Vielfalt ist nur dort ein Problem, wo Einfalt herrscht
Angesprochen auf den Stillstand in der Bildungs-Debatte meinte Müller: „Es gilt kreativ mit Rahmenbedingungen im Sinne der Differenzierung umzugehen. Schule kann ganz anders sein. Das sollte voll ausgelotet werden.“ Weiters legt er den Schulverantwortlichen ans Herz: „Es gilt auch, sich eine Stimme zu verschaffen, gut argumentierend mit Entscheidungsträgern umzugehen. Da müssen sich die Schulen selber als Gestalter beteiligen und sich nicht immer als Opfer sehen. Das braucht nicht nur die Arbeit im System, sondern vor allem auch am System. Viele Veränderungen gehen nur so weit, soweit sie nicht weh tun. Es bedarf keiner Kosmetik, sondern eines tiefgreifenden Umbaues. Dazu könnten sich Ordensschulen und katholische Privatschulen zusammenschließen, vernetzen, damit es zur konkreten Umsetzungen kommt. Gut vernetzte Trägerschaft kann da ganz sicher etwas bewirken, gestalten. Es gibt eine gemeinsame Grundlage wie das Menschenbild oder den Wertekanon, die ein Tun leichter ermöglicht.“ Müller regt eine gemeinsame Roadmap entlang der entscheidenden Fragen an: Was sind unsere längerfristigen gemeinsamen Ziele? Wie schauen die konkreten Schritte dorthin aus?
Fit for life
In seinem Vortrag erarbeitete der Schweizer Bildungsexperte Müller die neue Rolle der LehrerInnen: „Wir bereiten Kinder auf eine Zukunft vor, die wir nicht kennen. Es geht aber darum, die Selbstgestaltungskompetenz der Kinder und Jugendlichen zu heben, sie ‚fit for life‘ zu machen. Diese Selbstgestaltungskompetenz – Autagogik - umfasst Verstehen, Orientierung, Arrangements und Evaluation auf Basis eines Menschenbildes.“ Müller sieht in der Vielfalt, Diversität einen der wesentlichsten Trends. Er fragte die Schulverantwortlichen: „Geht es uns darum, diese aufzuräumen oder sie weiter zu entfalten? Der Umgang mit Unterschiedlichkeit wird zukunftsentscheidend. Vielfalt ist nur dort ein Problem, wo Einfalt herrscht.“
Der Mensch lernt, was er tut
Virtualität, Medien und Weltbezug über den Bildschirm sind heute genauso Fakt. Durchschnittlich verbringt ein Schüler drei Stunden im Jahresdurchschnitt pro Tag in der Schule und drei Stunden pro Tag vor dem Bildschirm, mehr oder weniger. Der Bildschirm beinhaltet eine schnelle Bedürfnisbefriedigung und verhindert so ein tiefgehendes nachhaltiges Lernen. „Lernen ist kein Zuschauersport. Der Mensch lernt, was er tut.“ Müller weiter: „Kompetenz entspricht nicht notwendiger Weise der messbaren Perfomance. Die Erfahrung der eigenen gemessenen Inkompetenz ist schmerzhaft. Zweifel an der Kompetenz führen zu Minderleistung. Ziel der Bildung ist daher kompetentes Handeln, damit andere das als Kompetenz erleben können.“ Müller in Richtung Lehrkräfte: „Das heißt, das Lehrkräfte das Handwerk „Lernen“ erlernen.“
Lerncoaches der Zukunft
Es braucht "viel weniger und eine Hinwendung zu den Basics". Die Frage muss uns beschäftigen: Was ist denn wirklich wichtig? Es braucht nicht mehr Input oder Output, sondern mehr „Putput“, die Möglichkeit zur nachhaltigen Verarbeitung. Lernen ist, etwas Fremdes zum Eigenen zu machen, mit persönlichem Sinn und Bedeutung zu füllen. Und dazu brauchen wir im Grunde mehr Zeit." Weiter: "Es braucht mehr Individualisierung statt Standardisierung. Es geht nicht darum, das Lehren neu zu organisieren, sondern das Lernen neu zu denken. Das wird in Folge das Lehren verändern. Es geht darum, die Lernvorgänge entlang der Lern- und Selbstkompetenz neu zu organisieren. Das braucht Lern-Coaches.“
Immer Interesse am Einzelnen
„Effektive Lernerfolge gehen Hand in Hand mit einem konstruktiven Umgang mit Vielfalt. Außerdem braucht es eine Verlagerung von Aktivität und Kompetenz zu den Lernenden selber. Das wieder braucht die „Lernkunst“. Müller plädiert für echte Herausforderungen, weil „Kompetenzerfahrung mit Herausforderungen verbunden sind". Ich will etwas geleistet haben. Über- und Unterforderung sind die Straßengräben der Bildung. Es geht immer darum, alle Ressourcen kooperativ zu nutzen. Verbindlichkeiten halten zusammen. Das Prinzip der Verknüpfung muss grundlegend sein. Es gibt kein Lernen ohne Beziehung. Wesentlich ist, die Vereinheitlichungsstrukturen in Ermöglichungsstrukturen umzubauen. Dazu gehören Stärkenorientierung, Durchlässigkeit, Anschluss oder flexible Arragements. Dahinter steht immer das Interesse am Einzelnen“ Nach Müller hat Erfolg drei Buchstaben: TUN. „Woran erkennt man einen guten Unterricht: am Gesichtsausdruck.“ Es geht darum, Identifikation zu schaffen, damit Lernende etwas ‚für‘ tun und nicht gegen. Mit seiner Formel M³ (Erfolg, Eingebundenheit und Eigenständigkeit) werden „Basic Needs“ gefördert: Selbstwirksamkeit, soziales Eingebunden-Sein und selbstbestimmtes Handeln.
Bei der dreitägigen Tagung werden weiters die Diplompädagogin Sabine Zwierlein-Rockenfeller über "Mamagement und Spiritualität" referieren, das Thema der "Profilierung von Schulen" in Workshops erarbeitet und DDDr. Clemens Sedmak wird über "Unterrichten als Expedition" die Schulverantwortlichen mit auf die Reise nehmen.
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Video: Maßgeschneidertes Lernen
[fk]