90 Jahre Missionsärztliche Schwestern
Die aus Steeg im Lechtal (Tirol) stammende Anna Dengel geht als eine Pionierin in die Kirchengeschichte ein - war sie doch diejenige, deren Beharrlichkeit das seit dem Jahr 1215 bestehende kirchliche Verbot der Ausübung medizinischer Tätigkeiten für Geistliche und Ordensleute zu Fall brachte. Das betonte Festredner Jozef Niewiadomski bei den Jubiläumsfeierlichkeiten des Ordens in Innsbruck, bei denen zunächst am Freitag an der Universität die "würzige" Lebensgeschichte der aus Steeg im Lechtal (Tirol) stammenden Ärztin und Ordensfrau sowie das Charisma ihrer Gemeinschaft im Zentrum eines Vortragsabends standen. Am Sonntag fand dann als feierlicher Abschluss ein Festgottesdienst in der Jesuitenkirche statt.
Linderung des Körpers braucht Linderung der Seele
Durch ihr Lebensschicksal und schließlich als Ärztin im Gebiet des heutigen Pakistans habe Dengel eine spezielle Berufung erfahren und für sich erkannt, "dass der Weg zu den Seelen der Menschen zuerst über die Linderung der körperlichen Not führt", skizzierte Niewiadomski die Ausgangslage für die Tirolerin. Dengel habe es als "unchristlich und verantwortungslos" erkannt, gebärenden Frauen angesichts deren immens hoher Todesrate bei der Geburt und des Mangels an Ärztinnen nicht zu helfen; dies doch zu tun, sei für sie "Gebot der Stunde" gewesen.
Bereits der Gründungsurkunde ihrer Kongregation dokumentierte Dengel ihre Hoffnung, das veraltete Medizin-Verbot würde eines Tages fallen. Das damalige Kirchenrecht, welches das Engagement auf die Krankenpflege reduzierte, sei "völlig veraltet" und ein "faulender Abszess" gewesen, an den sich die Kirchenöffentlichkeit jener Zeit einfach gewöhnt habe, betonte Niewiadomski. Um diese Tradition zu überwinden und vorzuzeigen, dass eine Verbindung von medizinischem Dienst und seelsorglicher Missionsarbeit möglich sei, habe Dengel ihre eigene Existenz aufs Spiel gesetzt und als Lobbyistin für die Verbotsaufhebung durch weltweite Mobilisierung von Kardinälen, Bischöfen und Ordensoberen agiert. So habe sie "das Eis einer kirchlichen Salzsäule zum Schmelzen gebracht".
Anna Dengel (2. von links): Gründung der Missionsärztlichen Schwestern. (c) www.freudeanannadengel.at
"Ihre Suche nach einer gültigen Form der eigenen Existenz und die Art und Weise, wie sie diese gestaltete, stand im Dienste der lebensnotwendigen Operation am Organismus der Rechtsprechung der katholischen Kirche", würdigte der Theologe Dengels Einsatz. Durchaus habe die Ordensfrau im Alter an ihrer eigenen Starrköpfigkeit aber auch gelitten: So fiel es ihr etwa schwer, für die beim Generalkapitel im Jahr 1967 beschlossenen Reformen Verständnis aufzubringen. Ihr Ziel hatte sie freilich erreicht, mit der päpstlichen Instruktion aus dem Jahr 1936, die den vollen medizinischen Dienst erlaubte. Nachdem Dengel und ihre Mitstreiterinnen 1941 die ewigen Gelübde ablegten, wirkte die Gemeinschaft binnen weniger Jahre in Spitälern und Krankenschwesternschulen ganz Indiens und nach Ende des Zweiten Weltkriegs auch in Indonesien, auf den Philippinen sowie in Afrika und Südamerika.
Gründungsgedanke weiter aktuell
Dengels Gründungsgedanke ist 90 Jahre später weiter aktuell, verdeutlichte die deutsche Gynäkologin und Ordensschwester Rita Schiffer, die im äthiopischen Attat-Hospital 180 Kilometer südwestlich von Addis Abeba tätig ist. Das Krankenhaus wurde errichtet, da es im Umkreis keine medizinische Basisversorgung gab. Nun versorgt es ein Einzugsgebiet von rund 100 Kilometer, wobei rund eine Million Menschen in dem Gebiet leben. "Früher sind viele Leute an Blinddarmentzündung gestorben", berichtete Schiffer, die hier mit sieben weiteren Missionsärztlichen Schwestern und 200 Mitarbeitern tätig ist, am Rande des Jubiläums im Interview mit "Kathpress".
Seit der Gründung im 1969 sei die Mütter- und Kindersterblichkeit in der Region deutlich gesunken, berichtete Schiffer. Den Menschen gegenüber wolle man vor allem ein "verlässlicher Ort der Hoffnung" sein, was durch die Führung durch eine Ordensgemeinschaft besonders gut gelinge: Stets sei die Entwicklung des Spitals mit seinem Grundsatz des Dienstes an den Menschen immer in die gleiche Richtung gegangen. Dies spiegle sich auch in der Einstellung der Mitarbeiter wider. Aufrecht erhalten wird der Betrieb nur dank Spenden, werden doch bloß 38 Prozent der anfallenden laufenden Kosten wie Löhne und Gehälter durch Einnahmen gedeckt.
Einen anderen Blickwinkel auf den Orden gab die deutsche Ordensausbildungs-Verantwortliche bei den Missionsärztlichen Schwestern, Beate Glania. Der Altersdurchschnitt liege in Deutschland bei 56 Jahren, Nachwuchsprobleme gebe es nicht. "Die Nöte der Menschen verändern sich, wir müssen uns anpassen", so Glania. Dennoch seien die einstigen großen Eintrittswellen vorbei, was auch mit den weitaus vielseitigeren Ausbildungs- und Berufschancen für Frauen, mit den Möglichkeiten für Auslandseinsätze und Volontariate oder mit der großen Palette an Sozialberufen zu tun habe. Was sich dabei aber ebenfalls verändert ist, dass junge Frauen "heute weit mehr darüber nachdenken, warum sie Ordensschwestern werden wollen".
"Freunde Anna Dengel"
Heute sind 540 Missionsärztliche Schwestern in weltweit 19 Ländern tätig, zudem werden auch 100 assoziierte Mitglieder dem Orden zugerechnet. Die Schwestern arbeiten als Ärztinnen, Psychotherapeutinnen und Sozialarbeiterinnen, zudem in Europa auch in der Großstadt-Seelsorge mit Obdachlosen, Armen und Kranken. Der Generalrat als oberstes Ordensgremium ist seit 1983 in London. In Österreich existiert keine Niederlassung des Ordens, seit 2012 widmet sich jedoch der Verein "Freunde Anna Dengel" der Aufgabe, seine Namensgeberin und die Tätigkeit ihres Ordens bekannt zu machen und für die Projekte der Schwestern Unterstützung zu sammeln.
Mehr Info: www.freundeannadengel.at
[rs]