebgewonnenen Melodie. Manche Türen, nämlich jene zur umliegenden Stadt, öffne ich immer seltener.
[Auszug aus dem Text „Vom Gewesen-Sein und werden“ von Cornelia Hülmbauer]
Klosterschreiberin Cornelia Hülmbauer präsentierte die Texte, die während ihres Aufenthalts im Kloster entstanden sind. Sr. Elisabeth Katherl, ehemalige Priorin des Karmelitinnenklosters in Gmunden, las Texte aus der Chronik der Karmelitinnen. © ÖOK/rm Fotodownload
„Was brauchst du?“
Neben Prosa bringt Cornelia Hülmbauer ihre Eindrücke auch in zwei Gedichtzyklen zum Ausdruck. In „Was brauchst du?“ fragt die Autorin, was man im Leben wirklich braucht. Die Schwestern haben ein Armutsgelübde abgelegt, das Notwendigste reichte. Sie lebten zurückgezogen in ihrem Kloster, führten ein eigenständiges Leben in Klausur. Diese Lebensweise klingt auch nach dem Auszug der Schwestern noch nach: Einen Spiegel sucht man im Kloster vergebens.
In „Kleine Schachterl“ nimmt Cornelia Hülmbauer – mit einem Augenzwinkern – die Zuhörer:innen mit auf ihre Entdeckungsgänge durchs Kloster: Sie stieß auf Vasen in allen Größen und Farben, verschiedenste Arten von Einmachgläsern und eben: Schachterln – in allen Größen, Formen und meist sorgfältig ineinander geschachtelt. Eine Gedankenreise, wie und wo all diese Gegenstände wohl einmal verwendet worden sind und welche Bedeutung sie tragen.
Die Texte von Cornelia Hülmbauer werden voraussichtlich 2025 in gedruckter Form erscheinen.
Die Abschlussveranstaltung des Projektes „Klosterschreiberin“ zeigte Gestern und Heute in Koexistenz. © ÖOK/rm Fotodownload
Ein Streifzug durch die Vergangenheit
Ein weiteres Highlight des Nachmittags war das Mitwirken von Sr. Elisabeth Katherl, ehemalige Priorin des Klosters in Gmunden. Sie las Auszüge aus der Chronik der Karmelitinnen vor: Zwei in Leder gebundene Bücher, mit unterschiedlichen Handschriften (je nach Priorin) und teilweise noch in Kurrentschrift, sind als „Gedächtnis des Klosters“ für die Nachwelt geblieben. So berichtete Sr. Elisabeth Katherl von der Reise der ersten Karmelitinnen von Prag nach Gmunden im Jahr 1828 oder von „besonderen“ Besuchen (Herzog Ulrich von Württemberg; ein Schwan im Kloster; ein Einbrecher und darauf folgend die Polizei). In der Chronik wurden sowohl schreckliche Ereignisse wie der Einmarsch Hitlerdeutschlands in Österreich, als auch schöne Erlebnisse, zum Beispiel als Papst Paul VI. 1970 „unsere heilige Mutter Theresia zur Kirchenlehrerin ernannte“, festgehalten.
Die Chroniken der Karmelitinnen sind bereits digitalisiert und fachgerecht im Archiv aufbewahrt.
„Das Projekt Klosterschreiberin ist ein Wagnis, ein Experiment, ein tastender Versuch, diesem Kloster nach dem Auszug der Schwestern neues Leben einzuhauchen“, sagt Karin Mayer, Initiatorin des Projektes. © ÖOK/rm Fotodownload
Vom Ort der Stille zum Raum der Begegnung
„Die vielfältigen Erlebnisse über das stille, verborgene, wertvolle Wirken der Karmelitinnen in Gmunden sollen nicht in Vergessenheit geraten. Sie sind ein kostbarer Schatz – für die Karmelitinnen und für uns, wertvoll für die ganze Gesellschaft. Das Projekt ‚Klosterschreiberin‘ ist ein Wagnis, ein Experiment, ein tastender Versuch, diesem Kloster nach dem Auszug der Schwestern neues Leben einzuhauchen. Es war der Beginn einer Transformation: von einem Ort der Stille und Kontemplation zu einem Raum der Begegnung für die Öffentlichkeit“, sagte Karin Mayer, Initiatorin des Projektes „Klosterschreiberin“ und Bereichsleiterin Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz, in ihren Begrüßungsworten.
v.l.: Karin Mayer, Cornelia Hülmbauer, Sr. Elisabeth Katherl und Sr. Agnes Mayer. © ÖOK/rm Fotodownload
Kein Punkt, sondern ein Doppelpunkt
Sr. Agnes Mayer, Föderationspräsidentin, betonte in ihren Worten ebenso, dass der Weggang der Schwestern kein Ende ist. Sie stellte sich und den Gästen die Frage: Was bleibt in Gmunden? Besser wer bleibt in Gmunden? „Gott! Und wer sich Gott zuwendet, […], in dem die Fülle des Lebens ist, der wird diese Fülle inmitten der Freuden und Leiden unseres Lebens auch entdecken. Der lässt nicht mehr nur die Schwestern für sich beten, der wendet sich auch selbst Gott zu und betet mit ihnen. Ob sie nun in Gmunden leben oder in Bad Mühllacken. Gebet kennt keine Grenzen von Raum und Zeit. Ich möchte jetzt daher auch keinen Punkt machen, sondern einen Doppelpunkt: Geben wir in Zukunft Gott eine Chance in unserem Leben.“
Moderator Christopher Paul Campbell im Gespräch mit Föderationspräsidentin Sr. Agnes Mayer und Klosterschreiberin Cornelia Hülmbauer. © ÖOK/rm Fotodownload
Traditionshaus in neuen Händen
Rudi Luftensteiner, Vorstandsvorsitzender des Instituts Österreichischer Orden, bedankte sich als neuer Eigentümer für das gelungene Projekt und betonte, wie wertvoll das „Traditionshaus“ der Karmelitinnen in Gmunden ist. „Nicht nur als Immobile, sondern vor allem als Seele, die das Haus für die Gmundner sehr lange Zeit war.“
Die Karmelitinnen in Gmunden verabschiedeten sich im März 2023 aus dem Kloster in Gmunden und übersiedelten ins Mutterhaus der Marienschwestern vom Karmel nach Bad Mühllacken. Die Ordensfrauen übergaben die Liegenschaft an das Institut Österreichischer Orden. Mit dem Projekt „Klosterschreiberin“ wurde dem leerstehenden Kloster neues Leben eingehaucht und ein Transformationsprozess gestartet. Die weitere Nutzung des Gebäudes ist noch in der Projekt- und Entwicklungsphase.
Arbeiten an einer guten Zukunft für das Klostergebäude: Anton Süss (li.) und Rudi Luftensteiner (re.) vom Institut Österreichischer Orden. Sr. Elisabeth Katherl und ihre Mitschwestern aus dem Kloster Gmunden sind zu den Marienschwestern vom Karmel nach Bad Mühllacken gezogen. Als Vertreterinnen waren Generaloberin Sr. M. Margret Grill (2.v.li.) und Sr. M. Michaela Pfeiffer-Vogl (2.v.re.) bei der Veranstaltung. Vorne Mitte: Föderationspräsidentin Sr. Agnes Mayer und Sr. Elisabeth Katherl, ehemalige Priorin des Klosters in Gmunden. © ÖOK/rm Fotodownload
Die Abschlussveranstaltung zeigte das Gestern und Heute des ehemaligen Karmelitinnenkloster in Koexistenz und fand in Kooperation mit dem Canisiuswerk statt.