Schöpfungsverantwortung ist gelebte Seelsorge
Zweitausend Stück wurden hergestellt, tausend waren innerhalb kurzer Zeit weg und sind bereits in Verwendung. Der „Dechantskirchener Einkaufszegga“, eine Einkaufstasche aus Leinen mit dem Logo der steirischen Pfarre Dechantskirchen, der „sonnigen“ Pfarre an der Wechselbundesstraße in der Nähe des Chorherrenstiftes Vorau, findet große Beachtung. Der „Einkaufszegga“ ist eine Dechantskirchener Erfindung, angeregt durch Pfarrer Wolfgang Fank. Wenn es nach ihm geht, soll der Zegga in jedes Auto kommen und bei jedem Einkauf verwendet werden. „Wir wollen in unserer Pfarre ein Zeichen setzen, dass wir bereit sind, Plastik zu meiden“, sagt Pfarrer Fank. „Denn wir wollen so leben und wirtschaften, dass die nachfolgende Generation nicht draufzahlt.“
Eine gesunde Erde für gesunde Kinder
Als „ländlicher Schrittmacher im Klimaschutz“ erhielten die Dechantskirchener am 3. Oktober 2014 den Europäischen Klimapreis (Climate Star) für ihre vielfältigen Projekte und ihr unermüdliches Engagement. Nur eine von vielen Auszeichnungen, die der Pfarre in den letzten Jahren zuerkannt wurden. Auf die Beine geholfen hat diesem Einsatz Pfarrer Wolfgang Fank. Der gebürtige Vorauer, Jahrgang 1943, wuchs als Bauernsohn auf. Eine „gewisse Erdverbundenheit“ hat er dadurch schon von Haus aus mitbekommen. 1963 trat er als Novize ins Augustiner Chorherrenstift Vorau ein, 1988 wurde er zum Priester geweiht. 1995 kam er als Seelsorger nach Dechantskirchen, eine inkorporierte Pfarre des Stiftes Vorau. Zusätzlich war Pfarrer Fank diözesaner Rundfunkbeauftragter und Sprecher im Programm Ö1 bei der Ökumenischen Morgenfeier. Als bei einer Diskussionsrunde im Radio zum Thema: „Geht unsere Welt bald unter?“ ein Teilnehmer die Meinung vertrat, dass wir selber die Erde schon bald zugrunde richten würden, äußerte Pfarrer Fank spontan: „Da müssen wir doch etwas dagegen tun!“ Bald darauf landete ein Schreiben der ARGE Schöpfungsverantwortung auf seinem Schreibtisch, das ihn aufrüttelte. „Wir brauchen einen Arbeitskreis Schöpfungsverantwortung“, sagte Pfarrer Fank zur geschäftsführenden Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates Maria Knöbl. „Es geht um eine gesunde Erde für gesunde Kinder!“ Maria Knöbl griff zum Telefon, lud einige Leute ein und 2001 fand die erste Sitzung des Arbeitskreises statt.
Segnung der ersten Photovoltaikanlage am 24. April 2005. Zum Abschluss der EMAS-Zertifizierung feierte die Pfarre am 24. Oktober 2010 Erntedank und Autofreien Sonntag zugleich. An diesem „Fest der Schöpfung“ wurde der „grüne Gockl“ als Öko-Prediger auf dem Dachfirst der Kirche angebracht. Auch der zertifizierte Pfarrkindergarten bekam einen „grünen Gockl“ aufs Dach.
