Bilder von Lebenskünstlerinnen
"In schwarzen Rahmen hat Manu Nitsch ihre Fotos mit Blick auf Ordensfrauen gespannt. Spannend sind die Perspektiven; die Blickwinkel auch", sagte Sr. Beatrix Mayrhofer, Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, in ihrer Eröffnungsrede. Und nutzt den Ort und die Zeit für einen kleines Gedankenexperiment. "Wir sind ganz in der Nähe des Stephansdoms. Ich schaue hinüber zum Nordturm. Fertig oder unfertig?“
Vor 500 Jahren hatte Kaiser Friedrich den Grundstein für den Nordturm gelegt; das Bistum war errichtet, und der Herrscher ließ die Urkunde an das Tor des Nordturms, seines Turms, anheften. Doch schon wenig später ließ im Norden ein Mönch eine andere Urkunde an ein anderes Kirchentor anschlagen, und die hob Europa aus den Fugen. Zudem kamen die Türken immer näher; das Geld ging aus, und der Bau des Nordturms stockte. Schließlich setzte man eine Kuppel drauf. Keine zweite gotische Spitze, aber immerhin: Raum für die Glocken. Fertig? Oder unfertig? „Gültige Rahmen des Denkens und des Glaubens wurden gesprengt“, erinnerte Präsidentin Sr. Mayrhofer. Der Klang der Glocken überzog die Stadt und holte in die Mitte zurück. Präsidentin Sr. Mayrhofer: „Die Frage schwingt weiter: Lohnt sich das Leben? Können Ordensfrauen dazu etwas sagen?“
"Manu Nitsch zeigt Bilder von Lebenskünstlerinnen" (v.l.n.r: Manu Nitsch, Peter Bohynik und Präsidentin Sr. Beatrix Mayrhofer). (c) Ordensgemeinschaften Österreich
Bilder von Lebenskünstlerinnen
Manu Nitsch zeigt in ihren Arbeiten die Vielfältigkeit von Frauen, die mutig mitten im Leben stehen. Präsidentin Sr. Mayrhofer: „Nicht viele würden vermuten, dass sie auf der Suche nach solchen Menschen auch Ordensfrauen findet.“ Und weiter: „Schwarz gerahmt sind die Bilder. Die Fotos zeigen, das ist kein Trauerrand für arme, eingesperrte Wesen, das ist eine Absprungrampe für Bilder von Lebenskünstlerinnen, oder auch ein Glockenstuhl für die, die im Gleichklang des Klosterlebens Fragen zum Schwingen bringen. Lebensfragen zum Weiterdenken. Fertig oder Unfertig? Schwarz oder weiß? Wer weiß!“
"Rund 70 Gäste kamen zur Vernissage von Manu Nitsch ins Quo Vadis. (c) Ordensgemeinschaften Österreich
Ideen ohne Gesicht lösen Ängste aus
Peter Bohynik, Leiter des Quo Vadis, das Begegnungszentrum der Ordensgemeinschaften Österreich und des Canisiuswerks am Stephansplatz 6, machte sich in seiner Einleitung darüber Gedanken, dass nicht nur die Augen, sondern auch das Gesicht der Spiegel der Seele sei. „Wenn Werte, Haltungen, Überzeugungen und Ideen ohne Gesicht bleiben, lösen sie Ängste aus, weil sie nicht greifbar sind.“
Bohynik zog auch eine Parallele zum aktuellen Geschehen: „Denken Sie an unseren Umgang mit den Flüchtlingen. Solange ein Flüchtling ohne Gesicht bleibt, bleibt er eine Bedrohung für unser soziales System, für unsere Sicherheit. In dem Moment, in dem wir ihnen begegnen, in dem wir ihre Not sehen, in dem sie ein Gesicht bekommen, verändert sich unser Denken. Das Gesicht weitet unser Leben.“ Manu Nitsch habe dem Ordensleben ein Gesicht gegeben, und „plötzlich sind Begegnungen möglich, die unser Denken über das Ordensleben, über die Ordensspiritualität verändert und weitet. Es sind Begegnungen, die unser Leben weiter machen können – wenn wir es zulassen.“ So sei auch der Titel der Ausstellung zu verstehen: er symbolisiere eine Weitung, eine Erweiterung, aber auch im Sinne, dass man ein Leben weiter denken kann als nur in Kategorien.
"Sr. Joanna Jimin Lee sorgte für den musikalischen Rahmen des Abends. (c) Ordensgemeinschaften Österreich
Persönlicher Blick auf Ordensfrauen
Die Fotos selbst sind manchmal schwarz/weiß, manchmal in Farben gehalten. “In dieser bunten Welt kann Schwarz/weiß oft den Blick auf das Wesentliche lenken. Aber manchmal passten die fröhlichen Farben auch zur Fröhlichkeit meiner Modelle.” Und weiter: „Ich will mit dieser Ausstellung einen sehr persönlichen Blick auf Leben und Arbeit von Ordensfrauen zeigen“, sagt Manu Nitsch. „Ich will sie in allen Lebensbereichen zeigen und dokumentieren.“ Die Palette ist breit gefächert und reicht von der Künstlerin bis zur Goldschmiedin. Nitsch geht es weniger darum, „Starporträts“ zu erstellen als zu zeigen, wie unterschiedliche, mannigfaltige, bunte, vor allem aber erfüllte Lebenskonzepte sich unter einem Ordensleben wiederfinden. „Und natürlich bin ich als Fotografin von Gesichtern, von Ausdruck und Mimik fasziniert“, sagt Nitsch.
leben.weiter.denken
15. September –15. November 2015
Montag – Donnerstag 10.00–18. 00 Uhr & Freitag 10.00–16.00 Uhr
Ausstellungsort:
Quo Vadis
Stephansplatz 6, 1010 Wien
Um Anmeldung wird gebeten: office@quovadis.or.at
Rahmenprogramm zur Ausstellung
AUSSTELLUNGSFÜHRUNG
Die Geschichte(n) hinter den Gesichtern - Führung durch die Ausstellung mit Manu Nitsch
Termin: Di., 22. Sept. 2015, 17.00 Uhr
Foto-Workshop
Portrait: Spiegel der Seele
Der Workshop mit Manu Nitsch legt den Schwerpunkt nicht auf die Technik, sondern auf Intention und Gespür in der Portraitfotografie.
Der Unkostenbeitrag von Euro 20,- pro Person wird zur Gänze dem Verein »SOLWODI - Solidarität mit Frauen in Not« gespendet.
Fr. 9. Oktober 2015 13:00 - 17:00 Uhr
[rs]