Nachlässe von Ordensleuten: Zwischen Erinnerung und Auslese
Suche nach dem „goldenen Mittelweg“: Der Praxistag Archive gab Hilfestellungen für die Frage, was von einem Nachlass erhalten bleiben soll und was nicht. © ÖOK/km
Briefe, Fotografien, persönliche Notizen – all diese Spuren spiegeln die Persönlichkeit und das Wirken eines verstorbenen Menschen wider und erzählen von seinem Leben und seinen Werten. Auch wenn diese Dokumente für die verstorbene Ordensfrau oder den verstorbenen Ordensmann vielleicht unbedeutend wirkten, sind sie für die Nachwelt mitunter von großem Wert.
Archivieren oder skartieren? Der feine Grat des Bewahrens
Verstirbt eine Mitschwester oder ein Mitbruder, trägt jede Ordensgemeinschaft Verantwortung für den respektvollen Umgang mit allen persönlichen Dokumenten, Unterlagen und Gegenständen. Doch wie geht man angemessen mit diesen Zeugnissen um? Und nach welchen Kriterien sollen Archivar:innen entscheiden, welche Dokumente archiviert und welche aussortiert werden? Diese Balance zu finden, ist eine Herausforderung, die viel Fingerspitzengefühl und Empathie erfordert. Der Praxistag Archive bot eine wertvolle Orientierungshilfe für den Spagat zwischen der verantwortungsvollen Bewahrung und dem notwendigen Aussondern von Dokumenten.
Der Unterschied zwischen Nachlass und Personalakt
Gerald Hirtner, Archivar der Erzabtei St. Peter und Gastgeber der Veranstaltung, eröffnete seinen Vortrag mit einer klaren Abgrenzung: Ein Nachlass umfasst private Dokumente, während ein Personalakt nur offizielle Akten und berufliche Unterlagen beinhaltet. Hirtner betonte, dass eine gute Dokumentation bei der Übergabe von Nachlässen essenziell ist, um den Kontext und die Herkunft der Bestände nachvollziehbar zu halten. Besonders hob er den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz bei der Analyse und der Erschließung von Archivalien hervor, die den Zugang zu Informationen deutlich erleichtert. Doch trotz aller Hilfsmittel ginge es letztlich um menschliche Entscheidungen: „Für den Umgang mit Nachlässen gibt es bislang kein allgemeingültiges Regelwerk und keine Patentlösung. Es braucht immer den genauen, empathischen Blick auf die Biografie.“
Wichtige Aspekte im Umgang mit Nachlässen: Gerald Hirtner, Archivar der Erzabtei St. Peter und Gastgeber der Veranstaltung, bei seinem Eröffnungsvortrag © ÖOK/km
Die Herkunft als Schlüssel zur Geschichte
Miriam Trojer, Leiterin des Archivs und der Bibliothek im Stift Wilten, ging auf die Bedeutung der Provenienz – also die Herkunft der Dokumente – ein. Ohne dieses Wissen lässt sich der historische Wert eines Nachlasses kaum richtig einordnen. Sie zitierte, dass „archivwürdig und von bleibendem Wert“ jene Unterlagen sind, die die rechtlichen Grundlagen, den Aufbau, das apostolische Wirken, das Charisma sowie die wirtschaftliche Verwaltung der Ordensgemeinschaft dokumentieren. Trojer verwies zudem auf wichtige rechtliche Fragen wie zum Beispiel Schutzfristen und Urheberrechte, die bei der Archivierung streng zu beachten sind.
Bestandserhaltung im Fokus: Digitale Sicherung für die Zukunft
Iris Fichtinger, Referentin für Archive im Bereich Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz, machte in ihrem Vortrag auf einfache, aber wirkungsvolle Maßnahmen zur Erhaltung von Archivbeständen aufmerksam. Regelmäßige Klimamessungen, Schädlingskontrollen und die Nutzung von alterungsbeständigen Materialien sind entscheidend für den Erhalt wertvoller Dokumente. Besonders gefährdete Bestände sollten zudem digitalisiert werden, um sie langfristig zu sichern. Fichtinger betonte: „Mit diesen einfachen Mitteln kann eine langfristige Erhaltung der wertvollen Dokumente sichergestellt werden.“
Von der Theorie zur Praxis: In Kleingruppen lernten die Teilnehmenden, Nachlässe zu ordnen und zu sortieren. ÖOK/km
Praktische Übungen: Theorie wird lebendig
Im praktischen Teil des Praxistags konnten die Teilnehmer:innen ihr Wissen direkt anwenden. In kleinen Gruppen arbeiteten sie an den Archivalien der Erzabtei St. Peter und lernten, Nachlässe zu ordnen und zu erschließen. Diese Übungen führten zu einem intensiven Austausch und lebendigen Diskussionen, die allen vor Augen führten, wie vielschichtig das Thema ist.
Fazit: Ordensnachlässe als lebendiges Erbe
Nachlässe von Ordensleuten sind mehr als nur persönliche Erinnerungen. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Erbes und tragen maßgeblich zur Dokumentation der Geschichte und der Werte von Ordensgemeinschaften bei. Ihr sorgsamer Umgang sichert, dass dieses Vermächtnis auch für künftige Generationen erhalten bleibt. Der Praxistag verdeutlichte eindrucksvoll, wie eng Geschichte, Erinnerung und Respekt miteinander verbunden sind – und wie wichtig es ist, diese wertvollen Spuren für die Zukunft zu bewahren.
Die 26 Teilnehmenden waren sich einig: Der Praxistag war eine bereichernde Erfahrung und bot wertvolle Einblicke in die anspruchsvolle Arbeit der Archivierung.
Inspiriert von den vielen Eindrücken: Die Teilnehmenden des Praxistags Archive beim Abschlussfoto im Stiftshof der Erzabtei St. Peter © ÖOK/km