Selbstgemachtes unter Ausschluss der Solidarität angreifbar
Heute bestehe laut Rauch die Herausforderung darin, das sich wandelnde Europa "durch einen fruchtbaren Dialog mit neuen Religionsgemeinschaften in eine friedliche Zukunft zu führen". Einige hoffnungsvolle Ansätze für sozio-politische Dienste, Toleranz und Kooperation gemeinsam mit anderen Glaubensformen gebe es bei den Orden bereits, so Rauch: „Es gibt Anzeichen, die darauf hinweisen, dass Menschen sich wieder auf die Suche machen, nach etwas suchen. Ausgangspunkt dieses neuen Denkens waren eher die Tragödien der jüngsten Vergangenheit, als eine Reflexion der Zeichen der Zeit. Die Sicherheiten, auf die die Weltgesellschaft gesetzt hat, sind ins Wanken geraten. Terror und Naturereignisse haben sowohl den Wohlstand als auch die Sehnsucht nach Geborgenheit und Frieden aus dem Gleichgewicht gebracht. Selbstgemachtes unter Ausschluss der Solidarität hat sich als an-greifbar erwiesen. Plötzlich sucht man wieder den größeren Zusammenhang, die übergeord-neten Werte.“
In eine friedliche Zukunft führen
Rauch sieht heute besondere und anfordernde Aufgaben: „Ein sich grundlegend religiös und kulturell veränderndes Europa durch einen fruchtbaren Dialog mit neuen Religionsgemeinschaften in eine friedliche Zukunft zu führen. Vieles, was man in der Vergangenheit alleine zu bewältigen hatte, soll nun gemeinsam mit anderen Glaubensformen gelingen: Sozio-politische Dienste, aber auch eine neue Kultur der Toleranz und Kooperation muss aufbrechen. Dazu gibt es bei uns hoffnungsvolle Ansätze - inmitten einer Welt, die in gefährlichen transkulturellen und interreligiösen Spannungen und Spaltungen lebt.“ Rauch verweist in diesem Zusammenhang auf eine besondere Manifestation im "Garten der Religionen" im Stift Altenburg.
Besondere Zeit aller Christen
Der ungarische Erzabt Asztrik Varszegi (im Bild links) bezeichnete es 50 Jahre nach dem Konzil als angemessen, von einer "besonderen Zeit aller Christen" zu sprechen. Diese sollten "die Zeichen der Weltzeit" erkennen und sich ihnen gemeinsam stellen, so der Ordensmann. Die Orden können laut Varszegi nur einen Aufschwung erleben, indem sie "im Dienst an der Welt aufgehen" und "selbstvergessen und wertliebend versuchen, die Zeichen der Zeit zu verstehen". Das Ordensleben der Zukunft müsse von der "Option für die Armen" geprägt sein, strich der Erzabt in seinem Vortrag heraus: Gemeinschaften sollen sich den Nöten auf der Straße, wie dem Menschenhandel oder der Flüchtlingsproblematik, zuwenden, aber auch anderen brennenden Nöten der Zeit, wie Trauer, Verzweiflung, Depressionen und Einsamkeit.
Respekt und Gesprächsbereitschaft
Ohne Verständigung und wechselseitigen Respekt gibt es kein friedliches Nebeneinander der Religionen in einer globalisierten Welt: Das betonte der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück im Rahmen eines Vortragsabends anlässlich 50 Jahre Konzilsdokument "Nostra Aetate". Aktuell sehe er "besorgniserregende Zuwachsraten" von Antisemitismus wie auch die Gefahr, dass "das Gesicht des Islam" durch "die Fratze des Islamismus" entstellt werde, so der Dogmatiker. Mit dem Dokument "Nostra Aetate" sei der Kirche laut Tück der Schritt "von einer defensiven Haltung der Abgrenzung hin zu einer dialogischen Öffnung" gelungen. Die Gemeinsamkeiten der Religionen stünden dabei im Mittelpunkt. Der Theologe betonte, dass das Konzil "eine Haltung des Respekts und der Gesprächsbereitschaft" geschaffen habe.
Politik vielerorts von Religion geprägt
Auf eine "Retheologisierung der Politik" wies der Wiener evangelische Theologe Ulrich H.J. Körtner in seinem Vortrag über den "Dialog an der Basis" hin. Religion werde in vielen Regionen der Welt immer mehr politisch. Nicht zu verwechseln sei dies mit einer "Zunahme von Religiosität". Neben dem interreligiösen Dialog nannte Körtner als wichtigstes Erfordernis für ein friedliches Zusammenleben "religiöse Bildung": Gerade Islamisten seien Expertenmeinungen zufolge oftmals "religiöse Analphabeten". Auch bei den Mitgliedern der christlichen Kirchen "haben die Kenntnisse der eigenen Religion abgenommen", analysierte Körtner. Bildung im Bereich der Religion gehöre für ihn nicht nur in den konfessionellen Religionsunterricht, sondern sei auch "auf dem Feld der Politik vonnöten".
[fk]