Sich mutig dem Wind of Change stellen
Den Beginn machte der Vortrag der evangelischen Ordensfrau Sr. Nicole Grochowina von der Communität Christusbruderschaft Selbitz. Sie gab einen Überblick über die Gründungssituation evangelischer Communitäten nach dem 2. Weltkrieg. Angesichts der geistigen und politischen Barbarei des Nationalsozialismus wäre ein tiefes, existenzielles Verlangen nach einem Leben aus der Ewigkeit inmitten der Zeit geweckt worden. Dieses Verlangen wurde auch aufgenommen im Stuttgarter Schuldbekenntnis der evangelischen Kirche vom Oktober 1945. Es genüge nicht, den Glauben zu erneuern und alte Werterscheinungen aufzurichten, sondern man müsse die Verbindlichkeit der christlichen Existenz Gestalt werden lassen in einer Gemeinschaft, die das ganze Leben umfasst.
Eine solche Gemeinschaft biete den Gegenpol zur barbarischen Formen der Vergemeinschaftung im Dritten Reich wurde an dieser Stelle zum erklärten Ziel der evangelischen Kirche.
Hand in Hand ginge aber damit die Aufforderung, Communio nicht als Weltflucht zu verstehen, sondern als klare Aufforderung, in der Welt zu leben und die Gradwanderung zwischen Weltflucht und Weltsucht anzunehmen.
Die Communitäten sind mittlerweile als vierte Sozialform in der Kirche anerkannt; dies entspräche der Anerkennung von evangelischen Orden in der protestantischen Kirche.
Das Resümee zeige klar, es brauche in der Gegenwart eine Wachsamkeit, um in dieser Zeit den Auftrag Gottes zu erkennen, mit der eine „Krankheit des Lebens“ in der Welt und in der Kirche abgeholfen werden soll. Dies könne durchaus in eine Richtung gehen, die bis dato für Zeitgenossen vollkommen undenkbar gewesen ist und vielleicht auch den Grundsätzen der Kirche entgegensteht.
Der Blick auf die Geschichte der Communitäten mache sichtbar, wie facettenreich und zugleich kostbar die Gaben der Communio erscheint, wenn sie nicht primär auf eine institutionelle Bindung zielt, sondern in aller Freiheiten auf die Bindung Gottes an die Menschen antwortet. So erleben Menschen aus und in Communios das Potenzial, Räume bereitzustellen, in denen sich Evangelium ereignen kann.
Die Erfahrung des Fremdseins kann zur Klärung und Festigung des eigenen Auftrags beitragen und neue Wege eröffnen. Für die evangelischen Communitäten bedeute dies, den ökumenische Ansatz gleichzeitig als Erbe und als Auftrag zu verstehen.
Schließlich müsse man den Blick darauf halten, der den innigsten Auftrag einer Gemeinschaft beständig in den Mittelpunkt rückt und jeweils in die eigene Zeit übersetzt. Und man dürfe nicht das Wissen, dass die Aufträge, die Gott ausspricht, endlich sein können und auch endlich sind.
Abt Maximilian Heim: Heute monastisch leben
In seinem Referat über das Thema „Heute monastisch leben“ nahm Abt Maximilian Heim „sein“ Stift Heiligenkreuz als Ausgangspunkt. Den Zisterzienser gäbe es eigentlich nicht mehr; die Einheitlichkeit des Zisterzienserlebens sei heute abhanden gekommen. Besonders deutlich würde dies in der Liturgie spürbar werden, die durch die Einführung der Muttersprache in den Klöstern nach dem II. Vatikanischen Konzil die zisterziensische Form des Gregorianischen Chorals immer mehr zurückgedrängt hätte. Ähnlich sei es auch mit den Consuetudines, den Gebräuchen der Orden, die sich durch die Autonomie der jeweiligen Klöster unterschiedlich entwickelt hätten.
