Alfred Komarek: Es ist eine Chance für die Orden, ungewöhnliche Koalitionen zu schmieden
Ein Spaziergang durch die idyllischen Kahlenberger Weingärten und anschließend ein anregendes Gläschen Wein beim Heurigen mit Blick über Wien waren der ideale Ausgangspunkt für das zweite Gespräch aus der Schwerpunktreihe „viel mehr wesentlich weniger“, das von den Ordensgemeinschaften Österreich als Ouvertüre für das JAHR DER ORDEN 2015 konzipiert wurde.
Ordensleben: Kein Verzicht, sondern Freiheit
„Ein Ordensleben kann man nicht einfach ausprobieren. Es ist schon ein innerer Ruf, der von Gott kommt.“ Der Entschluss, Ordensfrau zu werden, fiel der Oberösterreicherin Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, als angehende Lehrerin nicht schwer. „Ich wusste einfach, ich muss diesem Ruf folgen.“ Ihr Gelübde, ein eheloses, armes und gehorsames Leben zu führen, kann von vielen Menschen nicht nachvollzogen werden. Sie interpretieren es als Verzicht, doch „im Grunde ist das in Wirklichkeit eine ganz große Freiheit. Ich bin frei für das, was Gott von mir will.“
Schreiben: Beschränkung, die Befreiung bedeutet
Ein Gedanke, den der Schriftsteller Alfred Komarek sehr gut verstehen kann. „Wenn man fürs Schreiben und nicht vom Schreiben leben will, verzichtet man auch auf vieles. Man ist zum Beispiel auch kaum ehefähig, weil man sozusagen mit seinem Beruf verheiratet ist, weil man mit seinen Figuren enger zusammenlebt als mit seiner Familie. Das ist eine Beschränkung, die aber tatsächlich eine Befreiung bedeutet.“
Suche nach dem Wesentlichen
Diese Suche nach dem Wesentlichen im eigenen Leben treffe den Grundnerv jedes Menschen. „Es kommt im Leben darauf an, immer wieder nach diesen Freiheiten zu suchen. Und sich darauf einzulassen“, betont Sr. Mayrhofer. „Wenn ich weiß, das ist mein Weg, dann lasse ich mich darauf ein, indem ich diesen Weg konsequent gehe.“ Alfred Komarek schlägt in dieselbe Kerbe: „Sinn kann nicht das Auto vor der Tür oder ein Titel oder sieben Handys auf dem Schreibtisch sein. Das befriedigt überhaupt nicht.“
Der Horizont über den Tod
Doch woher kommt diese Unzufriedenheit? „Ich glaube, dass es damit zu tun hat, dass die Menschen immer weniger den Horizont über den Tod hinaus sehen. Wenn ich überzeugt bin, dass mit dem Tod alles vorbei ist, dann muss ich in diesem Leben alles erreichen und alles erleben.“, bringt es Sr. Mayrhofer auf den Punkt. „Doch wenn ich in diesem kleinen Rahmen bleibe, stoße ich ununterbrochen an meine Grenzen. Aus diesem Grund laufen auch so viele verwundete und verletzte Menschen herum.“ Die Botschaft eines Ordenslebens laute deswegen: „Es gibt im Leben mehr als alles!“
Außerhalb der Norm etwas bewirken
Unbestreitbar ist, dass sich immer weniger Menschen zu einem Leben in einer Ordensgemeinschaft entschließen. Doch Alfred Komarek sieht gerade darin Positives: „Diese Verknappung trennt die Spreu vom Weizen. Wer kommt, der kommt aus freien Stücken und nicht aus Verlegenheit.“ Und: „Es ist eine Chance für die Orden, ungewöhnliche Koalitionen zu schmieden.“ Ordensleben, das sei ein Leben außerhalb der Norm. Etwas, dass Ordensfrauen und –männer mit allen, die schöpferisch tätig seien, gemeinsam hätten, weil sie „sich mit der Welt auseinandersetzen. Weil sie alles mit Konsequenz machen, weil sie bereit sind, sich aus dem Fenster zu lehnen und alles zu riskieren. Das sind diejenigen, die etwas bewirken. Das ist der berühmte Sauerteig, ohne den nichts wird!“
Sr. Beatrix Mayrhofer Fazit: „Wir müssen den Armen helfen. Aber wir müssen uns auch gleichzeitig fragen, was macht uns überhaupt arm? Was in unserer Gesellschaft läuft schief, dass Menschen überhaupt arm werden? Wir brauchen beides: Strukturveränderung und den direkten Dienst an den Bedürftigen.“ Eines dürfe man nicht vergessen: „Das Leben ist ein Geschenk. Und das Evangelium ist eine frohe Botschaft.“
Das ganze Interview wird auf Youtube veröffentlicht. Die Schwerpunktreihe „viel mehr wesentlich weniger“ wird bis zum Oktober fortgesetzt.
Ansprechpartner: Ferdinand Kaineder, 0699 / 1503 2847
Fotos: Katrin Bruder
[rs]