Zum Staunen führen
Im Netzwerk des Lebens
„Ich fühle mich leicht und frei, wenn ich durch diesen Garten gehe. Da geht Leben auf, er lädt ein zum Verweilen und zum „Sich-mit-verwurzeln“. So äußern sich Besucher des Bibelgartens Greisinghof im oberösterreichischen Mühlviertel. Das Gefühl von Leichtigkeit und Freiheit, von aufgehendem Leben in den Fußspuren Gottes hat der begeisterte „Bibelgärtner“ P. Hans Eidenberger, wenn er durch „seinen“ Garten spaziert, BesucherInnen führt, Bibelseminare anbietet oder dort Gottesdienste feiert. Den hundertjährigen Olivenbaum, den Christusdorn, den Judasstrauch, jedes Kraut im Kräutergarten, jeden Stein kennt P. Hans, denn er hat den Garten mitbegründet und selbst angelegt. 2003 wurde er gesegnet. Von der Enzyklika „Laudato si“ zeigt sich P. Hans begeistert. „Sie macht uns unsere Lebensadern bewusst und mahnt ein, dass wir das Leben für alle Menschen fließen lassen und nicht die Gabe Gottes blockieren oder gar den Ärmeren die Lebensgrundlagen ‚abgraben’.“ Der Mensch ist nicht nur einfach ein Teil der Natur, sondern im Sinne Gottes „Netz-Werk“ des Lebens, arbeitet mit dem Schöpfer des Lebens zusammen. „Ein Mensch, der seine Wurzeln verliert, nicht mehr in der Schöpfung beheimatet ist, ist nicht sinnes-fähig und somit wohl auch nicht sinn-fähig!“, sagt P. Hans. Aufgrund seiner Vernetzung mit der Schöpfung hat der Mensch auch eine umfassende Verantwortung für die Schöpfung. P. Eidenberger spricht besonders an, dass der Papst den „ökologischen Weg“ bei den ganz konkreten Alltagserfahrungen beginnt und bis ins Herz Gottes hinein fortsetzt. „Laudato si“ ist eine große Bestätigung für seine Arbeit im Bibelgarten und eine Herausforderung für die Ordensspiritualität. „Es kommen viele Gäste in unser Bildungshaus Greisinghof, die naturverbunden ihr Leben gestalten! Als Ordensleute sind wir gefordert, diese Naturverbundenheit in eine Schöpfungs-Transparenz zu führen, die dem Glauben die Türen öffnen kann. Die vielen Wunder der Schöpfung führen zum Staunen – und das Staunen öffnet für die Welt Gottes.“ Die Enzyklika lade geradezu ein, geistliche Übungen im „Haus der Schöpfung“ anzubieten, „die Natur durch Angebote wie Pilgern und Wanderexerzitien als Schöpfungs-Raum der Gottes-Erfahrung lebendig zu erhalten“.
P. Hans lebt mit sechs Brüdern im Bildungshaus Greisinghof in Tragwein (Oberösterreich). Von hier aus leitet er die Region Österreich- Deutschland der Marianisten. Foto: privat
Lernen und üben, wie Leben geht
Seit 15 Jahren ist die „Bewahrung der Schöpfung“ ein eigener Punkt in der Ordensregel der Marianisten! Sie betreiben weltweit 46 non-profit Einrichtungen, die nachhaltig dem Schutz der Umwelt dienen und sich für soziale Gerechtigkeit einsetzen! Der Sozialkreis Greisinghof z. B. unterstützt Initiativen in Indien, Albanien und Ostafrika. Konkret betreiben sie am Greisinghof eine Solaranlage, arbeiten mit Wärmerückgewinnung und sind auch von fossilen Brennstoffen auf erneuerbare Energie umgestiegen. Für P. Hans ist ganz wichtig, den Menschen wieder mehr Verständnis zu lehren, wie „Leben geht“. Es wächst, braucht Zuwendung, es gibt Sommer und Winter – und so reift der Mensch vor dem Angesicht Gottes in Sein Ebenbild. „Dieses ‚Mensch Werden’ gehört zu den größten ‚Lebens-Ein-Übungen’, die wir lernen können!“
Aus: ON 5/2015. Das ganze Heft lesen Sie hier.
[hw]