Kritik am „First“-Prinzip: Abt Petrus Pilsinger mahnt zu mehr Solidarität
Abt Petrus Pilsinger hat in einem Interview mit dem „Kurier“ das „First“-Prinzip scharf kritisiert. (c) ÖOK/emw
Gesellschaftlich und politisch habe man den Eindruck, „dass es gilt, zuerst auf sich selber zu schauen“, sagte Pilsinger in der Tageszeitung (20. Dezember 2024). „Man schaut weniger darauf, was braucht es innerhalb unserer Vernetzung“, beklagte Pilsinger und forderte mehr Gemeinschaft und Vernetzung ein.
Die Folgen der Krisen des vergangenen Jahres – von den verheerenden Hochwassern, die zahlreiche Familien existenziell getroffen haben, bis zu politischen Spannungen und Kriegen, die eine verstärkte Aufrüstung und Unsicherheit mit sich brachten – verdeutlichten seiner Meinung nach die Dringlichkeit dieses Appells.
Folgen der Krisen zeigen sich in Polarisierung
Die Folgen der Krisen zeigten sich aktuell in einer politischen wie gesellschaftlichen Polarisierung, meinte der 2013 gewählte Seitenstettner Abt. Während etwa Adventmärkte und Gasthäuser gut besucht seien, stünden diese Bilder im Kontrast zu den Existenzängsten vieler Menschen, die durch Unternehmenspleiten wie den Leiner-Konkurs oder die Folgen der Hochwasser ihre finanzielle Basis verloren haben. „Wer soll da helfen, außer dass man sagt, wir helfen uns gegenseitig?“, fragte Pilsinger.
Das wirtschaftliche Prinzip der Maximierung stehe hier Armutsbetroffenen gegenüber, die sich das Leben oder die Energie nicht leisten könnten. Widersprüche, „die schwer zu verstehen und trügerisch sind“.
Lebensstandard vs. Lebensqualität
Der Fokus auf materiellen Wohlstand könne den Blick für essenzielle Werte trüben, warnte der Abt. Auch dürfe Lebensstandard nicht mit Lebensqualität gleichgesetzt werden: „Wir befinden uns beim Lebensstandard auf einem sehr hohen Niveau (...) Wer sagt, dass jemand, der weniger hat, nicht eine unglaublich schöne Lebensqualität haben kann?“ Mehr persönliche Unabhängigkeit von äußeren wirtschaftlichen Zwängen sei eine Herausforderung, die der Ordensmann aber als lohnenswert betrachtete.
In der laufenden Wertedebatte plädierte der Abt für mehr Ausgewogenheit und weniger Radikalität. So seien Kreuze in öffentlichen Räumen wie Spitälern zwar ein wichtiges Symbol, das Trost und Halt geben könne, gleichzeitig gelte, wer Werte fordere, müsse dafür aber etwas tun und diese auch weitergeben. „Wenn Werte in der Bedeutung auch sinken, so darf die Würde des Menschen niemals sinken“, sagte der Benediktiner.
Abtwahl steht an
Für den 2013 zum Abt von Seitenstetten gewählten früheren Direktor des Stiftgymnasiums steht im Frühjahr 2025 eine neue Wahl an. Nach den Regeln des Konvents wird nach zwölf Jahren wieder gewählt. Der aktuelle Abt des „Vierkanter Gottes“, wie das Mostviertler Benediktinerstift auch genannt wird, will sich der Wiederwahl stellen: „Wenn die Gemeinschaft sagt, es hat gepasst und wenn man selber auch sagt, ich bin wieder bereit, soll dem nichts entgegenstehen“, erklärte er. Sollte es andere Wünsche geben, könne er damit auch gut umgehen.
Im komplexen Klosterbetrieb samt Stiftsgymnasium geht 2025 auch die seit neun Jahren laufende Generalsanierung der zum Kloster gehörenden Wallfahrtsbasilika Sonntagberg weiter. 2026 soll das aufwendige Millionenprojekt abgeschlossen werden.
Quelle: kathpress