Nachhaltig wirtschaften
Von da an wurde Dechantskirchen mit seinen 2.100 Einwohnern immer mehr zum Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Ein eigenes Umweltteam wurde gegründet, Frau Knöbl zur Umweltmanagementbeauftragten ausgebildet. Die Pfarre unternahm einen gewaltigen Arbeitsaufwand, um das EMAS-Zertifikat zu erlangen, ein jährlich überprüftes Programm, um die Umweltleistung zu verbessern, „so nachhaltig zu wirtschaften, dass durch unseren Lebensstil und unser konkretes Handeln die kommenden Generationen möglichst wenig belastet werden“, sagt Pfarrer Fank. Fragen nach dem Verbrauch von Strom und Heizenergie, nach der Verwendung von Waschmitteln, nach Radfahrkilometern und Fahrgemeinschaften mussten beantwortet werden. Oder zum Beispiel: Können Rasen in Blumenwiesen umgewandelt werden, Asphalt in Grünfläche? Gibt es Nistplätze für geschützte Vogelarten? Wie hoch ist der CO2-Ausstoß des Pfarrhofes, des Pfarrkindergartens, der Kirche usw.
„Wasser-Dank“ und „grüne Meilen“
Nach der Bestandsaufnahme wurde ein Umweltprogramm erarbeitet und viele Vorhaben wurden umgesetzt: Fenster erhielten Thermoverglasung, Wärmedämmung wurde aufgebracht, ökologische Putzmittel wurden angeschafft, die 2005 auf Spendenbasis errichtete Photovoltaikanlage inzwischen auf drei weitere erweitert, der Umstieg auf Hackschnitzelheizung und Ökostrom ist gelungen. In der Bevölkerung wirbt die Pfarre für nachhaltiges Handeln, und das trägt auch bei zunächst skeptischen Pfarrmitgliedern Früchte: Bereits 100 Haushalte sind auf Ökostrom umgestiegen, 10 Prozent haben eine Photovoltaikanlage. Ein autofreier Sonntag regt zum Autofasten an, SchülerInnen, die statt mit dem Auto zu Fuß in die Schule kommen, sammeln „grüne Meilen“, Volksschulkinder führen Müllsammlungen durch, der Pfarrkindergarten wurde Öko-Kindergarten. Die Pfarre organisiert Fair-Trade-Märkte und bezieht regionale Bioprodukte. Mit Informationsveranstaltungen und Unterschriftenaktionen, z.B. für den Ausstieg aus dem europäischen Atomstromvertrag, und Unterstützung von Volksbegehren setzt man auf Bewusstseinsbildung und will zur Veränderung persönlicher Lebensweisen motivieren. „Wasser-Dank“ nennt sich eine Selbstbesteuerungs-Aktion, die eine Brücke baut nach Afrika: Für jeden Kubikmeter verbrauchten Trinkwassers werden 10 Cent für einen Brunnen in Afrika gespendet. Jedes Jahr kommen zwischen 800 und 1.000 Euro zusammen. Mehrmals im Jahr hält Pfarrer Fank eine Öko-Predigt. „Herr Pfarrer, Sie sind für Gott zuständig, nicht für die Wirtschaft. Sie sollen von Gott predigen und nicht vom Umweltschutz“, hat er schon öfter zu hören bekommen. Seine Antwort auf diesen Vorwurf ist eindeutig: „Gott ist nicht in Gefahr, in Gefahr ist unsere Erde, indem wir sie ausbeuten.“ Wer mit Pfarrer Fank spricht, der spürt die Leidenschaft für sein Anliegen, die Schöpfungsverantwortung und Nachhaltigkeit, und Dankbarkeit für sein Leben. 1999 erkrankte er an Krebs, wurde dreimal operiert und litt jahrelang unter „fürchterlichen“ Schmerzen. „Wie durch ein Wunder“ ist er nach 13 Jahren halbwegs schmerzfrei und voller Energie und Tatendrang. Zu seinem 70. Geburtstag erfüllte er sich einen Herzenswunsch und fuhr 950 Kilometer von Dechantskirchen nach Assisi: mit dem Fahrrad. Auch zur Verleihung des Europäischen Klimapreises nach Perchtoldsdorf reiste Pfarrer Fank stilgerecht an: umweltschonend mit seinem Elektro-Auto.
Pfarrer Wolfgang Fank predigt am Erntedankfest.
Fotos: Pfarre Dechantskirchen
Aus: ON 3/2015. Die aktuelle Ausgabe des ON lesen Sie hier.
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