Jerusalemer Abt: „Wollen in Ozean von Leid Hoffnungsinsel sein“
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Die Jerusalemer Dormitio-Abtei versuche, eine „Hoffnungsinsel“ zu sein, betone Abt Nikodemus Schnabel im Kathpress-Interview. (c) Elias Ungermann
Abt Nikodemus Schnabel sprach von einem „Ozean von Leid“; bei Juden, Christen und Muslimen. Die Dormitio-Abtei versuche, in diesem Ozean eine „Hoffnungsinsel“ zu sein. „Im Krieg kommt die Menschenwürde völlig unter die Räder. Wir erleben eine Dehumanisierung von beiden Seiten. Wenn man israelischer und palästinensischer Propaganda zuhört, dann ist der jeweils andere kein Mensch, sondern ein Tier oder ein Monster“, sagte er. Jeder Mensch sei aber nach dem Bild Gottes geschaffen.
„Gerade wenn ich glaube, dass jeder Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen ist, dann kommt der Mensch am engsten in Berührung mit seiner menschlichen Würde, wenn er schöpferisch und kreativ sein darf“, meinte der Abt der Benediktinerabtei, und weiter: „Wir geben den Menschen Raum und Möglichkeit, schöpferisch kreativ zu sein. Ich weiß gar nicht, wie viele Konzerte wir hatten, wie viele große Ausstellungen, wie viele Begegnungen mit Künstlern.“
Großer Hunger nach Kultur
Und nochmals Schnabel, mit anderen Worten: „Wenn andere sagen, wir haben jetzt keine Zeit dafür, weil Krieg ist, sage ich: Gerade weil Krieg ist, muss das jetzt im Mittelpunkt stehen, damit die Menschenwürde nicht unter die Räder kommt. Und in einem Konzert sitzen dann Christen, Juden und Muslime im gleichen Raum und vielleicht können sie noch nicht miteinander reden, aber zumindest einmal gemeinsam Musik hören.“
Der Hunger nach Kultur sei außerordentlich groß, meinte Abt Nikodemus Schnabel. Er betonte zugleich in Richtung der westlichen Staaten, dass Außenpolitik auch kulturelle Initiativen beinhalten müsse. Schnabel hob in diesem Zusammenhang als positives Beispiel Kooperationen mit österreichischen Beteiligten hervor, u.a. der Österreichischen Botschaft in Israel.
Gewisses Aufatmen spürbar
Nach den jüngsten Waffenstillständen in Gaza und im Libanon sei in weiten Teilen des Heiligen Landes ein gewisses Aufatmen spürbar, so der Ordensmann; erste Geiseln kämen frei. Von einem Frieden sei man freilich noch meilenweit entfernt. In manchen Teilen der Westbank würden die Waffen auch noch immer nicht schweigen, betonte der Abt. „Aber ein erstes kleines Mosaiksteinchen für ein großes Friedensmosaik ist gelegt, und das ist erst einmal positiv.“ Viele europäische Fluggesellschaften wollten auch mit Beginn Februar den Flugbetrieb nach Israel wieder aufnehmen, zeigte sich der Abt des Jerusalemer Benediktinerklosters optimistisch.
Er plädierte zugleich eindringlich an die Christen im Westen, wieder ins Heilige Land zu pilgern. Die üblichen Pilgerorte könne man gefahrlos besuchen, sagte Schnabel: „Jerusalem, Bethlehem, Nazareth oder den See Genezareth.“ Nachsatz: „Wer jetzt kommt, wird belohnt mit Pilgerorten, die man wirklich für sich hat, ohne Massentourismus.“
„Wir leben von Pilgern“
Wer jetzt kommt, zeige sich zudem auch solidarisch mit den einheimischen Christen, von denen sehr viele im Tourismus tätig seien. Die vergangenen Jahre waren dementsprechend eine wirtschaftliche Katstrophe für die Menschen. Ebenso aber auch für die Dormitio-Abtei: „Wir leben von Pilgern, von Touristen, und die sind ausgeblieben.“ Insofern sei er den vielen Spendern, auch aus Österreich, sehr dankbar, meinte Schnabel. Sie hätten es ermöglicht, „dass wir keinen einzigen Mitarbeiter entlassen mussten. Und wir haben auch unsere gesamte Infrastruktur aufrechterhalten.“
Insgesamt beschäftigen die Benediktiner in Jerusalem und im Priorat Tabgha am See Genezareth 24 lokale Mitarbeiter. „Gerade in Jerusalem sind das vor allem palästinensische Christen aus Bethlehem. Die haben insgesamt 29 Kinder im schulpflichtigen Alter. Und für die haben wir auch eine soziale Verantwortung.“
Quelle: kathpress