Heiligenkreuz habe unter der Führungspersönlichkeit von Abt Karl Braunstorfer (1895 – 1978) definiert, dass es keine größere Aufgabe als das monastische Offizium und die Seelsorge gäbe. Deshalb stünde die Pfarrseelsorge genauso im Mittelpunkt wie die Neugründung von Klöstern wie in Marienkron oder in Sri Lanka. Einer der Schwerpunkte stelle auch die Priesterausbildung dar; gerade werde der Universitätscampus für die rund 200 Studierenden ausgebaut.
Kloster bedeute also nicht, eine Wehrburg zu sein, die sich abkapseln will, sondern ein Kloster sei eine geistliche und geistige Oase, die mitten in der christlichen Glaubenswüste unserer Zeit versucht, bis an die Peripherie zu gehen und Türen zu öffnen für Suchende, aber auch für die, die mitten in der Seelsorge stehen.
Man müsse Zugänge schaffen, damit junge Menschen auch den Weg ins Kloster finden können. Heiligenkreuz beschreite unterschiedliche Wege; einer sei, Präsenz in der virtuellen Weg der Jugendlichen zu zeigen wie z.B. auf Facebook oder auf Youtube. Dazu betreibe man effiziente Medienarbeit: eine gut gepflegte Homepage ist die erste Pforte, die Jugendliche überschreiten. Auch der Aufbau eines Medienzentrums gehöre dazu.
trotz Veränderung in Gesellschaft und Kirche zeigte sich in Heiligenkreuz eine erstaunliche Stabilität, die sich einerseits um das monastische Erbe bemühe und andererseits bereit sei, neue Wege zu gehen. Tradition und Innovation lebe hier in fruchtbarer Spannung.
P. Alois Riedlsperger: Freude, Last und Zukunftsperspektiven
Das Schlussreferat des Symposions hielt P. Alois Riedelsperger zum Thema „Freude, Last und Zukunftsperspektiven des Ordenslebens“. Der Jesuit, der im Kardinal-König-Haus für den Bereich Ordensentwicklung verantwortlich zeichnet, sprach davon, dass sich Ordensleute bewusst mit dem Wind der Veränderung auseinandersetzen müssen. Dabei dürfen sich nicht auf drei Freuden vergessen: Die Freude an der Berufung, die Freude am Reichtum der Traditionen und die Freude an der Vielfalt blieben trotz der schwierigen Zeiten unverändert.
Natürlich gäbe es auch Lasten: Die Situation, dass viele Gemeinschaften überaltert wären, stelle sicher eine Herausforderung dar. Es gilt die Frage zu beantworten, wie man Berufung bis ins hohe Alter leben kann.
Genauso herausfordernd könne die Last der Institution sein. Übergebe man an einen Trägerverein oder löse man eine Institution auf? Und wenn nein, wie gewinnt man profilierte MitarbeiterInnen? Denn auch das kann eine Last sein, geeignete Leitungspersonen zu finden.
Die Zukunftsperspektiven müssen die Bereitschaft beinhalten, der Vollendung entgegenzugehen. Das Stichwort lautet Ars moriendi, die Kunst, sich zu verabschieden. Eine Kunst, die nicht Verzweiflung oder Resignation in sich trägt, sondern den Schritt nach vorne macht. Man müsse sich an seinem Ordensauftrag orientieren, der auch von MitarbeiterInnen mitgetragen werden kann. Und letztendlich müsse man auch Mut zu neuen Initiativen und Mut zum Experiment zeigen, ob es zum Beispiel den Menschenhandel, ob es Flüchtlinge oder ob es den Kunstbereich betrifft. Ordensleben ist immer experimentelles Leben und mit Risiken verbunden. Dieser Mut kennzeichnet die heutigen Ordenslandschaften.
Was bleibt, ist, sich die Kraft und die Freude bewahren, um sich den Zukunftsperspektiven, dem Wind der Veränderung mutig zu stellen. Die Ordensberufung bleibt für alle auf die Zukunft hin spannend.
Die Ergebnisse des Symposions "Wind of Change" werden in einem eigenen Dokumentationsband publiiziert.
[rs]