Toni Knittel: Neue Zugänge schaffen ohne das Bewährte zu gefährden
Die Besinnung und Stärkung von mehr lokalem Denken und handeln heißt nicht Abschottung oder beziehungsloser Rückzug. Der in ganz Österreich und weit darüber hinaus bekannte Lechtaler Musiker von „Bluatschink“ Toni Knittel spricht das vor der Holzgauer Hängebrücke deutlich an: „Wenn du nicht rauskommst, wirst du betriebsblind. Die Fremde öffnet dir die Augen dafür, was du daheim Besonderes hast. Das macht mich dann nicht nur stolz, sondern ich spüre auch die besondere Verantwortung, das zu erhalten. Bei uns war es die Sorge um einen nachhaltigen Tourismus gegenüber einem Massentourismus, der doch unglaublich viel zerstört hätte.“ Die gebürtige Koreanerin Sr. Joanna Jimin Lee ist Konzertpianistin und Missionarin Christi. Sie hat ihre Ausbildung an internatinalen Ausbildungsstätten erfahren. Danach ging sie wieder zurück nach Südkorea. „Oft ist es Neugier und die jugendliche Ahnungslosigkeit, die uns hinaustreibt. Als erwachsene Frau zurückzugehen ist dann ein schwieriger Schritt. Ich stand in beiden Welten.“ Seit zwei Jahren ist sie Mitglieder der Ordensgemeinschaft der Missionarinnen Christi: „Diese Entscheidung in den Orden zu gehen, war der weitere nächste Schritt.“ Die Generalsekretärin der Frauenorden und gebürtige Vorarlbergerin Sr. Cordis Feuerstein von den Dominikanerinnen war selbst jahrelang in Jerusalem tätig. Das Weggehen hat sich nicht so einfach gestaltet: „Als Ordensfrau musste ich damals frei bekommen zum Hinausgehen. Die Unsicherheit damals ist vergleichbar mit dem Stehen mitten auf der Hängebrücke, alles wackelt und ich habe Höhenangst.“ Toni Knittel resumiert an der Hängebrücke: „Internationalisierung sollte so wie diese Brücke passieren. Etwas verbinden, ohne an beiden Ufern etwas zu gefährden oder zu zerstören. So verstehe ich auch diese internationalen Verbindungen der Orden. Brücken bauen mit großem Respekt vor dem anderen Brückenanker. So bekommen Menschen neue Zugänge ohne das Bewährte zu gefährden.“
Über nährende Musik und das Gebet
Wer Musik hat, braucht weniger Mercedes. Ist Musik etwas, was den Menschen mit weniger auskommen lässt? „Wenn du Musik nicht in dir spürst und wegen ihr selber machen kannst, dann fehlt etwas ganz Wesentliches. Einige wenige verdienen vielleicht viel mit Musik, es kommt aber darauf an, den Flow zu spüren. Wer darin musiziert, wird von jedem verstanden, spricht die Herzen an. Dann denkst du an keinen Mercedes mehr.“ Auch die Konzertpianistin Sr. Joanna ist sich sicher: „Das Geben und Nehmen in der Musik macht einen glücklich. Dann hat man weniger Bedarf an äußeren Glücklichkeiten.“
Toni Knittel erzählt, wie er als Schüler im Stift Stams am Chorgebet teilgenommen hat. „Das war in dieser Raumakustik sehr mystisch. Die seltsamen, wie aus einer anderen Welt herüberklingenden Gesänge waren Gebet, erhöht durch Musik. Das ist schon etwas ganz Besonderes. Im Chorgebet fehlt das Explosive. Das Chorgebet ist so untypisch und du kannst in eine ganz andere Atmosphäre eintauchen.“ Sr. Cordis ist leidenschaftliche Köchin und kommt von der Musik zum Kochen. „Musik und Kochen ist meditativ. Da kommst du zu dir selber. Zu dem, was mich selber ausmacht. Und Kochen und Musik kommt dem Menschen zugute.“ Toni Knittel ergänzt aus seiner jahrelangen Konzertpraxis: „Ich erzähle mit meiner Musik Geschichten. Wenn ich selber etwas erlebt habe, davon berührt bin, dann hat das Lied die größte Kraft. Wenn sich das Lied aus mir heraus selber schreibt, dann kann es jeder und jede spüren und hört alle Dimensionen mit. Einige Lieder haben so eine Magie und diese Magie kommt aus der Tiefe meiner selbst. Wenn es nicht so ist, dann ist es Hintergrundgeplänkel.“ Auch das gemeinsame Gebet und Singen kann diese magische Dimension entfalten, sind sich alle drei Gesprächspartner einig. Menschen sollen nach einem Konzert oder dem Gebet nicht hungrig weggehen. Musik und Gebet nähren.
