Sr. Teresa Hieslmayr: Verbundenheit ist menschliches Grundbedürfnis
Ordensfrau, Therapeutin und Buchautorin: Sr. Teresa Hieslmayr appelliert, das „Wir“ wieder mehr in den Vordergrund zu rücken. © ÖOK/emw
Wie Menschen in einer vereinzelten Gesellschaft zu mehr Miteinander finden, hat die Dominikanerin Sr. Teresa Hieslmayr in ihrem neuen Buch „Wege zum Miteinander. Aus dem Erfahrungsschatz einer Psychotherapeutin und Ordensfrau“ dargelegt. Im Interview mit „Kirche bunt“ sprach sie darüber, welche Wege im Alltag und im Glauben aus einer Einsamkeit und Ich-Zentriertheit herausführen und wie wichtig die Verbundenheit als menschliches Grundbedürfnis ist.
Vom Ich zum Wir
„Ich bin in den letzten Jahren zu der Überzeugung gekommen, dass, wenn man die Welt nicht aus dem ‚Ich‘, sondern aus dem ‚Wir‘ heraus versteht, das Leben insgesamt viel mehr Sinn macht“, erklärte Hieslmayr. Oftmals habe aber das Ich den Vorrang, und der Blick darauf, welche Auswirkungen eine Entscheidung oder ein Ereignis auf die Gemeinschaft hat, fehle. Soziale Medien geben heute Werkzeuge zur Vernetzung, die Digitalisierung trage aber auch zur Vereinzelung bei, gab Hieslmayr zu bedenken – etwa, wenn die Arbeit von Menschen durch Geräte ersetzt werde. Eine „Gegenerfahrung zur Einsamkeit“ könne beispielsweise ein freundlicher Gruß an der Kassa oder an die höfliche Dame am Schalter sein.
Das Miteinander in der Kirche fördern
Eine Ich-Fokussierung sei nicht nur im alltäglichen Leben, sondern auch in der Theologie zu beobachten: „Im Vordergrund steht nicht das gemeinsame Projekt eines ‚Reiches Gottes‘, sondern die Frage nach dem persönlichen Heil“, führte die Therapeutin und Ordensfrau aus. Auch in der Gestaltung von Gottesdiensten und in den Pfarren müssten Möglichkeiten gefunden werden, dass Menschen sich als Teil einer Glaubensgemeinschaft fühlten. „Die Sehnsucht nach Räumen für Spiritualität ist groß“, sagte Hieslmayr. In Pfarren brauche es Menschen, vor allem in Leitungspositionen, die auf andere interessiert zugehen und fragen: „Wie geht es dir? Was brauchst du, was braucht ihr? “
So wie Pfarren könne jeder Mensch zu einem Gemeinschaftsgefühl beitragen. „Grundlage ist, dass wir uns bewusst sind, dass wir Menschen grundsätzlich gleichwertig auf einer Ebene sind“, fuhr Hieslmayr fort. Christinnen und Christen hätten ein gemeinsames Fundament – als Ideal formuliert: „Barmherzigkeit, Vergebung im Umgang miteinander und der zwecklose, nicht leistungsorientierte Blick aufeinander, auch auf uns selbst.“
Teresa Hieslmayr gehört der kleinen Gemeinschaft der Dominikanerinnen im Kloster Kirchberg am Wechsel an. Sie arbeitet u.a. als Psychotherapeutin.
Teresa Hieslmayr: Wege zum Miteinander - Aus dem Erfahrungsschatz einer Psychotherapeutin und Ordensfrau. Tyrolia Verlag 2024. © Canva/Tyrolia
Quelle: kathpress/Kirche bunt