Das JAHR DER ORDEN wirkt
„Weckt die Welt auf!“, rief Papst Franziskus Ordensgemeinschaften rund um den Erdball anlässlich des Jahres zum geweihten Leben zu. Gleichzeitig gab er ihnen als Denkanstoß für das JAHR DER ORDEN mit auf den Weg, sie mögen neue Pfade beschreiten und überkommene Gewohnheiten und Formen abwerfen. Franziskus betonte, Orden dürften kein Ort der Weltflucht sein, sondern sie müssten mitten unter den Menschen sein. Gleichzeitig stelle das JAHR DER ORDEN eine willkommene Gelegenheit dar, in sich hineinzuhören. Diese kritische Selbstreflexion soll letztendlich in einen überzeugenden externen Impuls in die Gesellschaft und Kirche münden.
Verantwortung für gesellschaftliche Themen
Der Masterplan zum Schwerpunktjahr gibt die Richtung vor: Orden nehmen Verantwortung in Hinblick auf gesellschaftliche Themen wie Bildung, Gesundheit, Kultur und bei offensichtlichen Schieflagen in Bereichen wie Soziales, Spiritualität, Internationales wahr und stellen diese ins öffentliche Licht. Einzelne Neuaufbrüche und Transformationsprozesse werden pointiert ins Gespräch gebracht. Die Dynamik von Bewährtem und Neuem wird ausgelotet. Oder anders ausgedrückt: „Wo sind die Schmerzpunkte der heutigen Gesellschaft?“, bringt es Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden in Österreich, pointiert auf den Punkt. Die Frage hat Tradition. Viele Ordensgründungen in der Vergangenheit waren oft mutige und unkonventionelle Antworten auf soziale Problematiken der jeweiligen Zeit. Und wie ist das heute? Für Sr. Beatrix heißt es klar: „Dieser Themenschwerpunkt bietet für alle Ordensgemeinschaften eine besondere Chance, ihre Rolle in der Gesellschaft zu überdenken und neu auszurichten.“
An die Ränder gehen
„Die Orden müssen anecken“, schlägt auch P. Lorenz Voith anlässlich einer Podiumsdiskussion zur „Langen Nacht der Kirchen“ in Foto: [fk] 12 13 „Das JAHR DER ORDEN bietet für alle Orden eine Chance, ihre Rolle in der Gesellschaft zu überdenken und neu auszurichten.“ dieselbe Kerbe. Die von Sr. Beatrix apostrophierte neue gesellschaftliche Rolle sieht der Vorsitzende der Wiener Superiorenkonferenz der Männerorden darin, im JAHR DER ORDEN verstärkt „hinauszugehen an die Ränder der Gesellschaft, wo die anderen nicht sind. Wir müssen neu überlegen, vielleicht noch progressiver werden, indem wir Anwalt für diese Menschen werden. Wir sind manchmal zu angepasst, zu brav. Das ist ein Fehler“, so die Überlegungen Voiths. In dieser Forderung liege seiner Meinung nach auch zugleich eine Antwort auf die Überalterung und den Mitgliederschwund in vielen Gemeinschaften. „Dort, wo wir Antworten auf soziale oder spirituelle Fragen geben, dort werden wir auch neue Mitglieder bekommen.“
Start der Initiativen
An die Ränder gehen heißt auch darüber hinaussehen. Gleich zu Beginn des Schwerpunktjahres setzten die Ordensgemeinschaften Österreich eine erste Initiative: Im Kampf gegen den Menschenhandel stehen Ordensleute seit Jahren in vorderster Reihe. Dieses Engagement wurde nun verstärkt – durch einen speziellen Ordenskalender, der kostenlos bezogen werden konnte. Verbunden war damit die Bitte, den Verein SOLWODI mit einer Spende zu unterstützen. Der Einsatz von „Solidarity with women in distress“ gilt in Österreich besonders Frauen, die als Opfer von Menschenhandel mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt und hier zur Prostitution gezwungen werden. In Wien betreibt SOLWODI eine Schutzwohnung und hilft diesen Frauen so, den Weg zurück in ein normales Leben zu finden. Die Betreuung erfolgt durch sechs Ordensgemeinschaften. Tiroler Frauenorden planen zudem, eine Niederlassung von SOLWODI aufzubauen. Gleichzeitig wurden mit dem Ordenskalender auch Hilfsprojekte der Ordensgemeinschaften im Ausland wie zum Beispiel „VOLONTARIAT bewegt“ unterstützt. Das Jugend-Entsendeprogramm von Jugend Eine Welt und der Salesianer Don Boscos kümmert sich um benachteiligte Kinder in Krisengebieten. Zwangs- bzw. Kinderprostitution ist auch hier teilweise ein Thema: So bauen die Don Bosco Schwestern in Manila ein neues, großes Zentrum für missbrauchte oder auf der Straße lebende Mädchen.
Mittwoch ist Ordenstag
Doch nicht nur im Ausland setzten die Ordensgemeinschaften Initiativen; mit „Mittwoch ist Ordenstag“ (MiO) wurden sie „Mitten im Leben. Mitten in der Woche.“ auch im Inland aktiv. Der nationale Aktionstitel wurde von vielen lokalen Initiativen aufgeladen: Gemeinschaften aus allen Bundesländern trugen, je nach personellen und finanziellen Möglichkeiten, ihr Scherflein dazu bei, dass der MiO mit Leben erfüllt wurde. Dabei lässt sich die Bandbreite der Aktivitäten der einzelnen Ordensgemeinschaften durchaus sehen und zeugt auch von inspirierender Kreativität. Sie reicht, um stellvertretend nur einige wenige Highlights zu nennen, vom sog. „Anliegenbuch“ (das österreichweit ein Netz des Gebetes spannt) bis zum Tag der offenen Tür, vom selbstverfassten Theaterstück bis hin zu Diskussionsreihen, von Ausstellungen bis hin zu internationalen Symposien. Zwei der medial wirkungsvollsten Beispiele stellen sicherlich die als Ouvertüre konzipierte Videoreihe „viel.mehr.wesentlich. weniger“ dar, in der sich Ordensleute gemeinsam mit Prominenten aus Politik, Kultur und Wissenschaft als (Quer-)Denker zu Beruf und Berufung erweisen, und die „Rote Ordenscouch“ der Tiroler Ordensgemeinschaften. Mit diesem auffälligen Möbelstück gehen Ordensfrauen und -männer quer durch die Diözese Innsbruck auf Reisen. Sie laden die Menschen ein, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, die Gedanken frei fliegen und dann auf der Couch gemeinsam setzen zu lassen. Powercouching der etwas anderen Art. Allen gemeinsam ist eines: Die kritische Reflexion über Berufung, Inhalt, Arbeit und gesellschaftliche Bedeutung – nach innen, aber auch nach außen. Die Ordensleute wollen, getreu dem Aktionsmotto, mitten unter den Menschen sein und verstärkt den Dialog mit ihnen suchen. Sie wollen zuhören, aber auch erzählen und so auf die Vielfalt ihrer Arbeit, auf ihren Freiraum für Gott und die Welt aufmerksam machen.
Aus: ON 4/2015. Das ganze Heft lesen Sie hier.
[rs]