Das hält der Planet nicht aus
Kann sich die Sehnsucht nach dem Mehr im Lokalen stillen? Toni Knittel sieht im Lechtal in den letzten Jahren eine positive Veränderung. „Es gibt eine Rückbesinnung auf die Werte, die hier im Tal liegen. Das, was wir hier haben, ist etwas ganz Besonderes. Das erkennen immer mehr Menschen hier im Tal. Es ist das Einfache. Ein Bacherl, eine Wiese: Du atmest aus, du hast weniger Stress und mehr Lebensqualität.“ Sr. Cordis sieht das auch bei den Orden: „Als Ordensgemenschaften wird es ein Verabschieden von den großen Werken brauchen. Es ist auch hier ein Weniger mehr. Das Weniger ist auch eine Anstrengung.“ Sr. Joanna sieht das mit den Augen einer Missionarin Christi: „Als Missionarinnen Christi haben wir kein Kloster und kein Ordenskleid. Wir sind Frauen in dieser Welt, in unserem Beruf, mitten unter den Menschen. Ich sehe hier im Lechtal ein chinesisches Lokal. Das heisst, sich von einer anderen Welt und anderen Kulturen befruchten lassen.“ Toni Knittel redet dem Eigenen das Wort in Verknüpfung mit internationalen Anregungen: „Das Internationale kommt dazu und bereichert das, was wir haben. Es soll das Eigene aber nicht ersetzen, sondern befruchten. Es ist gut, dann und wann etwas zu machen, was den Alltag sprengt, was hinausführt. Das ist und kann aber nicht das Normalprogramm sein. Das hält auch unser Planet nicht aus, wenn das Außergewöhnliche das Alltägliche ersetzt.“ Sr. Joanna sieht in der Haltung der Dankbarkeit die Lösung: „In sich hineinspüren und mit dem Alltäglichen zufrieden sein, dankbar zu werden mit dem, was unser Leben ausmacht.“
Der Teil steht für das Ganze
Warum fällt es so schwer, mit dem Einfachen und Leisen glücklich zu werden? Für den MusikerToni Knittel liegt die Antwort darin: „Das Leben kommt heute oft sehr reißerisch daher. Die leisen Zwischentöne haben es schwer. Ich wünsche Menschen bei Konzerten immer wieder, dass sie die leisen und unscheinbaren Momente hören und genießen können. Denn diese kleinen Dinge machen mehr Freude als das größte Spektakel.“ Sr. Joanna unterscheidet Musikhörer so: „Die einen fühlen sich gut unterhalten. Andere warten auf die Nacht, damit die Töne und Feinheiten wirken können.“ Das Gespräch dreht sich darum, wie viel weglassen und wie viel dalassen, damit das Wesentliche zum Ausdruck kommt.“ Sr. Cordis sieht hier eine Gratwanderung: „Zu viel weglassen kann auch weltverachtend und abgehoben werden. Der Rückzug ist manchmal purer Egoismus. Es gibt auch die Verneinung des Lebens, das uns aber von der Bibel als Leben in Fülle nähergebracht wird.“ Sr. Joanna fühlt sich durch die Gemeinschaft getragen und nicht von der Welt abgeschnitten: „Ich fühle mich nicht abgeschnitten von meinem früheren Leben. Ich lebe auch in der Gemeinschaft als Pianistin. Ich fühle mich leichter, weil ich entschieden als Ordensfrau lebe. Ich brauche nicht Karriere und Anpassung vor Augen haben. Das befreit mich. Meine Aufgabe war und ist Musik. Jetzt in Zusammenhang mit meiner Gemeinschaft.“ Und Toni Knittel: „Es gibt immer mehr Menschen bei uns im Lechtal, die sagen: Das, was wir haben, reicht. Viele haben verstanden, dass wir uns mit Massentourismus und Megaprojekten ins eigene Fleisch schneiden. Das Lechtal ist ein schönes Miteinander von Mensch und Natur. Wir haben uns gewehrt, dass das gesamte Öko- und Natursystem zerstört wird. Die Gesamtheit wäre damals in Frage gestellt worden. Das Publikum merkt heute die Echtheit, die wir hier haben.“
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Ansprechpartner: Ferdinand Kaineder 0699/1503 2847
Quelle Fotos: Ordensgemeinschaften Österreich
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