Auf immer (ge-)verbunden
Julia Heneis strahlt Selbstbewusstsein, Lebensfreude, Tatkraft aus. In ihrem Beruf als Sozialarbeiterin ist sie täglich gefordert. Sie arbeitet bei der Heilsarmee im Wiener Männerwohnheim Salztorzentrum, einem Übergangswohnheim für wohnungslose Männer, die neben psychischer Unterstützung vor allem Hilfe bei ihren sozialen Problemen brauchen. „Schon immer war mir der Einsatz für Menschen am Rande wichtig“, erzählt Julia. Vor etwas mehr als einem Jahr hat sich Julia entschieden, einem Pflegekind jene Geborgenheit zu schenken, die ihm bisher gefehlt hat. Seither ist der dreijährige Bub das Wichtigste in ihrem Leben. „Ich bin glücklich“, sagt Julia.
Eine richtige Lebensentscheidung
In ihrer privaten E-Mailadresse hat Julia immer noch ein CS stehen. Siebeneinhalb Jahre war Julia Schwester Julia, gehörte sie der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis an. 2000 ist sie als Zwanzigjährige in die CS eingetreten. Ihre Eltern waren mit dieser Entscheidung einverstanden, manche Freundinnen und Freunde haben sich über den Schritt der lebensfrohen Frau gewundert. Sie war die jüngste in der Gemeinschaft in Europa und blieb es auch. Für sie war ihr Weg in die Ordensgemeinschaft eine richtige „Lebensentscheidung“. Nach zwei Probezeiten von insgesamt dreieinhalb Jahren legte Julia die erste Lebensweihe ab. Wie ernst es ihr damit war, zeigt, dass sie sich vor der Lebensweihe für Einzelexerzitien in ein Kloster zurückzog. Ihr geistlicher Begleiter von damals begleitet sie noch heute. Mit ihrer Energie, ihren Ideen und Fähigkeiten bereicherte Julia die Gemeinschaft. Als jüngste war es ihr von Anfang an wichtig, sich zu vernetzen. Sie arbeitete in der Jugendpastoral der Steyler Missionare mit, traf sich mit anderen jungen Ordensleuten und bildete ein Team, das solche Treffen organisierte. 2008 ist Julia aus der Schwesterngemeinschaft Caritas Socialis ausgetreten. „Ein Mosaik an Gründen“ nennt sie für den Austritt. Das tiefgreifendste Ereignis war 2006 der Tod ihrer einzigen leiblichen Schwester. Plötzlich kam die Frage auf: Wie geht es mit meiner Ursprungsfamilie weiter? Die Sehnsucht nach eigener Familie und Selbstbestimmung wurde stärker. Die Altersstruktur der Gemeinschaft machte Julia zu schaffen und das Gefühl, „die Hoffnung der Gemeinschaft ruht auf meinen Schultern“.
„Uns ist lieber, wenn Du bleibst“
Die Reaktionen der Mitschwestern auf die Ankündigung ihres Austritts sind vielfältig, beinhalten auch Unverständnis, Enttäuschung, Vorwürfe bis hin zum Schmerz. „Uns ist lieber, wenn Du bleibst“, fasst Julia die Reaktionen als Resümee zusammen. Es zeigt, wie sehr sie in ihrer Gemeinschaft geschätzt wurde. Rückhalt in dieser schwierigen Situation erhält Julia von ihren geistlichen Begleitern, Freunden und vom Team der Steyler Jugendpastoral, in dem sie mitgearbeitet hat. Wohnen kann Julia zunächst in einer Wohnung ihrer Eltern, sie studiert weiter Soziale Arbeit und arbeitet in einem sozial betreuten Wohnhaus der Caritas. Mit der CS bleibt sie verbunden. Julia ist der Kontakt mit der Gemeinschaft wichtig. Schwestern laden sie zu Feiern und Jubiläen ein, man bittet sie, Feste musikalisch mitzugestalten, sie arbeitet bei der Weihnachtsschau der CS mit, beim Kontaktpunkt Eucharistie ist sie mit dabei. Besonders berührt sie, dass sie die Seligsprechung von Hildegard Burjan, der Gründerin der CS, im Jänner 2012 auf Einladung der Schwestern miterleben darf. Wenn Julia in die Schwesterngemeinschaft kommt, fühlt sie sich willkommen und angenommen. Das CS in ihrer Mailadresse hat sie bewusst nicht gestrichen. „Ohne die CS wäre ich nicht die, die ich jetzt bin“, gesteht Julia und ist dankbar für den Lebensabschnitt in der Caritas Socialis.
