Zwei Orden als Neuzugänge im UNESCO-„Memory of world“-Register
Feierlicher Moment: Stiftsarchivar Andreas Gamerith und Abt Johannes Maria Szypulski erhalten von Sabine Haag die begehrte Auszeichnung. © UNESCO
Das von der UNESCO im Jahr 1992 ins Leben gerufene Programm „Memory of the World“ hat das Ziel, die weltweiten Anstrengungen zur Erhaltung bedeutender Dokumente, zur Bewahrung von Wissen und zur Förderung des Zugangs zu Informationen zu unterstützen. Hierzu werden in internationalen und nationalen Registern Dokumente und Sammlungen von besonderem Wert gelistet, um das Bewusstsein für die Notwendigkeit des Dokumentenschutzes zu stärken.
Neuzugänge im „Memory of Austria“
Das 2014 gegründete Nationale Dokumentenerbe-Register „Memory of Austria“, dessen Fachbeirat auch Karin Mayer, die Leiterin des Bereichs Kultur und Dokumentation der Österreichischen Ordenskonferenz angehört, zeichnet Dokumente und Sammlungen aus, die von herausragender Bedeutung und historischer Wichtigkeit für das österreichische kulturelle Gedächtnis sind. Das Memory of Austria-Verzeichnis wird alle zwei Jahre erweitert und beinhaltet zahlreiche wertvolle Handschriften, Nachlässe, Urkunden, Drucke, Fotos und Filme.
Seit kurzem umfasst diese Liste auch zwei Neuzugänge von österreichischen Orden – die Musikaliensammlung von P. Alexander Giessel aus dem Archiv der Minoriten in Wien und das Stiftungsbuch des Stiftes Zwettl, genannt „Bärenhaut“.
Teil des österreichischen kulturellen Gedächtnisses: Das Archiv der Minoriten enthält eine Fülle an Musikalien, die rund um den Kaiserhof verfasst, kopiert und gespielt wurden. © Archiv der Minoriten Wien
Feierliche Urkundenverleihung
Am Montag, dem 16. Dezember, fand in den Räumen der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) die feierliche Übergabe der Urkunden für neun neue Einträge sowie für die Erweiterung eines bestehenden Eintrags statt. Sabine Haag, die Präsidentin der Österreichischen UNESCO-Kommission, überreichte die Auszeichnungen unter anderem auch an Vertreter:innen der Minoriten und des Zisterzienserstiftes Zwettl. Damit umfasst das nationale Register nun insgesamt 79 Einträge, die Epochen aus verschiedensten Zeitabschnitten der Geschichte abdecken.
Zwettler „Bärenhaut“ als Handschrift von höchstem Wert
Für das Zisterzienserstift Zwettl nahmen Abt Johannes Maria Szypulski und Stiftsarchivar Andreas Gamerith die Ehrenurkunde entgegen, die die Aufnahme der Zwettler „Bärenhaut“ in das Dokumentenerbe-Register „Memory of Austria“ bestätigt.
Das „Liber fundatorum“, auch bekannt als „Buch der Stifter“, entstand vor mehr als 700 Jahren, um die damaligen Besitztümer des Waldviertler Stiftes schriftlich festzuhalten. Es sollte als Absicherung dienen, falls die originalen Schenkungs- oder Besitzurkunden verloren gingen. Gleichzeitig bot die Handschrift die Gelegenheit, die eigene Klostergeschichte in einem vorteilhaften Licht darzustellen. So vereinen sich in diesem Werk historische Gegebenheiten mit den religiösen Vorstellungen der Mönche und zeichnen ein repräsentatives Bild des mittelalterlichen Selbstverständnisses.
Kunstvolle gotische Buchmalerei: Das „Buch der Stifter“ entstand vor mehr als 700 Jahren, um die damaligen Besitztümer des Waldviertler Stiftes schriftlich festzuhalten.© Stift Zwettl
Ein unfertiges Meisterwerk
Die Bezeichnung „Bärenhaut“ leitet sich vom Ledereinband des Stiftungsbuchs ab, der aus der Haut eines „Saubären“ gefertigt wurde. Das ehrgeizige Projekt aus dem 14. Jahrhundert blieb zum Teil unvollendet, was sich auch daran zeigt, dass der ursprünglich geplante Umfang an Buchverzierungen nicht vollständig umgesetzt wurde. Seiten wie der berühmte „Stammbaum der Kuenringer“ beeindrucken zwar mit kunstvoller gotischer Buchmalerei, doch viele andere Stifterabbildungen und Initialen blieben nur Entwürfe oder wurden nie vollendet. Kurios wirken die späteren Ergänzungsversuche eines barocken Schreibers, der einige Gesichter nachträglich einzufügen versuchte.
Musik als Kulturschatz der Minoriten
Auch die Minoriten hatten Grund zur Freude. Aufgenommen wurde jener Teil des Musikbestandes des Archivs, den Prof. Dr. Friedrich Riedel bei der Inventarisierung als „vor 1784“ charakterisierte. Mehrheitlich durch den umtriebigen Minoritenpater Alexander Giessel (1694-1766) zusammengetragen, enthält es eine Fülle an Musikalien, die rund um den Kaiserhof verfasst, kopiert und gespielt wurden.
Freude bei und mit den Minoriten: Pol Edinger, Johanna Rachinger, P. Bernhard Lang und Karin Mayer (v.l.n.r.) © Stefan Summer
Entgegengenommen haben die Urkunde für die Minoriten der Provinzkustos P. Bernhard Lang und der Bibliothekar der Zentralbibliothek, Pol B. Edinger. In einer kurzen Stellungnahme betonte P. Bernhard nicht nur den großen Reichtum an Kultur, Musik und Literatur, den die Minoriten in ihrer Wiener Zentralbibliothek und dem Archiv betreuen und sichern, sondern auch die Wichtigkeit, diese Bestände für die Wissenschaft und Gesellschaft zu öffnen. „Die Aufnahme ins österreichische Memory of the World Register der UNESCO betont diesen großen kulturellen Schatz der Minoriten, die seit 800 Jahren in Österreich präsent sind!“, freut sich Pol B. Edinger.
Orden sind Teil des „Gedächtnis der Menschheit“
Neben den beiden Neuzugängen sind auch andere Objekte von Orden bereits im Register von „Memory of Austria“ verzeichnet:
- Die Inkunabel-Sammlung des Stiftes Göttweig
- Das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salzburg, Hs. A1
- Die Vorauer Volksbibel
- Die mittelalterliche Handschriftensammlung „Concordantiae caritatis“ des Stiftes Lilienfeld
- Die Beschreibung der indigenen Bevölkerung in Paraguay von Pater Florian Paucke um 1770 aus dem Stift Zwettl
- Der Archivbestand des Abtes Dominikus Hagenauer von St. Peter in Salzburg