Von Indonesien nach Österreich
Über den Eintritt von Kletus Pake bei den Steyler Missionaren hat sich niemand gewundert. Seine Eltern waren stolz darauf, dass eines ihrer elf Kinder ins Priesterseminar geht. Der Priester seiner Dorfgemeinde im indonesischen Flores, ein Steyler Missionar, hat ihn zu diesem Schritt bestärkt. „Schon als Kind wollte ich Missionar werden“, erzählt Kletus. Nach dem Philosophiestudium in Ledalero erhält er das Angebot, Theologie in Österreich zu studieren, und nimmt es an. 1990 kommt er ins Missionshaus St. Gabriel der Steyler in Mödling. „Für mich war anfangs alles neu, ein Kulturschock“, gesteht Kletus. Die Mitbrüder in St. Gabriel sind offen und einfühlsam und helfen ihm über diese schwere Zeit hinweg. Nach einem intensiven Deutschkurs im Goethe-Institut in Wien beginnt Kletus das Theologiestudium an der ordenseigenen Hochschule in St. Gabriel. Durch Praktika in einem Obdachlosenheim der Caritas und Arbeitseinsätze bei Bergbauern in Osttirol und Salzburg kommt er mit Menschen am Rande und mit bodenständigen einfachen Leuten in Berührung. Er lernt Land und Leute lieben. „Österreich ist mein Zuhause, meine zweite Heimat“, sagt Kletus. Einige Zeit vor den ewigen Gelübden lernt Kletus seine jetzige Frau kennen. Die Sehnsucht nach Liebe und einer Familie ist stark in ihm. Trotzdem legt er 1995 zusammen mit drei anderen Mitbrüdern die ewigen Gelübde ab. Die Unsicherheit und Zweifel an seiner Berufung begleiten ihn aber weiter. Der Prozess der Entscheidung, aus der Gemeinschaft auszutreten, dauert bei ihm lang. „Ein Jahr lang habe ich extra eine geistliche Begleitung gesucht, um meine Geschichte und mein Leben zu verstehen“, schildert Kletus. Im Frühjahr 1998 schickt er einen Brief an den Generalsuperior der Steyler Missionare in Rom mit der Bitte um Dispens von den ewigen Gelübden. Diese wird ihm gewährt, Kletus lebt von da an außerhalb der Ordensgemeinschaft. Wie die Mitbrüder auf seinen Austritt reagiert haben? Er weiß es nicht. Nicht jeder in der großen Gemeinschaft wird verständnisvoll und einfühlsam reagiert haben. „Wenn ich mit Einzelnen gesprochen habe, hatte ich immer das Gefühl, dass sie meinen Schritt verstanden haben. Sie haben mich seelisch unterstützt und haben mir geholfen beim Mitdenken über neue Wege“, berichtet Kletus.
Freunde bleiben Freunde
Kletus Pake arbeitet als Religionslehrer an der Sonderschule für körperbehinderte Kinder in der Waldschule in Wiener Neustadt und in der Sonderschule in Baden. Das Lächeln der Kinder macht ihn glücklich. Als Lehrer hat er viel Zeit für seine Familie, die ihm Kraft gibt und ein großer Rückhalt ist. Mit den Steylern ist Kletus noch immer eng verbunden. Er lädt ehemalige Mitbrüder in seine Schule und nach Hause ein, wird selber oft eingeladen zu verschiedenen Veranstaltungen oder Geburtstagsfeiern. Kletus arbeitet beim Pfingstfest mit den Jugendlichen in St. Gabriel mit. „Viele von meinen ehemaligen Mitbrüdern waren echte Freunde – und sind es bis heute.“
Fotos: privat
[hw]